Rede · 25.05.2011 Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des § 6b Bundeskindergeldgesetz, Bildungs- und Teilhabepaket auch für Kinder aus Asylbewerberfamilien

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr musste bekanntlich das Existenzminimum für Kinder und Jugendliche nach einer eigenen Methode errechnet werden. Auch Bildungs- und Teilhabebestandteile müssen ab Januar 2011 in die Berechnung einfließen, um so zu gerechteren Regelsätzen zu kommen. Am Ende zäher Verhandlungen steht ein Kompromiss, der aus Sicht des SSW ganz einfach enttäuschend ist: Neben der geringfügigen Erhöhung der Hartz-IV-Sätze für Erwachsene trat am 1. April das so genannte „Bildungs- und Teilhabepaket“ in Kraft. Hier ist zum Beispiel für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ein Bedarf von 10 Euro pro Monat und Kind vorgesehen.

Zwar gibt es bisher kaum Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung dieser Regelung, aber eins lässt sich mit Sicherheit sagen: Die gewählte Lösung wirft nicht nur viele Fragen auf und verursacht einen hohen bürokratischen Aufwand, sondern sie kommt auch ganz offensichtlich nicht bei denen an, für die sie bestimmt ist. Natürlich begrüßen wir, dass die Zuständigkeit letztlich doch bei den Kommunen, Kreisen und kreisfreien Städten liegt. Denn damit erfolgt die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets so bürgernah wie möglich. Aber wenn selbst die Erfahrungen aus dem Vorzeigekreis Nordfriesland zeigen, dass so gut wie gar keine Nachfrage besteht, muss man den Sinn dieser Regelung ernsthaft bezweifeln. Es ist doch bis heute nicht gelungen, bei den berechtigten Eltern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese Maßnahme ein - wenn auch kleiner - Gewinn für ihre Kinder sein kann.

Das vorliegende Ausführungsgesetz musste aus bekannten Gründen mit heißer Nadel gestrickt werden. Doch bei allem Verständnis für diese Umstände bleibt der Entwurf kritikwürdig. Dies gilt besonders für die Ausführungen zum Bereich der Schulsozialarbeit, den auch Landesjugendring und Deutsches Rotes Kreuz kritisieren. Auch wir sehen die Gefahr, dass trotz zusätzlicher Mittel nicht zwingend auch zusätzliche Angebote entstehen bzw. neue Stellen geschaffen werden. Weil keine Zusätzlichkeit festgelegt ist, werden diese Mittel mit großer Wahrscheinlichkeit in bereits bestehende Projekte fließen, während die Kreise ihren Anteil anderweitig verwenden. Durch eine Zweckbindung allein werden wir also auf diesem wichtigen Gebiet nicht entscheidend vorankommen. Die Einbindung der freien Träger der Jugendhilfe in den Gesetzgebungsprozess wäre sicherlich von Vorteil gewesen.

Unabhängig vom Verfahren und dem heutigen Stand der Umsetzung verfolgt das Bildungs- und Teilhabepaket einen tendenziell positiven Ansatz. Denn es erhöht die Leistungen für Kinder und Jugendliche zumindest geringfügig. Wir sehen es als völlig selbstverständlich an, dass auch Asylbewerberkinder zum Kreis der Leistungsberechtigten gehören und damit in vollem Umfang beteiligt werden müssen. Hier nehmen wir den Sozialminister, der eine schnelle und unbürokratische Lösung auch für diese Kinder angekündigt hat, beim Wort.

Es bleibt aber leider festzuhalten, dass das wesentliche Problem des Bildungs- und Teilhabepakets unabhängig von der Größe der Zielgruppe bestehen bleibt: Auch diese Neuregelung räumt den Leistungsberechtigten nicht die umfangreichen sozialen und kulturellen Teilhabemöglichkeiten ein, die für echte Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit nötig wären. Dafür reicht die geringfügige Aufstockung ganz einfach nicht aus. Fakt ist, dass es nach wie vor keine wirkliche Wahlfreiheit in Bezug auf die Freizeitmöglichkeiten gibt. Und die Bildungschancen hängen leider unverändert vom Portemonnaie der Eltern ab.

Ganz grundsätzlich hat der SSW in Bezug auf die Hartz-IV-Reglungen immer wieder deutlich gemacht, dass wir den Weg der Sonder- bzw. Sachleistungen für falsch halten. Wir sehen in der Begründung für die Gewährung von Sach- anstelle von Geldleistungen für bedürftige Kinder eine Entmündigung der Hartz-IV-Eltern. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass zusätzliche Mittel für die bedürftigen Familien auch bei den Kindern ankommen. Und selbst wenn dies in einzelnen Fällen nicht so sein sollte, darf man die Leistungsbezieher noch lange nicht unter Generalverdacht stellen.



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