Speech · 13.12.2023 Wir müssen den Küstenschutz in Schleswig-Holstein neu denken

„Die Deiche für die Zukunft wehrhaft zu machen, ist nun die große Herausforderung. Hier kommt ein ordentlicher Brocken auf das Land zu. Küstenschutz ist teuer, aber kein Küstenschutz ist noch teurer.“

Christian Dirschauer zu TOP 24 - Konsequenzen aus der Sturmflut an der Ostsee ziehen (Drs. 20/1679)

Die Sturmflut an der Ostseeküste hat mit aller Wucht gezeigt, wie angreifbar und zum Teil auch wehrlos der Küstenschutz an der Ostseeküste ist. Es hat uns als Landespolitik klar vor Augen geführt, dass wir den Küstenschutz in Schleswig-Holstein neu denken müssen. Und der Küstenschutz an der Ostseeküste bedarf einer deutlich höheren Priorität von Seiten des Landes. Diese Diskussion ist nun im vollen Gange. Wie können die Wasser- und Bodenverbände sowie zuständige Gemeinden besser eingebunden und unterstützt werden, wo steigt das Land ein, wo werden Regionaldeiche in Landesschutzdeiche umgewidmet? Dass es hierfür nicht sofort Antworten geben kann, ist klar, denn wir stehen wohl vor einem Systemwechsel im Verantwortungsbereich. Wir kommen nicht umhin, diese Diskussion muss jetzt geführt werden. Sturmfluten in dieser Gewaltigkeit werden wir an der Ostseeküste in Zukunft häufiger erleben, davon ist auszugehen. Während wir entlang der Westküste bereits in Gang sind, die Deiche wehrhaft zu machen, sie instand halten und verstärken, um die Küstenbewohnerinnen und Küstenbewohner vor dem ansteigenden Meeresspiegel besser zu schützen, wurde in den letzten Jahren versäumt, ein vergleichbares Engagement für die Regionaldeiche an der Ostseeküste zu entfalten. Auch wenn seit Jahren die zuständigen Wasser- und Bodenverbände, die Gemeinden und das Land sich im Austausch befunden haben, so war das Ergebnis eher mau.
Es ist mühselig, sich im Nachgang in Verantwortlichkeiten oder Schuldzuweisungen zu verzetteln. Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Wir haben entlang der Ostseeküste unterschiedliche Voraussetzungen für Küstenschutzmaßnahmen und die erfordern unterschiedliche Maßnahmen. Wir haben aber keine Zeit, uns hier in Struktur- und Verantwortungsdiskussionen zu ergehen. Es besteht Handlungsbedarf. Wenn wir wollen, dass das Land hier verstärkt an der Ostseeküste unterstützt und ich glaube, an dem Punkt sind wir alle angelangt, dann ist das ein Auftrag an den Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) hier tätig zu werden. Diskussionen bzgl. der Regionaldeiche hat es in den letzten Jahren zwischen dem LKN und den Wasser- und Bodenverbänden immer wieder gegeben. Diese Verzögerungen können wir uns jetzt nicht weiter erlauben. 
Wir müssen uns dann auch ehrlich machen und eine in Teilen wohl auch schmerzhafte Diskussion führen, wenn es um die vordringlichen Interessen des Küstenschutzes geht. Für uns als SSW sage ich ganz deutlich, der Küstenschutz hatte bereits bei der Diskussion um des Nationalparkgesetz Wattenmeer immer Vorrang und daran halten wir auch beim Küstenschutz an der Ostseeküste fest. Das Beispiel in Schleimünde macht diesen Konflikt sehr deutlich. Aus morphologischer Sicht mag die Sturmflut in Schleimünde nicht bedenklich gewesen sein, aber das sehen die betroffenen Menschen in der Schleiregion anders. Zu lange haben wir die Kraft der Ostsee unterschätzt. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen. 
Die Umgestaltung des Ostseeküstenschutzes wird zusätzliche Kosten für das Land verursachen, die abschließend noch nicht zu beziffern sind. Eine umfassendere Verantwortlichkeit  des  LKN bedeutet strukturelle Umstellung und höheren Personalaufwand. Das muss klar sein. Die Deiche für die Zukunft wehrhaft zu machen, ist nun die große Herausforderung. Hier kommt ein ordentlicher Brocken auf das Land zu. Küstenschutz ist teuer, aber kein Küstenschutz ist noch teurer. Wir müssen also sehen, dass wir den Küstenschutz auch an der Ostseeküste auf neue Beine stellen.
Die Sturmflut, als Anlass, um den Küstenschutz an der Ostsee zu diskutieren ist Aufgabe der Politik. Das ist richtig, aber das, was die Betroffenen jetzt interessiert ist, wie sie ihre entstandenen Schäden finanziell bewältigen sollen. Der in Aussicht gestellte Kredit von 50 Tsd. Euro, ist für viele der Betroffenen keine Lösung, weil Laufzeit und Zinssatz für sie einfach nicht finanzierbar sind. Für diese Menschen, sowie Unternehmen braucht es andere finanzielle Maßnahmen, um solche Härten schnell und unbürokratisch abzufangen. 
Wir müssen uns daher Gedanken machen, wie wir Schäden, durch beispielsweise Naturkatastrophen, künftig ausgleichen wollen. Zusätzliche Elementarschaden-Versicherungen sind für die meisten keine Option. Sie ist zu teuer oder wird von der Versicherung gar nicht erst angeboten. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels und der damit einhergehenden Extremwetterereignisse muss der Ausgleich durch Elementarschäden neu diskutiert und finanziert werden. Ein bundesweites Solidarsystem, in das alle Haushalte einzahlen, wäre eine gangbare Möglichkeit. Wenn der Bund hier nicht mitspielt, sollten wir ein solches System für Schleswig-Holstein in Betracht ziehen.

 

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