Rede · 21.02.2001 Bundeswehrabbau:Bund und Land dürfen strukturschwache Regionen jetzt nicht in Stich lassen!

Jetzt ist es also amtlich. Durch die Bundeswehrstrukturreform von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping wird die Anzahl der Dienstposten in Schleswig-Holstein um über 6.000 reduziert - von knapp 45.000 auf zirka 39.000. Auch wenn ein Dienstposten nicht immer mit einen Arbeitsplatz gleichzusetzen ist, geht es dennoch um einen Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen in unserem Land.
Obwohl Schleswig-Holstein mit einer Reduzierung von 12% der Dienstposten unter dem Bundesdurchschnitt von 17% liegt, trifft es die betroffenen Standorte dennoch hart. Auch da viele Standorte immer noch mit den Folgen der Rühe-Reform von 1995, wo fast ein Drittel aller Bundeswehrarbeitsplätze hier im Lande abgebaut wurden, zu kämpfen haben.
Der SSW bedauert und kritisiert die Entscheidung von Bundesverteidigungsminister Scharping sehr. Aus Sicht des SSW hätten bei der endgültigen Standortentscheidung neben den militärpolitischen Erwägungen die regionalpolitischen Aspekte und anderen Faktoren wie beispielsweise der Katastrophenschutz eine grössere Rolle spielen müssen.
Wir bedanken uns für den Einsatz von Ministerpräsidentin Heide Simonis und Innenminister Klaus Buß, die sich in Berlin dafür stark gemacht haben, dass so viele Standorte wie möglich in Schleswig-Holstein erhalten bleiben. Wir zweifeln aber daran, ob sich das Bundesverteidungsministerium überhaupt ernsthaft mit der Stellungnahme der Landesregierung beschäftigt hat. Wie kann man sich in nur zwei Tagen detailliert mit den - aus unserer Sicht - sehr vernünftigen und sachlichen Argumenten der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung beschäftigen. Diese Vorgehendsweise lässt erahnen, dass die Entscheidung schon lange im voraus gefällt war. Dazu kommt eine schlechte Informationspolitik des Ministeriums, die zu erheblicher Verunsicherung und Verärgerung bei den Betroffenen beigetragen hat. Es gab immer wieder neue Gerüchte und Einzelheiten des Konzeptes wurden nur schleppend übermittelt. Selbst bis zum heutigen Tage sind noch nicht alle Details der Bundeswehrstrukturreform, die Schleswig-Holstein betreffen, endgültig klar.
Fest steht aber, dass im Landesteil Schleswig neben den Schliessungen der Marineversorgungsschule in List und den Standortverwaltungen in Leck, Westerland und Tarp insbesondere auch der Bundeswehrstandort Schleswig betroffen ist. Durch den Abzug des Pionierbataillon 620 wird in Schleswig die Anzahl der Dienstposten von 1329 auf 190 reduziert. Dagegen können die Standorte in Husum und Seeth mit einem Zuwachs an Dienststellen rechnen. In Flensburg wird Bundeswehrfachschule mit ihren 230 Dienstposten geschlossen. Dafür soll aber die Marinefernmeldeschule zum Bundeswehrausbildungszentrum ausgebaut werden. Von knapp 100 Dienstposten und 300 Lehrgangteilnehmer ist die Rede.
Insbesondere die Schließung von List und die Reduzierung des Bundeswehrstandortes Schleswig sind ein harter Schlag für die betroffenen Standorte. Schließlich betrifft der Abzug des Pionierbataillon in Schleswig jeden 9. Sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz mit einer geschätzten Kaufkraft von 30 Mio. DM. Auch die Gemeinde List ist bedingt durch die Insellage besonders hart von einer Schliessung betroffen.
Gerade in den strukturschwachen Regionen - wie dem Landesteil Schleswig - fällt dieser Arbeitsplatzverlust und der damit verbundene Kaufkraftverlust besonders ins Gewicht. Der SSW hatte sich deshalb gerade für den Erhalt dieser beiden Standorte eingesetzt.
Aus Sicht des SSW geht es jetzt darum, die negativen Auswirkungen des Bundeswehrabbaus so sozialverträglich und vernünftig wie möglich umzusetzen. Der SSW fordert daher:
1. einen Sozialplan für die betroffenen Beschäftigten:
Insbesondere beim Zivilpersonal sollten soziale Härten vermieden werden.
2. faire Bedingungen für die Kommunen bei der Übernahme der Liegenschaften:
In diesen Zusammenhang muss das Motto: „Entwicklungskonzepte vor Verkauf“ gelten. Das heisst, dass der Verkauf der Liegenschaften in enger Absprache mit den Kommunen vorgenommen werden muss. Es muss zur Lösungen kommen, die Rücksicht auf die Gegebenheiten und Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort nimmt und nicht nur auf die Erlösmöglichkeiten des Bundesverteidigungsministerium.
3. ein Konversionsprogramm des Bundes:
Der SSW begrüßt zwar, dass die Landesregierung durch eigene Programme wie „Zukunft auf dem Lande“ (Zal) oder dem „Regionalprogramm 2000“ - die zum Landesprogramm „Zukunft im eigenen Land (ziel) gehören - die schlimmsten Folgen für die betroffenen Regionen auffangen will.
„ziel“ kann aber nicht für alles herhalten und ist ja auch schon bei den Folgen der BSE-Krise im Gespräch als Lückenbüßer. Dieses Programm soll gezielt für die Föderung von neuen und innovativen Arbeitsplätze eingesetzt werden; es ist für diese Situation eigentlich nicht vorgesehen. Wir brauchen deshalb über „ziel“ hinaus zusätzliche Investitionen, um den Bundeswehrabbau aufzufangen. Daher muss die Bundesregierung ein umfassendes Konversionsprogramm auf legen. Wir unterstützen deshalb auch den vorgelegten Entschließungsantrag in dieser Frage.
4. bei zukünftigen Strukturausgleichmaßnahmen von Bund und Land für die betroffenen Standorte, muss auch der Abbau von anderen öffentlichen Arbeitsplätzen miteinbezogen werden:
Gleichzeitig mit den Bundeswehrreformen von 1995 und 2001 wurden im Zuge der Verwaltungsreformen von Bund und Land weitere öffentliche Arbeitsplätze abgebaut. So ist es in den letzten Jahren zu einer ganzen Reihe von Schließungen, Zusammenlegungen, Verlegungen oder Reduzierungen von Bundes- und Landesbehörden gekommen. Weitere Schließungen oder Zusammenlegungen etwa bei den Landeskatasterämtern, den Landesbezirkskassen, den Straßenmeistereien, beim Bundesgrenzschutz, den Hauptzollämtern, der Bundesstelle für Fernmeldestatistik und den Bundesvermögensverwaltungen sind entweder in Planung oder bereits vollzogen worden.
Das Beispiel der kreisfreien Stadt Flensburg, wo seit 1991 nicht nur ein Rückgang von 5.700 Soldaten und 1.000 Zivilbeschäftigten der Bundeswehr zu verzeichnen ist, sondern auch der Bundesgrenzschutz reduziert wurde, zeigt die Problematik. Denn trotz Motorola und einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit hat sich Flensburg immer noch nicht ganz von massiven Arbeitsplatzabbau von Bundeswehr- und Marine erholt hat. Aktuell sind auch das Hauptzollamt, das Bundesvermögensamt und die Straßenmeisterei in Flensburg in Gefahr, geschlossen zu werden. Bei solchen Fakten darf man sich nicht wundern, wenn der Eindruck entsteht, dass sich Bund und Land weitgehend als öffentliche Arbeitgeber aus dem Landesteil herausziehen wollen.
Auch wenn man den sogenannten schlanken Staat haben möchte: Es bleibt dabei, dass Land und Bund bei der Durchführung ihrer Verwaltungsreformen eine besondere Verantwortung den strukturschwachen Regionen gegenüber haben.Der Berichtsantrag des SSW über den „Abbau öffentlicher Arbeitsplätze“ in Schleswig-Holstein soll zum einen darüber Aufschluss geben, ob und wie Bund und Land seit 1990 dieser Verantwortung gerecht geworden sind. Und zum anderen soll dieser Bericht dazu dienen eine Übersicht über die Kommunen und Standorte zu geben, die besonders hart vom Abbau öffentlicher Arbeitsplätze betroffen sind und noch getroffen werden. Wir hoffen, dass diese Daten dann in Zukunft bei den Strukturausgleichsmaßnahmen von Bund und Land entsprechend berücksichtigt werden.
In diesen Zusammenhang begrüßen wir, dass die Landesregierung jetzt schnellst möglichst zu einer Konferenz mit den betroffenen Kommunen über zukünftige Konversionsmaßnahmen einladen will.

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