Rede · 13.10.2023 Die Schulträger müssen die Re-Strukturierung allein schultern
„Wo ist der Plan, an dem sich die Schulträger orientieren können? Wann kommt die entsprechende Richtlinie und wann werden die Schulträger Planungssicherheit haben“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 15 - G9 – Mehrkosten für Schulträger gutachterlich klären und ausgleichen (Drs. 20/1455)
In der Schulpolitik begegnen uns einige Themen mit schöner Regelmäßigkeit. Dazu gehört G9. Wie viele Jahre Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein bis zum Abitur benötigen, war jahrelang umstritten. Die CDU war davon überzeugt, dass ein Jahr weniger einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen würde, hat aber nach schlechten Erfahrungen der Schulträger ihren Fehler eingesehen. Kinder und Jugendliche müssen Wissen nicht nur aufnehmen, sondern müssen diese Wissensbestände auch bewerten, filtern und in Beziehungen zueinander setzen. Und dazu benötigen sie Zeit. Diese Zeit wird ihnen jetzt auch eingeräumt.
Das bedeutet aber auch, dass die Schulträger parallel G8 und G9-Jahrgänge zum Abitur führen müssen. Diese Doppelstruktur ist erfreulicherweise nicht mehr lange nötig; hat aber die Gymnasien ausgezehrt.
Bei der Landesregierung meinte man zu lange, dass das Einräumen des Fehlers schon ausreichend wäre. Das ist es mitnichten, denn die Probleme haben sich verstärkt. Die Zeit ist schließlich nicht stehen geblieben. Gerade durch und nach Corona haben sich die Anforderungen an Schule erheblich geändert. Und diese Veränderungen kommen auf den Re-Strukturierungsprozess der Gymnasien noch obenauf.
Tatsächlich habe ich meine Zweifel, ob die Landesregierung diesen Mehraufwand ernst genug nimmt. Die Schulträger warten seit 2018 darauf, dass eine entsprechende Richtlinie die Mehrkosten der Re-Strukturierung regelt.
Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass die SPD aus der Opposition heraus, eine belastbare Regelung anmahnt. Ich denke, dass dem Thema die Öffentlichkeit guttut. Das Ministerium darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Die bisherigen Stellungnahmen aus dem Hause Prien lassen nicht den Schluss zu, dass die Richtlinie wirklich noch in diesem Jahr fertig werden wird. Die Schulträger glauben auf jeden Fall nicht mehr daran. Sie müssen die Re-Strukturierung allein schultern. Und das ist der eigentliche Skandal.
Viele Eltern hören genau hin, was an den Gymnasien derzeit ansteht und entscheiden sich deswegen oftmals gegen diesen Weg.
Die Alternativen über die Beruflichen Schulen beispielweise versprechen eine auskömmlich finanzierte Struktur, weil dort von vornherein auf Doppelstrukturen verzichtet wurde. Die Entscheidung gegen das Gymnasium ist auch eine Entscheidung gegen Raum-Enge und Provisorien.
Das ist die traurige Tatsache; durch das Hin und Her hat die CDU-geführte Landesregierung dem Gymnasium letztlich geschadet. Das einstige Modell ist zum Spielball der kommunalen Haushalte geworden. Arme Kommunen wie Flensburg oder Neumünster tun sich als Schulträger schwer, die Re-Strukturierung neben dem wachsenden Bedarf nach Digitalisierung und zunehmenden Integrationsproblemen zu finanzieren. Haben also arme Kommunen schlechtere Gymnasien? Noch nicht. Ich warne aber davor, dass nicht alle Kommunen ohne deutliche finanzielle Entlastung mit den pädagogischen Fortschritten mithalten können. Nicht nur die Gymnasien schieben bereits jetzt einen erheblichen Investitionsstau vor sich her. Die Finanzierung von Doppelstrukturen in der Übergangszeit haben die Reserven aufgebraucht. Übrigens auch die menschlichen Reserven. Vielerorts sind die Lehrkräfte nicht mehr bereit, weitere, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Warum auch? Denn die Hängepartie können sie durch persönlichen Einsatz nicht wett machen.
Wo ist der Plan, an dem sich die Schulträger orientieren können? Wann kommt die entsprechende Richtlinie und wann werden die Schulträger Planungssicherheit haben? Ich denke, dass diese Fragen im Sinne der Lehrkräfte, Eltern und nicht zuletzt der Schülerinnen und Schüler baldmöglichst beantwortet werden müssen.