Rede · 10.06.2016 Das Bild der Totalüberwachung ist so übertrieben wie falsch

Lars Harms zu TOP 24 + 48+49 - Privatsphäre und Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln

Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir hier im Landtag Debatten in Sachen Videoüberwachung führen. Uns liegen hier zwei Berichte und Beschlussempfehlungen vor, zu Anträgen, die ein ordentliches und ausführliches parlamentarisches Verfahren durchlaufen haben. Es hat jeweils eine Debatte hierzu im Parlament gegeben, sie wurden in mehreren Sitzungen in den Ausschüssen beraten und darüber hinaus hat es auch Anhörungen dazu geben. Das ist ein fairer Umgang mit den Anträgen und wie ich meine, ist es auch dem Thema angemessen. 

Wenn es um Videoüberwachung geht – ob in Bussen, Zügen oder in den Bahnhöfen – dann sind wir ganz schnell auch in einem Bereich der Persönlichkeitsrechte. Die Beobachtung von Personen im öffentlichen oder nicht öffentlichen Raum und die Aufzeichnung der Bilder stellen Eingriffe in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. 

Auf der anderen Seite geht es bei der Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen um das Schutzbedürfnis der Menschen und um Verbrechensaufklärung. Wir befinden uns hier also immer in einem Abwägungsprozess. 

Daher liegt an uns, an der Politik, zu entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen. Das Bild der Totalüberwachung das gerne gezeichnet wird, ist meines Erachtens so übertrieben wie falsch. Von solch einem Szenario sind wir so weit entfernt wie Herr Breyer von der Realität. 

Wir haben uns inzwischen eine klare Linie erarbeitet; und die ist sicherlich fraktionsübergreifend gültig. Der Landtag lehnt sowohl die Datensammelwut jeglicher Art, als auch freie Zugriffsrechte auf Videodaten sowie die dauerhafte Speicherung von Daten ab. Wir haben hier im Haus den Konsens, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch technisch umgesetzt werden darf. In jedem Fall müssen die datenschutzrechtlichen Fragen im Vorwege geklärt sein. Und hier kommt es zum Beispiel darauf an, genau und restriktiv festzulegen, wie lange Aufnahmen gespeichert werden können und dass Videoaufnahmen auch automatisch – also ohne willkürlichen Eingriff des Menschen – getätigt werden. So kommt es überhaupt nicht infrage, dass beispielsweise Eisenbahnunternehmen Bilddateien aus ihren Zügen dauerhaft speichern. 

Genauso gilt, dass wir keine Notwendigkeit sehen für eine lückenlose und anlasslose Videoüberwachung im Schienenpersonennahverkehr. Der Einsatz von Videoüberwachung darf nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall vorgenommen werden. Das kann dann auch bedeuten, dass die Videoüberwachung auf bestimmten Strecken zulässig sein kann. Wenn wir also über Kameras in Zügen sprechen, dann müssen wir die Einsatzbereiche genau festlegen und die Weiterverarbeitung der Daten, deren Speicherung und Zugriffsrechte genau festlegen. Und nach unserer Auffassung muss auch offen darauf hingewiesen werden, dass Kameras installiert sind. Wenn all dies eingehalten wird, dann – glauben wir – ist der Eingriff in die Privatsphäre hinnehmbar. Allerdings unterhalb dieser Schwelle sollte man sich auch nicht bewegen.

Bezüglich der Videoüberwachung an Bahnhöfen, liegt uns eine Beschlussempfehlung vor, die unter anderem von den Piraten mitgetragen wird, wo die Deutsche Bahn gebeten wird, eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung von Wirksamkeit, Kosten, unerwünschten Nebenwirkungen und Alternativen zu Videobeobachtung oder -aufzeichnung von Fahrgästen an Bahnhöfen und in Fahrzeugen in Auftrag zu geben. Insbesondere sollen die Ergebnisse Aufschluss geben über die Straftaten, deren Häufigkeit und Aufklärungsrate im Vergleich von Bahnhöfen und Fahrzeugen mit und ohne Videoüberwachung. Bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse soll die Videoüberwachung oder -aufzeichnung von Fahrgästen nicht ausgeweitet werden. 

Für den SSW stelle ich fest, dass wir uns ausführlich und umfangreich mit dem Thema „Videoüberwachung“ in Zügen und Bahnhöfen befasst haben. Zudem wurde eine Untersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnis wir jetzt abwarten sollten. Daher lehnen wir auch den vorliegenden Antrag der Piraten ab.

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