Speech · 23.03.2022 Wir wollen ein Terminal für grünen Wasserstoff in Brunsbüttel

„Wir sind energiewirtschaftlich nur dann unabhängig, wenn wir uns selbst versorgen und dafür brauchen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen die Produktion von grünem Wasserstoff sowie sonstiger Speicher, wie beispielsweise Batteriezellen.“

Christian Dirschauer zu TOP 27+38+42+43+44+48+48A - Anträge zu Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Wirtschaft, Landwirtschaft und Energie in Schleswig-Holstein (Drs. 19/3728+19/3672+19/3732+19/3733+19/3735+19/3741+19/3755)

Die Coronapandemie hat bereits vieles von uns abverlangt. Die Krise hat sich in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen bemerkbar gemacht und uns unter Druck gesetzt. Die Politik war und ist stets gefordert die Härten im sozialen, wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Bereich zu bewältigen. Die große politische Entschlossenheit im Kampf gegen die Pandemie war lange unsere Stärke. Das haben wir auch hier im Landtag immer wieder bewiesen. Und uns ist klar, dass wir auch der Bevölkerung mit den beschlossenen Maßnahmen und Restriktionen über einen langen Zeitraum viel zumuten mussten. Und wir sind noch nicht am Ende des Tunnels angekommen, gleichwohl sehen wir Licht. 
Doch mit dem abscheulichen Angriffskrieg Putins in der Ukraine stellt sich nun eine weitere Krisensituation ein. Das menschliche Leid, das mit dem Einmarsch und der kriegerischen Aggression über die Ukraine eingebrochen ist, war für uns hier im Land unvorstellbar. Jetzt sehen wir auch hier die Menschen ankommen, die auf der Flucht vor diesem Krieg sind. Und ich muss sagen, dass mich die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sehr berührt. Die Auswirkungen des Krieges führen in der Ukraine zu einer humanitären Krise, dessen Folgen noch nicht absehbar sind. Und es fällt daher immer wieder schwer, ins politische Alltagsgeschäft überzuwechseln. Doch wir wissen und spüren, dass sich die Folgen dieses Krieges eben auch bei uns bemerkbar machen und daher ist es richtig, dass wir als Landtag die unterschiedlichsten Auswirkungen des Krieges diskutieren. Und dabei wird deutlich, wie verwoben alles miteinander ist. 
Die Ukraine und Russland zählen weltweit zu den größten Getreide-Exporteuren. Doch der Export wurde eingestellt und führt bereits zu einer spürbaren Verknappung. Das heißt, Mehl wird teurer und die Menschen bei uns reagieren bereits mit Hamsterkäufen. Die Verknappung auf dem Getreidemarkt führt zu einer Verteuerung beim Tierfutter, was sich entsprechend auf die Tier- und Fleischproduktion auswirkt. Die Herstellung von Kunstdünger ist Energieaufwendig und die gestiegenen Gaspreise, auch der letzten Monate, haben sich auf den Düngerpreis ausgewirkt. Mit der Verknappung des Erdgases, seit Kriegsbeginn, ist der Düngerpreis von Tag zu Tag weiter angestiegen. Experten weisen darauf hin, dass Deutschland in einer sogenannten Gunstregion für Getreideanbau liegt und wir in der EU einen hohen Selbstversorgungsgrad haben. Daher wird es bei uns nicht zu einer Lebensmittel-Verknappung kommen. Aber unsere Land- und Ernährungswirtschaft wird gezwungen sein, den gestiegenen Düngerpreis auf die Lebensmittelpreise umzulegen. Das Institut für Weltwirtschaft geht davon aus, dass Deutschland langfristig 4,8% weniger sonstiges Getreide importieren wird, was eine Preissteigerung von 2% – im Vergleich zu 2021 – zur Folge hätte. Auch wenn dies moderat klingt, werden es insbesondere die Geringverdiener bei uns im Land merklich spüren. Und genau diese Menschen brauchen Entlastung.
Die globalen Folgen des Krieges, der Exportstopp von Getreide und der gestiegene Düngerpreis, werden sich gerade in den ärmsten Ländern der Welt auswirken. Zusammen decken Russland und die Ukraine rund ein Drittel des gesamten globalen Exports von Weizen und rund 20% des globalen Exports von Mais. Insbesondere Länder im Mittleren Osten, Nordafrika und Südostasien werden voraussichtlich von der Krise hart getroffen. Bereits heute kämpfen die Menschen dort mit gestiegenen Lebensmittelpreisen. Ernährungsexperten warnen vor einer sich zuspitzenden Nahrungsmittelkrise, die zu ausgedehnten Hungersnöten und sozialen Spannungen führen könnte. Es ist zu befürchten, dass sich dort eine Welle mit noch ungeahnten Auswirkungen aufbaut. 
Wege, die Krise zu bewältigen, müssen daher gemeinsam gegangen werden. Putin darf es nicht schaffen, die Welt auseinanderzudividieren. Daher ist der Beschluss der G7-Staaten richtig, die Agrarexporte weiter zuzulassen. Auch die Beimischungspflicht für Kraftstoffe muss geklärt werden. Nahrungsmittel gehören, heute mehr denn je, auf den Teller und nicht in den Tank. Dies wäre ein Weg, der kurzfristig eingeschlagen werden könnte. Bei der Frage, ob wir Flächen des Natur- und Artenschutzes einer landwirtschaftlichen Nutzung zuführen wollen, sollten wir jedoch vorsichtig vorgehen. Langfristig und das ist nicht neu, wissen wir, dass wir unseren Fleischkonsum ändern müssen, um die Flächen für Getreideanbau und nicht Futtermittelanbau zu nutzen. Je nachdem wie lange der Krieg anhalten wird, wird sich die Ernährungskrise womöglich weiter zuspitzen. Daher brauchen wir kurz- und langfristige Lösungen.
Bereits in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses hatten Minister Buchholz und Herr Koopmanns von der IHK über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine berichtet. Auch wenn Russland nicht zu unseren größten Handelspartnern gehört, wird der Krieg in der Ukraine durchaus spürbare Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben. Ob es die unterbrochenen Lieferketten, schwindende Absatzmärkte oder die steigenden Energie- und Rohstoffpreise sind; all dies werden wir zu spüren bekommen. Auch durch den Wegfall vieler ukrainischer Fahrer verschärft sich die Versorgungssituation. Entsprechend hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft ihre Wachstumsprognose für Deutschland nach unten korrigiert. 
Nach Schätzung des Wirtschaftsministeriums haben wir ca. 250 Unternehmen in Schleswig-Holstein die Handelsbeziehungen zu Russland haben. Je nachdem wie stark die Unternehmen betroffen sind, brauchen sie Unterstützung. Wir wissen, dass wir aufgrund der Unternehmensstrukturen hier im Land, im bundesweiten Vergleich, relativ gut durch die Coronapandemie gekommen sind. Dies mag auch für diese Krise gelten. Aber so wie sich die Energiepreise entwickelt haben – ob für Gas, Kohle oder Öl – wird es auch unserer Wirtschaft weiter zusetzen. Richtig ist, wir brauchen Alternativen zum Russlandimport. Dadurch, dass wir uns jahrelang auf Russland verlassen haben, haben wir uns immer weiter in dessen Abhängigkeit begeben. Jetzt wird der Ruf nach Unabhängigkeit von Russland immer lauter. Eine Lösung soll nun ein LNG-Terminal in Brunsbüttel sein. Hier sage ich deutlich für den SSW, das ist der falsche Weg. Der Bau eines LNG-Terminals wird Jahre dauern, es ist also keine kurzfristige Lösung. Und wir begeben uns damit in neue Abhängigkeiten von Staaten wie beispielsweise Katar. Es wird gefracktes Gas angelandet, wo wir selbst Fracking in Schleswig-Holstein immer abgelehnt haben. Nach dem Motto: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Es gibt bereits 26 LNG-Terminals in der EU, die bereits den deutschen Markt versorgen und deren Auslastung weiter gesteigert werden kann. Wenn wir uns also energiepolitisch und geopolitisch von Russland unabhängig machen müssen, und daran besteht kein Zweifel, dann sollten wir die LNG-Kapazitäten ausnutzen, die bereits in der EU vorhanden sind.
In ihrem Antrag spricht sich die Koalition auch dafür aus, das LNG-Terminal „perspektivisch“ und „soweit technisch sinnvoll“, als Multi-Energie-Terminal auszubauen. Das sind meines Erachtens zwei deutliche Einschränkungen.
Ein Terminal in Brunsbüttel zu errichten, um dort grünen Wasserstoff zu lagern, das wäre der richtige Weg und das richtige Signal. Dafür sollte die Infrastruktur dort ausgebaut werden. 
Stattdessen wird auf ein LNG-Terminal gesetzt, dass über Jahrzehnte laufen wird und damit den Ausbau der Erneuerbaren weiter bremst. Wir sind energiewirtschaftlich nur dann unabhängig, wenn wir uns selbst versorgen und dafür brauchen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen die Produktion von grünem Wasserstoff sowie sonstiger Speicher, wie beispielsweise Batteriezellen. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Bemühungen, die schwedische Firma northvolt an die Westküste zu holen. Wir haben immer dafür plädiert, stärker mit den skandinavischen Ländern zusammenzuarbeiten; gerade auch dann, wenn es um die Energiewende geht. Und gerade an der Westküste haben wir das Potential; und das ist das Pfund mit dem wir wuchern müssen.
In weiten Teilen können wir bei den Forderungen des SPD-Antrages mitgehen. Aber auch hier findet sich, die Forderung nach einem LNG-Terminal. Und daher lehnen wir auch diesen Antrag im Ergebnis ab.
Das LNG-Terminal hat sich zu einem politischen goldenen Kalb entwickelt und dafür werden alle bisherigen Prinzipien über Bord geworfen. Ich möchte aber auch deutlich machen, dass wir durchaus die Notwendigkeit erkennen, dass wir kurzfristige Lösungen brauchen, die uns weiterhelfen. Und auch wir sehen uns gezwungen, in gewissen Fragen Kompromisse einzugehen und Zugeständnisse zu machen. Damit sind wir bei der Erdölförderung im Wattenmeer. Der SSW hat sich immer zur traditionellen Nutzung im Wattenmeer ausgesprochen. Die Erdölförderung gehört nicht dazu. Das Aufsuchen und Fördern von Öl hat im Nationalpark nichts zu suchen. Aber die Mittelplate hat einen Bestandsschutz und den akzeptieren wir – wenn auch schweren Herzens. Wenn wir nun über eine Erweiterung der Erdölförderung diskutieren, können wir dort mitgehen, sofern es um die Erweiterung der Fördermenge geht. Neue Erkundungsbohrungen oder Probebohrungen die über §6 Abs.3 Nr. 6 Nationalparkgesetz hinausgehen, tragen wir nicht mit. Soll heißen, Ölbohrtätigkeiten innerhalb des Gebietes des Nationalpark Wattenmeers über die gesetzlichen bestandsgeschützten Aktivitäten hinaus sind vom Nationalparkgesetz ausgeschlossen und auch nicht genehmigungsfähig. Aber wir unterstützen den Ansatz, im Rahmen des Bestehenden, die Fördermenge zu erhöhen, verbunden mit dem Ziel, früher als 2041, aus den Ölbohrungen im Wattenmeer auszusteigen. Das hätte dann gleich einen doppelten Mehrwert.

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