Rede · 21.11.2007 Benennung des Nationalparks Wattenmeer als UNESCO-Weltnaturerbe


Wir treten heute in eine Phase ein, in der wir nicht nur über die regionale oder nationale Vermarktung des Nationalparks Wattenmeer reden, sondern in der wir uns auf eine Stufe mit anderen Welterbestätten auf der ganzen Welt stellen wollen. Das ist auch für das Wattenmeer und für die Regionen, die am und vom Meer leben, ein riesiger Schritt.

Wenn man bedenkt, wie hart die Auseinandersetzungen zum Nationalpark Wattenmeer seinerzeit waren und wie schwer die Umsetzung der Ziele im Nationalpark waren, dann kann man ermessen, was das Welterbe für die Region Westküste bedeutet. Es bedeutet, dass die Bemühungen um den Schutz der Natur und um die Beteiligung der Menschen vor Ort nun richtige Früchte tragen, die nicht nur der Natur als Selbstzweck zugute kommen, sondern eben auch der ökonomischen Entwicklung in der Region dienen. Das war schon immer unser großes Ziel und nun kommen wir hoffentlich einen Schritt weiter, in dem wir den Nationalpark Wattenmeer als Weltnaturerbe anerkannt bekommen.

Die Anerkennung ist aber noch keineswegs sicher, sondern sie setzt eine Einigung mit der UNESCO voraus. Wie schwer eine solche Einigung sein kann, zeigt aktuell das Beispiel des Brückenbaus in Dresden, der zu einer Aberkennung des Titels Weltkulturerbe führen kann. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass Befürchtungen, dass hier ein neuer zusätzlicher Schutzstatus übergestülpt wird, nicht begründet sind. Die UNESCO hat bei Verstößen nur die Möglichkeit den Titel wieder abzuerkennen. Andere Eingriffsmöglichkeiten hat sie nicht.

In dem Papier zur Anmeldung, dass uns vorgelegt wurde, sind aber eine Vielzahl von zukünftigen möglichen Nutzungen des Wattenmeeres aufgeführt und auch die traditionellen Nutzungen sind genau beschrieben, so dass man davon ausgehen kann, dass diese Nutzungen auch anerkannt werden und somit weitergeführt werden können. Damit wird einer wichtigen Forderung der Menschen vor Ort Rechnung getragen. Trotzdem gibt es natürlich immer noch offene Punkte, die in einem Anmeldeverfahren berücksichtigt werden müssen. Diese offenen Fragen kommen auch in den Beschlüssen der beiden Kreistage in Dithmarschen und Nordfriesland zum Ausdruck und sie werden natürlich auch in den Stellungnahmen zu dem Papier deutlich gemacht.

In Bezug auf die Stellungnahmen haben wir als SSW nur einen Punkt, bei dem wir eine andere Haltung haben. Wir meinen, dass Erdölförderung in einem Nationalpark eigentlich nichts zu suchen hat. Zwar hat natürlich jeder Investor und jeder Nutzer ein gewisses Recht auf Planungssicherheit, aber wir meinen, dass man die Erdölförderung zumindest nicht ausweiten sollte. Besser wäre eigentlich ein Schritt weiser Ausstieg aus der Erdölförderung im Nationalpark.

Die anderen Punkte sind aber sehr in unserem Sinne. Auch wir sind der Meinung, dass wir unsere Häfen an der Nordseeküste weiter entwickeln können müssen. Bisher sind neue Pläne für die Entwicklung von Hafen- und Industrieanlagen nur sehr eingeschränkt erlaubt. Wer sich aber den Standort Brunsbüttel ansieht und dort eine nachhaltige Hafenentwicklung in Zusammenarbeit mit anderen Standorten anstrebt, kann nichts gegen eine offenere Formulierung in Anmeldetext haben. Ähnliches gilt für die Häfen, die vom Fährverkehr oder vom Fischfang leben. Aber auch die Entwicklungschancen die die Offshore-Windkraft in Zukunft gewähren wird, dürfen wir uns nicht verbauen. Deswegen muss der Anmeldetext gerade auch diese Form der Energiegewinnung mit im Auge haben. Das gilt sowohl für die Anbindung durch Häfen als auch für das Aufstellen der Anlagen in der Nähe des zukünftigen Weltnaturerbes.

Die Stellungnahmen haben aber auch deutlich gezeigt, dass es Bereiche gibt, von denen wir heute noch nicht wissen, wie sie sich entwickeln werden und welche Maßnahmen in Zukunft notwendig sein werden. Ich denke dabei zum Beispiel an den Küstenschutz. Aufgrund des zu erwartenden Meeresspiegelanstiegs, werden sich die Anforderungen an den Küstenschutz und damit auch die damit verbundenen Maßnahmen verändern. Wir wissen heute noch nicht genau, was wir in 20 oder 30 Jahren an Küstenschutzmaßnahmen durchführen müssen. Möglicherweise werden dabei auch größere Eingriffe in die Natur nötig sein, um die Menschen und deren Hab und Gut schützen zu können. Auch dieser Aspekt muss deutlich im Anmeldetext verankert werden, damit es in Zukunft keine Probleme gibt. Ähnliches gilt auch für die Binnenlandentwässerung, die ebenfalls vor neue Problemstellungen gestellt wird.

Trotz all dieser Fragestellungen muss man aber feststellen, dass die Anmeldung als Weltnaturerbe enorme Vorteile für die Region bringt. Da ist natürlich zum einen die Tatsache, dass ein Weltnaturerbe gerade auch den bedrängten Tier- und Pflanzenarten hilft und dazu beiträgt, die Natur in ihrer Einzigartigkeit zu erhalten. Interessant ist dabei, dass der vorliegende Anmeldetext ausdrücklich davon spricht, dass es sich bei dem Wattenmeer nicht nur um eine Naturlandschaft, sondern auch um eine vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft handelt, die vielfältigen Nutzungen unterliegt. Vor diesem Hintergrund, hätte ich es sogar gerne gesehen, dass das Wattenmeer auch als Weltkulturerbe angemeldet worden wäre, wie es zumindest am Anfang der Entwicklung ebenfalls diskutiert wurde. Seinerzeit hatte unter anderem das Nordfriisk Instituut deutlich gemacht, dass Kulturspuren im Watt durchaus schützenswert sind und dass man das nicht zum Welterbe gehörende Festland mit in die Entwicklung und Vermarktung des Welterbes hätte einbeziehen können. Das kann man natürlich heute immer noch machen, aber mit dem Doppeltitel Natur- und Kulturerbe wäre das natürlich noch besser erreichbar gewesen. Sei´s drum; ich bin auch so mit der Entwicklung natürlich sehr zufrieden.

Zumal man ja sagen kann, dass eine breite Bürgerbeteiligung stattgefunden hat und die beteiligten politischen Gremien jeweils mit breiten parteiübergreifenden Mehrheiten hinter der Idee stehen. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass elementare Forderungen der Region auch mit aufgenommen wurden. Dass man zum Beispiel von vornherein auf eine so genannte Pufferzone verzichtet hat, hat den Diskussionen mit Sicherheit frühzeitig die Schärfe genommen, die wir von der Nationalparkdiskussion noch gewohnt waren. Zwar spricht man von der Wattenmeerregion und meint damit das angemeldete Wattenmeer und die Inseln, Halligen und das angrenzende Festland, aber dies ist nur eine geografische Beschreibung und keine zusätzliche Anmeldung von bewohntem Gebiet.

In der gesamten Wattenmeerregion werden wir die positiven Möglichkeiten des Welterbes nutzen können. Sei es im Tourismus oder auch in der Regionalvermarktung. Wie so etwas funktioniert, kann man zum Beispiel am Mittelrhein sehen, der Weltkulturerbe ist und inzwischen gnadenlos vermarktet wird. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Entwicklung nicht eingeschränkt und sogar Industrieansiedlungen sind dort möglich. Deshalb glaube ich, dass wir in 10 oder 15 Jahren hier stehen werden und uns alle selbst auf die Schulter klopfen werden und uns an der positiven Entwicklung der Wattenmeerregion erfreuen werden.

Eine letzte Anmerkung möchte ich noch machen. Dass eine solche Entwicklung möglich ist, hat auch etwas mit den speziellen Zusammenarbeitsformen in der Region zu tun. Wir haben ja schon den Bericht zur Nordseekooperation hier im Hause beraten. Aber genau diese Entwicklung, die wir jetzt hier haben, ist gelebte europäische Nordseekooperation. Die Anmeldung baut auf Beratungen der drei Anrainerstaaten auf und hat insbesondere den trilateralen Wattenmeerplan zum Ausgangspunkt. So ist es auch im Anmeldetext beschrieben. All die Ziele und Maßnahmen, die man trilateral abgesprochen hat, finden sich auch in der Anmeldung wieder. Das heißt, auch hierdurch sieht man, dass der Prozess zur Anmeldung sehr basisnah entwickelt wurde. Man hat bewusst Fachwissen aus der Region mit ins Boot geholt und im Papier wird explizit gesagt, dass die trilaterale Zusammenarbeit auch in Bezug auf die Entwicklung und Vermarktung des Welterbes fortgeführt werden soll. Ich sage dies deshalb, weil dies auch die Chance eröffnet, dass Dänemark irgendwann dem Welterbe beitritt. Bisher sind es nur die Niederlande und Deutschland, die hier den ersten Schritt gehen. Das hat insbesondere damit zu tun, dass man in Dänemark rein zeitlich noch nicht so weit in der Diskussion ist, wie bei uns. Die Anmeldung des Wattenmeers als Nationalpark steht jetzt bevor und wir sollen den dänischen Nachbarn deshalb die Chance lassen, ihre Erfahrungen damit zu sammeln – genauso wie wir Erfahrungen mit unserem Nationalpark gesammelt haben. Die Beratungen in der trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit werden aber dazu führen, dass das Welterbe schon jetzt von allen Dreien gemeinsam weiterentwickelt wird und damit wird Dänemark in Zukunft die Chance haben, ohne Anlaufschwierigkeiten, seine Wattenregion ebenfalls als Welterbe anzumelden.

Für den SSW kann ich sagen, dass wir sehr froh über die Entwicklung sind – sowohl für die Natur als auch für den Menschen. Und wir hoffen, dass durch die Anmeldung als Weltnaturerbe ein regelrechter Ruck durch die Region geht und alle bei der Vermarktung diese Titels an einem Strang ziehen.

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