Rede · 25.01.2001 Änderung des kommunalen Verfassungsrechts

Der SSW hat sich schon 1995 gegen die „neue“ Kommunalverfassung ausgesprochen. Das haben wir getan, weil uns die grundlegende Systematik des neuen kommunalen Verfassungsrechts falsch erschien.

Hintergrund der „neuen“ Gemeindeordnung von 1996 war und ist eine grundlegende Änderung des Systems der Kommunalverfassung. Wurden Kommunen früher nach dem Proporzmodell geführt, welches allen vertretenen Parteien einen gewissen Einfluss gewährte, so wechselte man zu einem Regierungs-/Oppositionsmodell, wie wir es aus den Parlamenten kennen. Außerdem wurde eine strenge Trennung von Ehren- und Hauptamt und die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte eingeführt. Dadurch wurde das hauptamtliche Element in den Kommunen, Kreisen und kreisfreien Städten gestärkt: Die Landräte und Bürgermeister erhielten mehr Einfluss, die gewählten Politikerinnen und Politiker weniger.

Dieses neue System hat so seine Tücken, weshalb alle Parteien es gerne revidieren würden. Darum haben wir die Erörterung dieses Systems und der Grundlagen der Kommunalverfassung auch auf die Tagesordnung der - jetzt bald ehemaligen - Enquetekommission gesetzt. Wir wollten diese Problematik gemeinsam gründlich erörtern und hätten im günstigsten Fall einen einvernehmlichen Vorschlag der Fraktionen erreichen können. Die Kommission ist aber bald Geschichte, und deshalb müssen wir heute statt dessen zu einem Gesetzentwurf der CDU Stellung nehmen.

Der Entwurf der CDU ist aber mangelhaft. Es fällt schwer eine Systematik in der Änderungsvorschlägen zu erkennen, und grundlegende Probleme werden ausgeklammert. Das heißt nicht, dass wir alle vorgeschlagenen Änderungen für falsch halten. Es werden aber Einzelpunkte aufgegriffen, die zwar im einzelnen nachvollziehbar sind, aber nichts an den Problemen des Systems ändern.

Ein grundlegendes Prinzip der gegenwärtigen Gemeindeordnung ist, dass möglichst zwischen hauptamtlicher Stadt-„Regierung“ und ehrenamtlichem Stadt- oder Kreisparlament sauber getrennt werden muss. Dieses spiegelt sich sicherlich am deutlichsten im Prinzip der Direktwahl, das klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten schaffen soll. Es hat sich aber de facto gezeigt, dass diese Trennung nicht gut genug funktioniert hat. Vor allem die Stellung des Hauptausschusses, der ein Kind der neuen Kommunalverfassung ist, hat sich nicht bewährt. Daher schlägt die CDU eine Reihe von Aufgaben- und Kompetenzverlagerungen vor, die vor allem das Verhältnis zwischen Hauptauschuss einerseits und dem Landrat bzw. Bürgermeister andererseits regeln soll. Die Lösungsansätze, die die CDU anbietet sind aber mit Verlaub Flickschusterei.

- Die Neuregelung des Hauptausschusses ist weder logisch noch praktikabel. Es wird hier offensichtlich ein Gremium angestrebt, das an den alten Magistrat erinnert. Das können wir prinzipiell begrüßen, weil so das ehrenamtliche Element und der kommunale Parlamentarismus gestärkt werden. Gleichzeitig soll aber der Bürgermeister den Vorsitz im Hauptausschuss übernehmen und dort Stimmrecht bekommen. Das ist eine wirklich absurde Situation: Der Bürgermeister wird damit zum Vorsitzenden seines eigenen „Aufsichtsrats“. Wir verstehen, dass Probleme in Verbindung mit dem Hauptausschuss aufgegriffen werden. Aber der Konflikt zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamt wird hierdurch nicht systematisch gelöst und in manchen Teilen sogar verschärft.

- Die Gemeindevertretung soll Aufgaben an sich ziehen können, obwohl diese durch die Hauptsatzung an einen Ausschuss oder den Bürgermeister übertragen wurden. Auch hier wird ein Konfliktpotential geschaffen, das kaum zu einem besseren Ablauf führen wird.

- Problematisch ist auch der Vorschlag, die Vorsitzenden der Gemeindevertretungen zu stärken, während gleichzeitig den Ausschussvorsitzenden die Möglichkeit der Unterrichtung der Bevölkerung genommen wird. Damit wird das Gewicht weiter auf die großen Fraktionen verlagert, und die Mitsprache aller Parteien geschwächt. Eine Stärkung des Ehrenamtes ist hierdurch nicht erkennbar.

Die CDU will das Ehrenamt stärken, in dem an den Kompetenzen der Landräte und Bürgermeister gerührt wird, aber auch nicht zu weitgehend. Die Ehrenamtlichen sollen mehr Mitspracherechte erhalten und gleichzeitig sollen die Kompetenzen der Hauptamtlichen eher noch ausgeweitet werden. Dieser Spagat gelingt nicht im Gesetzentwurf. Das grundlegende Prinzip der neuen Kommunalverfassung mit den direkt gewählten hauptamtlichen Verwaltungschefs ist die eindeutige Zurechenbarkeit von Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten. Wer den gewählten Politikerinnen und Politikern mehr Macht zurückgeben will, kann dieses daher nicht tun, ohne über die Direktwahl nachzudenken. Ansonsten schafft man ein System, dessen innere Logik gar nicht mehr zusammenhängt.

Der SSW lehnt nach wie vor die Kommunalverfassung vom 23. Juli 1996 ab. Daran würden auch die von der CDU vorgeschlagenen Änderungen wenig bewirken. Sie würden im Gegenteil die Situation eher verworrener machen. Ein wichtiger Maßstab für den SSW ist, dass die Entscheidungsstrukturen transparent sind. Nur so kann das Vertrauen in die kommunale Demokratie erhalten werden. Eben dieses wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf aber mit Sicherheit nicht erreicht.

Der CDU-Vorschlag hat aber noch eine Menge mehr aufgesammelt. Auf einige problematische Änderungen möchte ich heute gerne schon jetzt eingehen:

- Nach dem Vorschlag der CDU sollen in Zukunft die Kommunen den Nachweis darüber führen müssen, dass „sie die gemeindlichen Aufgaben besser und wirtschaftlicher als Dritte erfüllen kann“. Eine solche Änderung soll dem Subsidiaritätsgebot eine bessere Durchsetzungskraft verleihen und Privatisierungen auf kommunaler Ebene erleichtern. Wir halten aber die bisherige Regelung für besser. Sie gibt den Gemeinden ein Entscheidungsermessen und Beurteilungsspielraum bezüglich der privaten Tätigkeit. Ansprüche Dritter auf Überlassung einer Aufgabe lehnen wir entschieden ab. Die Gemeinde muss heute schon prüfen, ob sie die Aufgabe ebenso gut ausführen kann wie Dritte. Damit besteht ausreichend Spielraum für Privatisierungen und aus unserer Sicht keine Notwendigkeit für Änderungen.

- Die hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte in Gemeinden über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner ist weiterhin grundsätzlich notwendig. Es ist nicht lange her, da hat der Landtag große Pläne zum Thema Gender Mainstreaming beschlossen. Wir brauchen Menschen, die für die konkrete Umsetzung solcher Sonntagsreden arbeiten. Die Gleichstellungsbeauftragten können ihre Gemeinden beim Gender Mainstreaming fachkundig beraten und unterstützen.

- Beim Änderungsvorschlag zu § 18 Gemeindeordnung hat die CDU leider nicht genau verstanden, was Artikel 13 des Grundgesetzes beinhaltet. Der Vorschlag, präventive Zugangsrechte der Gemeinde zu öffentlichen Einrichtungen einzuführen, ist in dieser Form verfassungswidrig. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass solche Eingriffe nur zulässig sind, wenn sie aufgrund eines Gesetzes zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit erfolgen. Die CDU schränkt hier also einfach das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ein, ohne eine ausreichende rechtliche Grundlage hierfür zu haben.

Im Ausschuss werde ich auf die Punkte im CDU-Gesetzentwurf eingehen, mit denen wir uns anfreunden könne. Allgemein gilt aber, dass nur bei einzelnen Mängeln eingegriffen wird, ohne grundlegende Probleme in Angriff zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass jetzt nicht in einem Schnellverfahren eine neue Gemeindeordnung beschlossen wird, nur weil der CDU-Entwurf auf dem Tisch ist.

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