Speech · 28.01.2021 Wir fordern elternunabhängiges Bafög ohne Rückzahlung und komplizierte Anträge
„Wenn wir nicht wollen, dass die Abbruchszahlen ins Unermessliche steigen, müssen wir politisch alles in Gang setzen, was geht.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 36+40 - Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Hochschulen und die Studierenden abmildern, BAföG schnell und grundsätzlich überarbeiten (Drs. 19/2489, 19/2529, 19/2705)
Das, was ich oft in Gesprächen mit Studierenden wahrnehme ist, dass sie wirklich das tun, was wir Anderen oft nahelegen: sie finden einen Umgang mit der Krise.
Aber das hat eben auch seine Grenzen.
Für viele bedeutet das Studium jetzt, vor dem PC zu sitzen. Die Vorlesung digital abzurufen, am Seminar über Videoformate teilnehmen und Texte online lesen.
Und da mag es Einzelfälle geben, in denen es noch ein wenig rumpelt, aber insgesamt haben sich unsere Hochschulen wirklich lobenswert und voller Voraussicht auf die kommenden Monate vorbereitet. Die digitale Lehre hat dazugelernt. Auch die Prüfungen können nun in großen Teilen online absolviert werden. Da haben unsere Hochschulen wirklich eine Kraftanstrengung vollbracht.
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass gerade für diejenigen, die im Sommer- oder Wintersemester 2020 angefangen haben, das Studium bisher von Einsamkeit geprägt war. Von Geldsorgen und Überforderung. Sie haben ihre Mitstudierenden nie richtig kennenlernen können, kennen ihren Campus nicht und die Stadt, in die sie gezogen sind nur gewissermaßen heruntergefahren. Einige mussten zurück ins Elternhaus ziehen.
Für viele bedeutet das, dass es immer schwieriger wird, sich zu motivieren.
Wenn wir nicht wollen, dass die Abbruchszahlen ins Unermessliche steigen, müssen wir politisch alles in Gang setzen, was geht.
Was braucht es dafür? An erster Stelle einmal finanzielle Sicherheit und Zugeständnisse im Studienablauf.
Von daher bin ich froh darüber, was zumindest den Studierenden in Schleswig-Holstein nun in Aussicht gestellt werden kann.
Die bisherigen Auffangprogramme werden weitergeführt. Die Bafög-Förderhöchstdauer wird noch einmal angepasst. Das laufende Wintersemester wird also, wie schon das Sommersemester davor, nicht als Fachsemester zählen. Und das ist sinnvoll. Denn für Einige ist es einfach ein Ding der Unmöglichkeit, jetzt Leistungsnachweise zu erbringen. Ich denke da zum Beispiel an die Pflichtpraktika oder Laboreinheiten, die nicht stattfinden können.
Froh war ich auch über die Meldung, dass es flächendeckende Freiversuche für Prüfungen geben wird, die in veränderter Prüfungsart oder Online stattfinden werden.
Und da möchte ich auch feststellen, dass das für mich ein Erfolg der studentischen Vertretungen ist. Unsere Asten haben sich hier wirklich mit einem tollen Ergebnis für die Studierenden eingesetzt.
Langfristig scheinen sich ja plötzlich auch alle einig zu sein, dass es eine Reform der Bafög-Regulierungen braucht.
Denn auch CDU und FDP bekennen sich nun dazu, dass „im Rahmen einer nächsten Überarbeitung des BAföG die elternunabhängige Förderung Berücksichtigung findet“. In meinen Augen ist das eine Abkehr ihrer bisherigen Haltung zum Bafög, die wirklich bemerkenswert ist.
Bei allem, was wir aus Corona lernen können ist doch auch eines festzustellen: Unser Bafög-System ist unzureichend. Bei einer Überarbeitung der Bafög-Sätze müsste zum Beispiel dringend auch der Bedarf an Hardware in Folgen der Digitalisierung anders berücksichtigt werden.
Für den SSW gilt nach wie vor, dass wir in Deutschland ein generelles Umdenken bei der Förderung für Studierende brauchen. Studierende sind erwachsene Menschen, die eigenständig und unabhängig von ihren Familien ihr Studium absolvieren können sollten.
Wir sehen Bafög eher als eine Ausbildungsvergütung an, eine Art Entlohnung. Und da kann ich einfach nur immer wieder nach Dänemark zeigen, wo Studierende „SU“ erhalten.
Wir wollen, dass Studierende in Deutschland elternunabhängiges Bafög erhalten, ohne es zurückzahlen zu müssen. Ohne komplizierte, seitenlange Anträge und ohne Schuldenberge für Absolventinnen und Absolventen.