Press release · 23.10.2021 SSW Landesparteitag 2021: Entschließungsantrag Wir werden die neue Bundesregierung an ihren Taten messen
Forderungen des SSW für den Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung
Entschließungsantrag des Landesvorstandes zu TOP 9 - Resolutionen
Harreslev, 23.10.2021
Forderungen des SSW für den Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung
Die Delegierten des SSW-Landesparteitages beschließen:
Der SSW-Landesparteitag spricht sich dafür aus, dass folgende Forderungen bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP berücksichtigt werden.
1. Minderheiten schützen und fördern
Wir sind als SSW zur Bundestagswahl u.a. angetreten, weil wir nicht zufrieden sind mit der bisherigen Minderheitenpolitik in Berlin. Die großen Fortschritte in der Minderheitenpolitik sind in den letzten Jahrzehnten in der Landespolitik in Schleswig-Holstein erreicht worden, weil der SSW landespolitische eine wichtige Rolle spielt. Auf Bundesebene sieht dies leider anders aus. Wir wollen, dass sich eine neue Bundesregierung noch stärker als bisher in der Minderheitenpolitik engagiert.
Die neue Bundesregierung muss dafür arbeiten, dass die Rechte der Minderheiten im Grundgesetz verankert werden.
- In Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen sind die Rechte der Minderheiten in der Verfassung verankert. Auf Bundesebene ist dies leider noch nicht der Fall. Das muss geändert werden, weil die Bundespolitik die übergeordnete Verantwortung für die Minderheitenpolitik in Deutschland hat.
- Ein Gutachten zeigt, dass sich aus den internationalen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik auch eine Anpassung an das Grundgesetz ergibt. Landesregelegungen sind nicht genug. Schon die Paulskirche-Verfassung und Weimaer Verfassung hatten entsprechende Minderheitenregelung.
- Eine Aufnahme der Minderheitenrechte ins Grundgesetz würden neben der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Minderheiten auch ganz praktisch die Stellung der Minderheiten und Volksgruppen rechtlich bei Konfliktfällen verbessern.
Die neue Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Gleichberechtigung der Minderheiten auf Bundesebene z.B. bei Finanzen und Sprachen gesichert wird
- Die neue Bundesregierung muss die Minderheiten finanziell besser unterstützen. Dies gilt insbesondere für die friesische Volksgruppe, die finanziell sehr benachteiligt ist. Auch die Arbeit der FUEN, SSF und des ECMI müssen weiter finanziell unterstützt werden.
- Der Gebrauch der Sprachen der dänischen und friesischen Sprache gegenüber Bundesbehörden und bei den Sozialversicherungsträgern muss ohne eigene Übersetzungskosten möglich sein. Dies gilt für die Abgabe von Papieren in dänischer und friesischer Sprache sowie für die Möglichkeit Dänisch und Friesisch bei Bundesbehörden zu sprechen. Dies soll natürlich nur für das Siedlungsgebiet der dänischen Minderheit und Friesen im Norden Schleswig-Holsteins gelten.
- Die neue Bundesregierung muss §184 des Gerichtsverfassungsgesetzes ändern damit die Dänen und Friesen ohne Übersetzungskosten mündlich oder schriftlich vor Gericht ihre Sprache benutzen können.
Die neue Bundesregierung muss die guten Erfahrungen der Minderheitenpolitik des deutsch-dänischen Grenzlandes für eine progressive Minderheitenpolitik in Deutschland und Europa nutzen.
- Die neue Bundesregierung muss die konsequente Bekämpfung der Diskriminierungen von den Sinti und Roma in Deutschland voranbringen. Dazu gehört die Einrichtung eines Beauftragten gegen Antiziganismus und einen bundesweiten Aktionsplan zur Bekämpfung des Antiziganismus.
- Die neue Bundesregierung muss sich noch viel stärker in Brüssel für die Umsetzung der Minority-SafePack-Initiativ einsetzen. Die Zuständigkeit für Minderheiten muss endlich in der EU-Kommission verankert werden.
2. Den Norden stärken – regional und nachhaltig
Eines der wichtigsten Forderungen des SSW an eine neue Bundesregierung ist neben unserer Minderheitenpolitik eine zukunftsweisende Regionalpolitik, die hier in Südschleswig und in Schleswig-Holstein eine nachhaltige und wirtschaftliche Entwicklung voranbringt. Wir sind als SSW eine Partei, die in Schleswig-Holstein besonders im nördlichen Landesteil tief verankert ist und die die heimischen Probleme kennt und Lösungsvorschläge hat.
Dabei ist es uns im SSW natürlich nicht egal, wie der Norden in Berlin gestärkt werden soll. Wir treten für eine regionale und nachhaltige Politik ein. Viele der weltweiten Krisen von Klimaschutz bis Corona können nur dadurch gelöst werden, dass vor Ort wieder eine vernünftigere und nachhaltigere Regionalpolitik gestaltet wird.
Die neue Bundesregierung muss endlich einen nachhaltigen Klimaschutz und Umweltschutz in Gang setzen, weil dies für uns Schleswig-Holsteiner mit unseren vielen Küsten und schöner Landschaft überlebenswichtig ist.
- Die neue Bundesregierung muss jetzt handeln für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir können den notwendigen Klimaschutz und die Energiewende nur durchsetzen, wenn sie bezahlbar für breite Schichten der Bevölkerung bleiben. Der SSW will einen sozialen Klimaschutz. Wenn zum Beispiel wegen der Erhöhung der CO2-Steuer die Kosten für Autos und Wohnung steigen, müssen die Menschen auf andere Weise steuerlich und finanziell entlasten werden. Sonst gibt es eine soziale Schieflage durch den Klimaschutz. Das wollen wir nicht.
- Die neue Bundesregierung muss alternative Energien weiter fördern, dort, wo es sinnvoll ist, z.B. Offshore Windparks, und wo die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger da ist, zum Beispiel bei Bürgerwindparks, oder mit der Förderung von Wasserstofftechnik etc.
- Die neue Bundesregierung muss das Erneuerbare Energiegesetz (EEG-Gesetz) dahingehend reformieren, dass es einen Bundesausgleich gibt, damit die Kosten des notwendigen Ausbaus der erneuerbaren Energien bundesweit gerecht verteilt werden.
Die neue Bundesregierung muss auch die heimische regionale Wirtschaft stärken und die Verkehrsinfrastruktur ausbauen.
- Eine Vertiefung der deutsch-dänischen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich hat laut einer Studie ein sehr großes wirtschaftliches Potential für unsere Region. Denn viele Hemmnisse der deutsch-dänischen Zusammenarbeit hängen nun mal mit Gesetzen zusammen, die in Berlin beschlossen werden. Eine neue Bundesregierung muss gemeinsam mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung sich für eine Vertiefung der deutsch-dänischen Zusammenarbeit einsetzen.
- Die neue Bundesregierung muss für ein Anhörungsrecht bei der deutschen und dänischen Regierung für unsere Region einsetzen bei Maßnahmen, die die Bevölkerung vor Ort betreffen.
- Die Verkehrsinfrastruktur ist in Schleswig-Holstein eine Herausforderung, die endlich angegangen werden muss. Wir haben in SSW einen Forderungskatalog sowohl für den Straßen- als auch für die Schienenausbau in Schleswig-Holstein. Während Bayern über 300 Projekte im aktuellen Verkehrswegeplan bis 2030 hat, bekommt Schleswig-Holstein nur knapp über 20. Das muss sich ändern. Wir wollen, dass eine neue Bundesregierung eine gerechtere Verteilung des Bundesverkehrswegeplanes vornimmt um eine sinnvolle und nachhaltige regionale Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein zu sichern.
- Die neue Bundesregierung muss die Kapazität des ÖPNV bis 2035 verdoppeln. Dazu muss der Bund mehr Regionalisierungsmittel für den ÖPNV zur Verfügung stellen, die auch Schleswig-Holstein zugutekommen. Öffentliche Verkehrsangebote müssen fahrgastfreundlicher, kosteneffizienter und durch Zusatzangebote wie Car-Sharing attraktiver gestaltet werden.
- Die neue Bundesregierung muss eine anderen Landwirtschaftspolitik, die verstärkt auf regionale und ökologische Lebensmittelproduktion setzt, führen. Wir müssen unseren heimischen Lebensmittelerzeuger und Landwirte unterstützen damit sie guten Lebensmittel herstellen können ohne unsere Umwelt und den Klimaschutz zu vernachlässigen.
- Die neue Bundesregierung muss finanziellen Anreize schaffen damit die Landwirtschaft vor Ort sauberer, sauberer und tiergerechter produzieren.
- Die neue Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass unsere Landwirte und Lebensmittelerzeuger eine Zukunft in Schleswig-Holstein haben. Wir brauchen bessere regionale Vermarktungsstrategien unserer heimischen Produkte.
- Die neue Bundesregierung muss sich mehr als bisher dafür einsetzen, Flächen- und Hektarprämien an sozialen und ökologischen Standards zu orientieren.
3. Politik skandinavisch gestalten
Als Partei der dänischen Minderheit haben wir enge Verbindungen nach Dänemark und Skandinavien. Wir haben uns immer von pragmatischen und vernünftigen Lösungsvorschlägen aus Skandinavien inspirieren lassen um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das gilt insbesondere für die Art wie man Politik mit den Bürgerinnen und Bürger vor Ort machen. Wir wollen, dass eine neue Bundesregierung sich an guten Beispielen aus den skandinavischen Ländern orientiert, um die kommenden Herausforderungen Schleswig-Holsteins zu bewältigen.
Die neue Bundesregierung muss sich an dem skandinavischen Wohlfahrtsstaat orientieren um den Menschen soziale Sicherheit zu geben.
- Dazu gehört ein öffentliches Gesundheitswesen, wo die Beschäftigte ordentlich bezahlt werden, und wo private Anbieter keinen Profit machen können. Gesundheit ist keine Ware und muss von der öffentlichen Hand organisiert werden. Eine neue Bundesregierung muss das jetzige Fallpauschalen-(DRG)-System abschaffen, das zum Nachteil für die schleswig-holsteinischen Krankenhäuser ist, und eine Krankenhausfinanzierung einführen, die eine flächendeckende Versorgung der ländlichen Bevölkerung sichert.
- Die neue Bundesregierung muss eine Grundrente auf hohem Niveau sichern, die dafür sorgt, dass es keine Altersarmut gibt. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, müssen eine auskömmliche Rente bekommen.
- Die neue Bundesregierung muss einen Mindestlohn einführen, von dem man leben kann, und der am Ende auch dazu beiträgt, dass man später eine auskömmliche Rente bekommt. 13 Euro Mindestlohn sind angebracht. In den skandinavischen Ländern gibt es vernünftige Löhne, die ein auskömmliches Leben für die breite Bevölkerung sichern.
- Die neue Bundesregierung muss eine Kindergrundsicherung und einen ”Kinder-Ombudsmann“ wie in Skandinavien und Holland einführen.
Die neue Bundesregierung muss für eine effektivere Digitalisierung in Verwaltung und Wirtschaft für die Bürgerinnen und Bürger nach skandinavischem Vorbild sorgen.
- Die Corona-Pandemie hat gnadenlos aufgezeigt, dass die Bundesrepublik in der öffentlichen Verwaltung bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Gerade im Gesundheitsbereich wurde dies deutlich, wenn man noch das Fax benutzt. In Dänemark und Skandinavien ist man dort viel weiter, was sich zum Beispiel bei einer effektiveren Nachverfolgung von Infizierten oder bei der Impfung gezeigt. Eine neue Bundesregierung muss insbesondere im Gesundheitswesen für einen Digitalisierungsschub nach skandinavischem Vorbild sorgen.
- Auch wenn der Datenschutz weiterhin sehr wichtig ist, muss eine neue Bundesregierung die Digitalisierung insgesamt bei der öffentlichen Verwaltung vorantreiben. Die Verwaltung muss bürgernah den Bürgerinnen und Bürger digital viel mehr Angebote machen damit der Gang zum Rathaus nur die Ausnahme bleibt.
- Die neue Bundesregierung muss § 219a StGB abschaffen. Hierbei geht es uns um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Familienplanung. Der Zugang zu Informationen für Schwangere muss erleichtert und legalisiert werden. Ärzt*innen muss ermöglicht werden, ihre Patient*innen sachlich und niedrigschwellig über die verschiedenen medizinischen Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren.
Die neue Bundesregierung muss ein elternunabhängiges BaFög/SU nach dänischem Vorbild einführen und die diskriminierenden Elemente der Steuergesetzgebung abschaffen
- Die neue Bundesregierung muss auch im Ausbildungs- und Studienbereich sich von unseren skandinavischen Freunden inspirieren lassen. Ein elternunabhängiges BaFög überwiegend als Stipendium gezahlt hilft den Studierenden sehr um sich auf das Studium konzentrieren zu können und ist gerade für StudentInnen aus einkommensschwachen Familien ein großer Vorteil.
- Die neue Bundesregierung muss alle diskriminierenden Elemente in der Steuergesetzbarkeit abschaffen, die auf das Modell einer oder eines Vollerwerbstätigen setzen und langfristig zur finanziellen Abhängigkeit der Person führen, die wenig oder gar nichts verdient. Wir setzen uns für existenzsichernde Löhne für alle erwachsenen Personen ein. Steuerrechtlich muss es eine größere Rolle spielen, ob Kinder in der Familie leben oder nicht. Darum fordern wir ein Familiensplitting.
Der SSW-Landesvorstand,
Flensburg, den 19.10.2021