Rede · 15.05.2019 Neue Bauordnung muss mit Leben gefüllt werden
„Die neue Bauordnung ist richtig, aber sie muss auch vor Ort kreativ angewandt werden.“
Lars Harms zu TOP 10 u. 29 - Änderung der Landesbauordnung (Drs. 19/1427;1448)
Die Schleswig-Holsteiner erwarten von der Politik klare Signale, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt deutlich verbessern wird. Gerade in den großen Städten fehlt es an bezahlbaren Wohnungen für junge Familien, Auszubildenden, Studenten, Rentnern und Alleinerziehenden. Wer beispielsweise in Flensburg nach dem Auszug der Kinder in eine kleinere Wohnung umziehen möchte, bezahlt dafür manchmal mehr als für die derzeitige. Die Mieten steigen, einfach weil die Nachfrage riesig ist. Da ist einiges in Schieflage geraten.
Das wird eine entschlackte Landesbauordnung leider nicht richten können. Zumindest nicht allein. Aber der Gesetzentwurf ist zumindest ein guter Anfang.
Die Erstellung und Ertüchtigung von Wohnraum ist dem SSW eine Herzensangelegenheit. Spekulanten, aber auch unangemeldete Ferienwohnungen werden mit einer entschlackten Bauordnung allerdings kaum zur Verantwortung gezogen; ebenso so wenig skrupellose Vermietungsfirmen, die nur auf den Profit schielen und die Mieten unheimlich verteuern. Die Kreditvergabe der Banken wird sich ebenso wenig ändern wie die Kommunen motiviert werden, günstiges Bauland unter anderem via Erbpacht zu vergeben. Viele Faktoren des Mangels werden also links liegen gelassen.
Ich sage ausdrücklich Mangel, denn grundsätzlich haben wir, das habe ich in den Diskussionen der letzten Monate gelernt, keine Wohnungsnot. Diese herrschte direkt nach dem Krieg. Damals wurde der knappe Wohnraum zwischen Einheimischen und Neu-Schleswig-Holsteinern verteilt und zwangsbewirtschaftet. Damals mussten Familien in ungeheizten Stallräumen unterkommen; und zwar nicht nur ein paar Tage, sondern manchmal über einen sehr langen Zeitraum. Damals haben Genossenschaften im ganzen Land neue Wohnungen geplant und gebaut. Von dieser Baubewegung, zu der auch die kommunalen Wohnungsbetriebe gehörten, haben wir lange Jahre gezehrt.
So eine Bewegung bräuchten wir auch jetzt.
Vieles läuft schief. Ich beziehe mich dabei nicht nur auf die Baukosten. Die Kosten öffentlicher Bauvorhaben erhöhen sich inzwischen regelmäßig; zuletzt bei der neuen Schule in Flensburg-Ramsharde, die 20% teurer als ursprünglich geplant wird. Alle Kommunen können davon ein Lied singen; manche Kommune geht zwischendurch die finanzielle Puste aus. Es sind aber auch die Baunebenkosten, die unter anderem durch statische Prüfungen ausgelöst werden, die in nie gekannte Höhen steigen. Der Flensburger Arbeiter Bauverein beklagt für seinen Neubau am Sandberg einen Anteil von 25% Nebenkosten. Jeder vierte Euro muss dafür in die Hand genommen werden. Das sind die Blüten eines überregelten Bauens. Genau da will die neue Landesbauordnung ansetzen.
Das Signal ist also absolut richtig. Das allgemeine baufaufsichtliche Prüfzeugnis kann nach dem Entwurf genehmigungsfrei werden; wenn auch nur im Einzelfall. Außerdem werden die Sachkundeanforderungen transparenter und etwas entrümpelt; weitere Schritte sind aber durchaus denkbar, ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Typengenehmigungen sind ein guter Weg; eine Begrenzung auf fünf Jahre erscheint mir richtig. Diese und andere Regelungen dienen dem schnelleren Bauen. In Hamburg kann man die Erfolge sehen: dort entstehen Mehrfamilienhäuser in Typenbauweise, die schnell vielen Menschen einen bezahlbaren Wohnraum ermöglichen. Es gibt durchaus ernstzunehmende, ästhetische Bedenken gegen die gleichförmige Baugestaltung. Allerdings zeigt die zügige Vermietung, dass das für die Familien, die ein preiswertes Dach über den Kopf gefunden haben, nur eine untergeordnete Rolle spielt; vor allem, wenn die Grünanlagen fantasievoll gestaltet sind.
Die Erfahrung lehrt allerdings, dass Papier geduldig ist; auch der Gesetzesvollzug muss stimmen. Ich wünschte mir überall kooperative Bauverwaltungen, die zusammen mit den Bauherren Projekte umsetzen. Stattdessen erlebt man auch in Schleswig-Holstein allzu oft Verantwortungsverflüchtigung und Dienst nach Vorschrift. Wie sich Engpässe in der Verwaltung abbremsend auswirken, konnten wir mittels einer Kleinen Anfrage zum Kampfmittelräumdienst in Erfahrung bringen: Der Kampfmittelräumdienst kann den Baubeginn locker bis zu 20 Wochen verzögern, weil nicht genug Personal da ist. Das ist ein Bremsklotz, der seines Gleichen sucht; vor allem, wenn er bei Erweiterungsbauten, also auf grundsätzlich vor-geprüftem Grund genauso gilt wie für Neubauten. Jeder hat an seinem Schreibtisch die richtige, gesetzlich vorgeschriebene Entscheidung getroffen, doch in der Gesamtheit aller Entscheidungen wird ein Neubau im schlimmsten Fall über ein Jahr und länger verzögert. Das wird wohl auch mit der neuen Bauordnung auf längere Zeit so bleiben.
Ich bin der Ansicht, dass wir eben sehr genau hinschauen müssen, was die neue Bauordnung bringen kann. Werden die neuen Typengenehmigungen auch tatsächlich von jedem kommunalen Bauamt so gehandhabt werden, wie es das Gesetz vorsieht oder gibt es dann doch wieder neue Bedenken? Wir werden das im Auge behalten müssen.
Die neue Bauordnung ist richtig, aber sie muss auch vor Ort kreativ angewandt werden.