Rede · 17.11.2010 Bericht zur Situation auf dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein

Auch der SSW hält es zunächst einmal für positiv, dass die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein weiter zurückgegangen ist. Im Oktober waren 97.600 Menschen arbeitslos gemeldet und die Arbeitslosenquote betrug damit rund 6,8 Prozent. Natürlich sollten wir uns alle darüber im Klaren sein, dass die Zahlen aus den Arbeitsmarktstatistiken nicht ohne Vorsicht zu genießen sind. Aber zumindest der Vergleich mit den Daten aus den schwierigen Vorjahren belegt eine gewisse Entspannung der Lage. Und dies nimmt selbstverständlich auch der SSW gerne zur Kenntnis. Oberflächlich betrachtet scheint sich also der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein als relativ „krisenfest“ zu erweisen. Dies hat zumindest der Chef der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur in seinem Kommentar zu den aktuellsten Zahlen so berichtet.

Aus Sicht des SSW muss bei all dem Jubel natürlich auch die Frage gestellt werden, worauf sich diese günstige Entwicklung denn eigentlich im Einzelnen gründet. Schaut man etwas genauer hin stellt man vor allem fest, dass von den politisch Verantwortlichen in der jetzigen Situation die Ausweitung des Niedriglohnsektors gefeiert wird: Die Zahl der Leiharbeiter hat sich in der jüngsten Vergangenheit rasant entwickelt: Der DGB Nord spricht allein für die Zeit nach dem Krisentiefpunkt von einer Zunahme um fast 20 Prozent, während die Zahl der versicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätze im gleichen Zeitraum nur um 1,2 Prozent gewachsen ist.

Aufgrund dieser Entwicklung muss ich für den SSW wiederholen, dass wir das Instrument der Leiharbeit spätestens dann, wenn es von den Arbeitgebern langfristig genutzt wird, für sehr problematisch halten. Denn die Tarifverträge in dieser Branche eröffnen eindeutig die Möglichkeit des Missbrauchs und verhindern somit die ursprünglich gewollte „Brückenfunktion“ in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird in der jetzigen Situation dauerhaft missachtet. Eine solche Entwicklung halten wir ganz einfach für nicht hinnehmbar. Hier bleibt es unverändert Aufgabe der Politik, die in der heutigen Form völlig inakzeptablen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Leiharbeit zu verbessern. Hier fordern wir vor allem die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots und der zeitlichen Befristung.

Für bedenklich halten wir auch die Tatsache, dass gerade ältere, erfahrene Arbeitnehmer immer größere Schwierigkeiten haben, in ein vernünftiges Beschäftigungsverhältnis zu kommen. Der vermeintliche Aufschwung kommt bei der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen leider überhaupt nicht an. Und schlimmer noch: die Zahl der Arbeitslosen in dieser Altersgruppe ist in Schleswig-Holstein in der jüngsten Vergangenheit sogar noch deutlich gestiegen. Für uns ist es deshalb eindeutig, dass die Aktivitäten zur Vermittlung dieser Gruppe dringend verstärkt werden müssen.

Mit Blick auf die jüngeren Arbeitnehmer scheint sich deren aktuelle Situation am Arbeitsmarkt tatsächlich zu verbessern. Man fragt sich angesichts der aktuellen Politik im Hochschulbereich allerdings, wie lange dies noch so sein wird. Der SSW hat jedenfalls erhebliche Zweifel daran, dass es sich hier um eine nachhaltige Entwicklung handelt: Denn wir halten auch die Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften an Fachhochschulen und Universitäten für einen selbstverständlichen und sehr wichtigen Teil der Arbeitsmarktpolitik. Doch offensichtlich hat dieser Bereich für die Landesregierung bei weitem nicht den Stellenwert, der ihm zukommen muss. Nicht nur das Vorgehen von CDU und FDP im Fall der Flensburger Universität erfüllt uns mit Sorge. Die Landesregierung scheint ganz einfach nicht erkannt zu haben, wie wichtig und letztlich auch gewinnbringend Investitionen im Bildungsbereich für Schleswig-Holstein sind. Wenn dies die Antwort auf die im Berichtsantrag geforderten „grundsätzlichen Zielvorstellungen“ für die Gestaltung des Arbeitsmarkts in der Zukunft ist, sieht diese unserer Meinung nach jedenfalls sehr düster aus.

Zu einem umfassenden Bild von der Situation auf unserem Arbeitsmarkt gehören natürlich auch die gerade angesprochenen Fakten. Und leider gibt dieses Bild weit weniger Anlass zur Freude. Ohne strukturelle Veränderungen und eine effektivere Vermittlung von Arbeitssuchenden kann keine Rede davon sein, dass der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein auch tatsächlich krisenfest und damit auch nachhaltig robust ist.

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