Rede · 01.06.2006 Abschaffung der Direktwahl von hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten
Die Landratswahl im Kreis Schleswig-Flensburg am 7. Mai 2006, an der nur 23,2% der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, hat es zum wiederholten Male bewiesen: Die Direktwahl von leitenden Verwaltungsbeamten in Kreisen und Städten war nicht nur inhaltlich falsch, sie ist auch noch ein Flop geworden. Angesichts von Wahlbeteiligungen zwischen 10 und 35 % bei Landratswahlen kann wohl kaum von mehr Demokratie gesprochen werden. Wenn sich zehn Jahre nach Einführung der Direktwahl immer noch weniger als jede vierte Bürgerin und jeder vierte Bürger an einer Wahl beteiligen, dann muss man sich auch mal fragen, ob diese Entscheidung richtig war.
Innenminister Stegner sieht dies laut Zeitungsberichten genauso und hat öffentlich erklärt, er würde gerne im Zuge der Verwaltungsreformen auch die Landratswahlen abschaffen. Das begrüßt der SSW. Zeigt es doch, dass der Innenminister des Landes lernfähig ist. Ob die gesamte Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hinter diesen Äußerungen steht, ist aber noch ungewiss und deshalb hat der SSW auch heute einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Direktwahlen eingebracht.
Sie wissen, dies ist keine neue Position des SSW. Wir waren schon 1996 gegen die Einführung der Direktwahlen von Landräten und Bürgermeistern. Das liegt daran, dass die Direktwahl aus unserer Sicht handfeste Nachteile hat. Die Landrats- und Bürgermeisterwahlen werden nicht nur von den meisten Wählerinnen und Wählern ignoriert, sie schwächen auch den Einfluss der gewählten Kommunalpolitiker zugunsten der Verwaltungschefs. Ich möchte hier an dieser Stelle den Kreispräsidenten des Kreises Schleswig-Flensburg Johannes Petersen von der CDU zitieren, der in einem Zeitungsartikel geschrieben hat: Mit der Einführung der Direktwahl hat man den gewählten Vertretern also den Kreis-, Stadt- oder Gemeindevertretern eine wichtige Befugnis genommen und damit das Ehrenamt empfindlich geschwächt. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Mit der Einführung der Direktwahlen hat man quasi zwei demokratisch legitimierte Machtzentren in den Kommunen geschaffen, die leider nicht immer zum Vorteil des Gemeinwesens agieren. Dass der hauptamtliche leitende Verwaltungschef dabei leicht zum Sonnenkönig mutieren kann, wird man so mancherorts unterschreiben können. Die Direktwahlen sind schlicht systemfremd, weil sich ein den Gesetzen verpflichteter Beamter einer politischen Wahl stellen muss, um noch mal Johannes Petersen zu zitieren.
Die Einführung der Direktwahl war also kein demokratischer Gewinn, sondern ein demokratischer Irrweg, den wir wieder verlassen müssen. Fragt man bei den Wählern nach, warum sie nicht zur Wahl gehen, so erhält man sehr oft die Antwort, dass man die Kandidaten gar nicht kenne und auch nicht weiß, welche Aufgaben diese hauptamtlichen Verwaltungsbeamten eigentlich haben. Der nur geringe Zuwachs an demokratischer Beteiligung rechtfertigt den Schaden, der durch die Direktwahl entstanden ist, also in keiner Weise.
Unter diesen Umständen ist es besser, die Verwaltungsleitungen wieder von den Kreistagen und Ratsversammlungen wählen zu lassen, die von einem deutlich größeren Teil der Bevölkerung gewählt worden sind. Die Äußerungen von CDU- und SPD-Abgeordneten nach der Landratswahl in Schleswig-Flensburg lassen hoffen, dass es für diesen Schritt auch endlich eine Mehrheit im Landtag geben könnte.
Allerdings ist es aus Sicht des SSW unlogisch, wenn man nur die Direktwahlen der Landräte abschaffen will. Hier muss man konsequent sein und auch die Direktwahlen für Oberbürgermeister und hauptamtliche Bürgermeister wieder abschaffen, wie wir es in unserem Gesetzesentwurf vorschlagen. Denn die Wahlbeteilung war auch bei diesen Wahlen insgesamt nur ein wenig besser und in den großen kreisfreien Städten sogar genauso schlecht wie bei den Landratswahlen. Dies gilt zum Beispiel für die Stadt Flensburg, wo bei der letzten Oberbürgermeisterwahl in beiden Wahlgängen nur knapp 30% der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben. Auch bei der Direktwahl der Oberbürgermeister oder Bürgermeister gilt, dass dadurch das Ehrenamt geschwächt worden ist. Also, wenn man die Direktwahl der Landräte nicht mehr will, muss man auch die Bürgermeisterwahlen abschaffen.
Das Argument einiger Direktwahl-Befürworter, die Europawahlen würden trotz niedriger Wahlbeteiligung auch nicht abgeschafft, lasse ich nicht gelten. Dieser Vergleich hinkt, denn bei Europawahlen geht es um ein Parlament, bei den Landratswahlen hingegen aber nur um einen Verwaltungschef. Dies ist ein qualitativer Unterschied, den einige offensichtlich nicht verstanden haben.
Angesichts der wachsenden Bedeutung der Landräte und Oberbürgermeister, die zukünftig ja auch entscheidenden Einfluss auf die geplanten kommunalen Verwaltungsregionen haben werden, müssen diese Ämter wieder auf einer breiteren Legitimation durch die Bevölkerung fußen. Dieses können wir nur erreichen, indem die Direktwahl aufgegeben und die Verwaltungschefs wieder durch die kommunalen Parlamente gewählt werden. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.