Rede · 21.02.2013 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes
Vor dem Hintergrund der recht aufgeregten Stimmung rund um die Änderung des Schulgesetzes ist mir eins besonders wichtig, zu betonen: Der zeitlich Druck bei der Bearbeitung hat dazu geführt, dass dieses Verfahren etwas holprig gelaufen ist. Diesen Umstand bedauere ich ausdrücklich. Ich gebe aber auch zu bedenken, dass bis 2014 für keine einzige Schule hier im Land der Zwang besteht, ihre Struktur zu ändern. Ganz im Gegenteil: Nach den vielen Unsicherheiten der vergangenen Jahre halten wir es für sehr wichtig, dass an allen Schulstandorten in Ruhe weiter gearbeitet werden kann. Und gerade weil so mancher ganz gezielt in diese Richtung Unsicherheiten verbreitet, möchte ich noch einmal betonen, dass Gemeinschaftsschulen und Gymnasien für diese Koalition gleichermaßen wichtig sind.
Dies bleibt selbstverständlich auch die Grundlage, auf der wir gemeinsam mit allen Akteuren die bereit sind, sich konstruktiv einzubringen, an Inhalten arbeiten wollen. Diesen Weg werden wir schon allein deshalb nicht verlassen, weil es bei unserem Anspruch bleibt, zum Schuljahr 2014/2015 ein gutes Schulgesetz im Dialog mit den Betroffenen zu beschließen. Daran hat sich auch zur heutigen zweiten Lesung zu unserem Vorschaltgesetz nichts geändert. Der Dialogprozess ist in vollem Gange. Die nächste Bildungskonferenz findet noch diesen Monat statt.
Es ist schon recht merkwürdig, dass die Opposition auch wirklich gar kein gutes Haar an diesem Bildungsdialog lassen kann. Dabei hat mein Kollege Martin Habersaat gewiss nicht übertrieben, als er diesen Dialogprozess als den umfassendsten bezeichnet hat, den wir hier in Schleswig-Holstein je erlebt haben. Diesen Ansatz als reine Augenwischerei zu bezeichnen, halte ich für wirklich unangemessen. Aber wer weiß: Vielleicht ärgert man sich auch nur darüber, dass man die verschiedenen bildungspolitischen Beschlüsse in der vergangenen Legislaturperiode nicht ähnlich sorgfältig vorbereitet hat? Oder vielleicht erkennt man erst heute, dass es ein Fehler war, einfach über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden zu haben?
Wie dem auch sei: Im Ergebnis haben uns unsere Vorgänger in der Schullandschaft jedenfalls ein heilloses Durcheinander hinterlassen. Die Leidtragenden sind Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Eltern. Sie und nicht zuletzt die Schulträger haben diese chaotischen Verhältnisse gründlich satt. Das zeigt auch die Bildungskonferenz sehr deutlich. Deshalb haben wir uns zur Aufgabe gemacht, endlich wieder über Inhalte anstatt über Strukturen zu reden.
Und gerade weil wir diesen konstruktiven Dialog mit den Akteuren und ihre Bedürfnisse insgesamt sehr ernst nehmen, brauchen wir dieses Vorschaltgesetz. Nur so können wir das vorhandene Bildungschaos gründlich durchleuchten und Schritte in die falsche Richtung verhindern.
Eins habe ich schon in der vergangenen Debatte zum Schulgesetz versucht, deutlich zu machen: Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nehmen wir gezielt Einfluss auf einige Dinge, die ungebremst schlicht und einfach zu weiteren Unsicherheiten und Problemen führen würden. Und dies tun wir zeitlich eng befristet. Genauer gesagt nur, bis das neue Schulgesetz im August nächsten Jahres in Kraft tritt. Der Vorwurf, der begonnene Dialog sei bloß Theater weil heute schon Fakten geschaffen würden, wird deshalb von den meisten Betroffenen auch nicht geteilt. Ich will hier klar sagen: Anders als unsere Vorgänger wirbeln wir eben nicht alles wahllos durcheinander. Wir sorgen nur dafür, dass das bestehende Chaos nicht noch größer wird.
Aus unserer Sicht werden mit dieser Änderung des Schulgesetzes weder der Elternwille verletzt noch die Wünsche der Dialogpartner verhöhnt. Wie gesagt: Uns geht es nur darum, weitere Fehlentwicklungen und Auswüchse zu verhindern. Wir wollen unter anderem die Möglichkeit, weitere abschlussbezogene Klassenverbände an Gemeinschaftsschulen einzurichten, verhindern. Und dies aus einem ganz einfachen Grund: Abschlussbezogene Klassen entsprechen gerade nicht der Idee des gemeinsamen Lernens und haben mit dem Kern der Gemeinschaftsschule überhaupt nichts zu tun. Jeder hier weiß, dass sie nur zum Ziel hatten, das gemeinsame Lernen zu schwächen und die Hauptschule durch die Hintertür wieder einzuführen. Die Koalition aus SPD, Grünen und SSW vertritt dagegen die Auffassung, dass Kinder in Schleswig-Holstein nicht länger in Schubladen gesteckt werden dürfen. Wir meinen, dass dieses Denken von Vorgestern ist und endlich beendet werden muss!
Es ist doch gerade dieses Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens an Gemeinschaftsschulen, das von unglaublich vielen Schülerinnen und Schülern sowie Eltern ausdrücklich gewünscht wird. Vor diesem ganz konkreten Bedürfnis der Betroffenen sollte auch die Opposition nicht länger die Augen verschließen. Indem wir abschlussbezogene Klassenverbände verhindern und die von schwarz-gelb gestrichenen Differenzierungsstunden zurückgeben, können Gemeinschaftsschulen endlich wieder ihrer Kernaufgabe nachgehen. Diese deutliche Stärkung des gemeinsamen Lernens mag von CDU und FDP zwar aus ideologischen Gründen nicht gewollt sein. Bildungspolitisch sind wir damit aber auf dem absolut richtigen Weg. Wo genau wir hier vom Elternwillen abweichen sollen, bleibt für mich jedenfalls ein Rätsel.
Noch einmal: Wir stehen zum Zwei-Säulen-Modell aus Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Die jungen Menschen, die hier in Schleswig-Holstein ihr Abitur machen wollen, sollen die Wahl haben können. Die Wahl zwischen dem 8-jährigen Bildungsgang am Gymnasium und dem 9-jährigen an Gemeinschaftsschule oder beruflichem Gymnasium. Mit dem die Gymnasien betreffenden Punkt unseres Entwurfs wollen wir auch in diesem Bereich Sonderwege verhindern und Unsicherheiten vermeiden.
Das heißt im Klartext: Bestehende G8 Gymnasien sollen keinen neunjährigen Bildungsgang einführen und G9-Gymnasien nicht zu Y-Modellen wechseln dürfen. Denn für uns steht fest, dass nicht nur bei den Gemeinschaftsschulen sondern eben auch bei den Gymnasien zu viele Sonderwege ermöglicht wurden. So stand zwar überall Gymnasium drauf - aber es war eben nicht überall dasselbe drin. Diese Entwicklung und die damit verbundene Unsicherheit wollen wir begrenzen bis wir gemeinsam mit den Betroffenen eine endgültige Entscheidung gefunden haben. Nicht mehr und nicht weniger.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Vorschaltgesetz betrifft die Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen. Hier sage ich eins ganz deutlich: Wenn man diese Schulform will, was nicht nur der Wunsch dieser Koalition sondern vor allem vieler Schüler und Eltern ist, dann muss sie sich auch entwickeln können. Es ist aber allen hier bekannt, dass eine Weiterentwicklung dieser Schulform auf der Grundlage des schwarz-gelben Schulgesetzes nicht möglich war. Weil wir heute aber an einem Punkt sind, an dem die ersten Gemeinschaftsschulen ihren Oberstufenbetrieb starten könnten, sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf. Wir meinen, dass die Schulträger hier ein völlig berechtigtes Interesse haben, zu wissen woran sie sind. Sie brauchen endlich Planungssicherheit.
Wir wollen den Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit geben, sich zukunftsfähig aufzustellen. Dafür ist die Einrichtung neuer Oberstufen nun einmal zwingend notwendig. Um es ganz deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um die Schwächung des Gymnasiums oder das Ausspielen der einen Schulart gegen die andere. Es geht mit diesem Schritt einzig und allein darum, die logische Konsequenz aus der Einführung der Schulform Gemeinschaftsschule zu ziehen. Sowohl Gymnasien als auch Gemeinschaftsschulen brauchen die Chance auf eine gesunde Entwicklung. Und mit unserer Regelung geben wir ihnen genau diese Möglichkeit.
Mit Blick auf den etwas unglücklichen Ablauf bei dieser Gesetzesänderung möchte ich gerne nochmal betonen, dass ich den Groll der Opposition über den plötzlichen Änderungsantrag nachvollziehen kann. Dies war so nicht beabsichtigt und soll auch so nicht wieder vorkommen. Trotz aller Kontroversen in der Schulpolitik hoffe ich aber, dass wir das gemeinsame Ziel haben, mehr junge Menschen zu höheren Bildungsabschlüssen zu führen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir Gymnasien und Gemeinschaftsschulen gleichermaßen. Und wir brauchen Sicherheit für unsere Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer. Ich bin davon überzeugt: Moratorium und Bildungsdialog werden dazu führen, dass wir am Ende ein gutes Schulgesetz im Sinne der Betroffenen haben werden.