Rede · 21.03.2002 Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau

Mit der Ankündigung von Wirtschaftsminister Rohwer dem Kabinett am 26. März 2002 einen Aus-bau des Regionalflughafens Kiel-Holtenau von 1.800 Meter zuzüglich 300 Metern Sicherheitsstreifen vorzuschlagen, hat die monatelange Debatte von Befürwortern und Gegnern der Startbahnverlängerung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Obwohl der SSW sich sehr wohl für einen leistungsstarken und zukunftsfähigen Regionalflughafen in der K.E.R.N.-Region ausgesprochen hatte, standen wir dem geplanten Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau von Beginn an sehr kritisch gegenüber.
Wir haben von Anfang an gefordert, eine echte standortvergleichende Untersuchung anzustellen. Voraussetzung wäre gewesen, dass man die Ziele, die mit dem Flughafen verbunden werden, genau definiert und dann das Erreichen der Ziele abprüft. Der einzige „offizielle“ Grund für den Ausbau in Kiel-Holtenau, liegt in einer angestrebten Verbesserung für den Geschäftsreisebedarf. Dieser Bedarf ist aber noch in keinster Weise nachgewiesen. Bisher wurden alle Erhebungen, die die Notwendigkeit des Ausbaus des Flughafens für die Verbesserung für den Geschäftsreisebedarf untermauern sollten, ad absurdum geführt. Aber gerade das ist der Kern der Sache. Man ist derzeit nicht in der Lage, die Sinnhaftigkeit dieser Ursprungsargumentation nachzuweisen.
Es finden sich keine Belege, die aussagekräftig genug sind, um einen angemessenen Geschäftsreisebedarf nachweisen zu können und damit gibt es keinen Grund zum Ausbau von Kiel-Holtenau. Daher hätte es durchaus Sinn gemacht, sich zu überlegen, welche verkehrsmäßigen Ziele man sich sonst noch setzt. Dann wäre man wahrscheinlich zu völlig anderen Schlüssen gekommen. Man wird das Gefühl nicht los, dass gerade dies politisch aber nicht gewollt ist.
Wir haben immer verlangt, dass vor einer Entscheidung alle Fakten und Überlegungen auf den Tisch gelegt werden müssen. Die bisherigen vagen Informationen über die jetzt angepeilte Lösung, die uns aus dem Wirtschaftsministerium zur Verfügung stehen, bestätigen uns in unserer kritischen Haltung.
Es ist unverantwortlich ein Projekt in solcher Größenordnung anzukündigen, wenn die Finanzierung der Gesamtkosten und die Verteilung auf Bund, Land und Stadt Kiel noch nicht einmal endgültig geklärt sind. Dazu sind wir besonders darüber besorgt, dass die Landesregierung, zur Finanzierung des zur Zeit 48 Mio. Euro teuren Ausbaus, Mittel aus dem „Regionalprogramm 2000“ entnehmen will. Dieses Programm ist ursprünglich einmal ins Leben gerufen worden, um mit gezielten Investitionen die wirtschaftsnahe Infrastruktur der strukturschwachen Regionen des Landes – wie der Westküste oder dem Landesteil Schleswig – zu stärken und nicht für Projekte, die eigentlich nur der Landeshauptstadt dienen. Ich nehme sehr wohl zur Kenntnis, dass die Landesregierung aufgrund des öffentlichen Drucks, den der SSW entfacht hat, die Förderung aus dem Regionalprogramm nicht mehr zu 80%, sondern nur noch zu 60% vornehmen will. Aber die Grundkritik bleibt trotzdem: Werden Regionalprogrammmittel in den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau gehen, wird dies negative Folgen für viele Projekte in den strukturschwachen Regionen haben. Der Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau mit der geplanten Entnahme aus dem Regionalprogramm wird auf Kosten des ländlichen Raums finanziert. Allein dieser Punkt ist einer Landesregierung, die sich eine aktive Regionalpolitik auf ihre Fahnen geschrieben hat, nicht würdig. Gar nicht auszuden-ken wäre es, wenn sich das Projekt als noch teuer als veranschlagt erweisen würde. Dann würde sich die Situation für die strukturschwachen ländlichen Räume noch weiter verschlechtern. Und die-se Befürchtung meinerseits ist nicht unrealistisch, da mit jedem neuen Gutachten immer wieder neue Zahlen auf den Tisch kommen. Und nun lesen wir auch noch in der Zeitung, dass es noch gar keine Förderzusage in Bezug auf die Verlegung der B503 gibt. Das heißt, bis heute haben wir keine sichere finanzielle Gesamtplanung vorgelegt bekommen. Das alleine ist schon ein Grund, von einer Ausbauentscheidung abzusehen.
„Wichtig ist was hinten rauskommt!“ Dieses Zitat wird ja immer wieder gerne genutzt. In bezug auf den Ausbau von Kiel-Holtenau stellt sich die Frage, inwiefern sich diese „Zukunftsinvestition“ denn nun zumindest langfristig lohnt? Mit lohnen meine ich, ob aus dem Zuschussbetrieb Flughafen Kiel-Holtenau irgendwann ein Gewinnbetrieb Flughafen Kiel-Holtenau wird? Zur Zeit müssen die Stadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein regelmäßig die jährlichen Unterschüsse des Flughafens ausgleichen. In der Vergangenheit wurde immer wieder klargestellt, dass der Flughafen auch nach den Investitionen auf absehbare Zeit keine Gewinne einfahren wird und es sich um eine Infrastrukturinvestition für das Land handele. Wenn dem wirklich so wäre, dann müsste man größere Ziele haben, als nur ein paar Kieler Geschäftsleute durch die Welt zu fliegen. Dann ginge es um Logistikkonzepte, Güterverkehr und vieles andere mehr zugunsten des ganzen Landes. Da dem aber nicht so ist, bleibt die Frage nach dem zukünftigen Unterschuss, der zu erwarten und zu bezahlen ist. Die Antwort hierauf bleibt die Landesregierung aufgrund der vielen Szenarien, die auf den Markt geworfen werden, bisher weitestgehend schuldig, obwohl wir täglich lesen, wie knapp die Kassen des Landes sind.
Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Folgen des Ausbaus für die Anwohner - beispielsweise für die Schulen - nicht genau genug untersucht worden sind. Zum Beispiel gibt es sehr unterschied-liche Auffassungen – und unterschiedliche Gutachten – über die zukünftige Lärmbelastung für die Anwohner nach einem Ausbau des Flughafens. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es über die erwartete Entwicklung des Geschäftsreiseverkehrs, des normalen Linienverkehrs und des Urlaubreiseverkehrs und damit der Anzahl der täglichen Flüge unterschiedliche Auffassungen gibt. Es erscheint mir jedenfalls fraglich, ob die Landesregierung den Urlaubsreiseverkehr wirklich - wie jetzt vorschlagen - durch eine Beschränkung des maximalen Start- und Landegewichts für Flugzeuge begrenzen kann. Insofern muss man damit rechnen, dass es zu erhöhten Lärmbelästigungen mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen kommt. Ungeklärt scheint mir außerdem noch die Frage, wie mit möglichen Wertverlusten bei Gründstücken und Häusern umgegangen werden soll. In bezug auf die Folgen für die Bewohner gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten.
Ich habe in diesem Zusammenhang die Frage des Ausschlusses des Urlaubsreiseverkehrs durch eine Beschränkung des maximalen Start- und Landegewichts für Flugzeuge angesprochen. Hier gibt es auch mehr Fragen als Antworten. Und ich glaube, auch die Landesregierung ist sich ihrer Sache nicht sehr sicher. Das ist auch kein Wunder, denn die vorgeschlagene Beschränkung ist ja nicht an objektive Kriterien, wie zum Beispiel an mögliche Gefahren, gebunden, sondern allein an die Tatsache, dass man bestimmte Verkehre ausschließen will. Damit ist eine solche Regelung immer angreifbar und wird irgendwann auch angegriffen werden – entweder von der eigenen Flughafengesellschaft, um aufgrund knapper Kassen den Charterverkehr zu ermöglichen, oder von Reiseanbietern, die Kiel mit großen Maschinen anfliegen wollen, um entsprechende Umsätze zu machen.
Da jeder öffentliche Flughafen eine Betriebspflicht hat, wird es schwer werden und nach meiner Meinung sogar unmöglich werden, den Charterverkehr draußen vor zu halten. Auf jeden Fall haben wir derzeit noch keine absolute Sicherheit, dass der Charterverkehr draußen vor bleibt. Und da die Landesregierung dies ja auch unbedingt will, kann sie bei einer so unsicheren rechtlichen Lage noch keine so weitreichenden Entscheidungen treffen. Solange diese Frage nicht geklärt ist, darf es keine Ausbauentscheidung für Kiel-Holtenau geben.
Weiter hat es die Landesregierung versäumt, andere Standortalternativen für einen Regional-flughafen wirklich ernsthaft zu prüfen. Das Gutachten des Wirtschaftsministeriums vom September 2001, in dem die alternativen Standorte geprüft wurden, ist nicht überzeugend und kann eine Machbarkeitsstudie, die der SSW bereits im Mai letzten Jahres in Landtag gefordert hatte, nicht ersetzen. Berücksichtigt man die schon vorhin aufgeworfene Frage nach den Zielen, die sich die Landesregierung mit einem Landesflughafen gesetzt hat oder hätte setzen können, so muss man ganz klar sagen, dass schon die anfänglichen Untersuchungen der Standorte nur das Ziel hatten, einen Standort zu favorisieren - nämlich Kiel-Holtenau. Nun kommt möglicherweise aktuell noch die Frage hinzu, was die Bundeswehr in Hohn plant, wenn sie 73 Airbus-Transporter anschafft. Entstehen hier möglicherweise neue Zusammenarbeitsmöglichkeiten?
Wenn der Wirtschaftsminister nun ankündigt, den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau mit einem Planfeststellungsverfahren durchsetzen zu wollen, will er vollendete Tatsachen schaffen. Denn ein Planfeststellungsverfahren ist rechtlich bindend.
Warum wehrt sich die Landesregierung eigentlich so gegen ein Raumordnungsverfahren? In einem ordentlichen Raumordnungsverfahren würden alle Alternativen ernsthaft auf ihre Machbarkeit geprüft und alle Beteiligten können ihre Interessen geltend machen. Anstatt sich nur auf den Ausbau von Kiel-Holtenau zu versteifen, hätte die Landesregierung durch ein Raumordungsverfahren eine frühzeitige Klärung über die grundsätzliche Eignung von Standorten herbeiführen können und durch eine systematische und integrativ angelegte Raumverträglichkeitsprüfung Fehlplanungen oder Eingriffe in schutzwürdige Bereiche vermeiden bzw. abschwächen können. Aus Sicht des SSW wäre ein Raumordnungsverfahren der korrekte Weg gewesen – auch, um den Bürgerinnen und Bür-gern eine maximale Transparenz des Entscheidungsprozesses zu sichern. Wir empfehlen diesen Weg immer noch und schlagen außerdem vor, dass sich die Landesregierung über die Ziele, die sie mit einem Flughafenausbau verfolgt, erneut Gedanken machen sollte.
Mit unserem Antrag wollen wir noch einmal die Chance für eine vernünftige Diskussion eröffnen und vor allem Zeit gewinnen, um Zahlen, Daten und Fakten zu erhalten. Das Großprojekt Flughafen Kiel-Holtenau ist so wichtig, dass wir uns alle Zeit der Welt hierfür nehmen sollten.
Daher beantrage ich den Bericht in den Wirtschaftsausschuss und in den Finanzausschuss zu über-weisen.

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