Rede · 15.11.2000 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Der SSW hat keinen Hehl daraus gemacht, dass wir die Pläne von CDU und FDP, zu dem von ihnen sogenannten „Fall Rohwer-Mantik" einen Untersuchungsausschuss einzurichten, mit Skepsis sehen. Es ist das gute Recht der CDU und FDP Landtagsfraktionen einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Allerdings sehen wir immer noch keinen Bedarf für einen solchen Ausschuss. Das Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird hier wirklich strapaziert.

Untersuchungsausschüsse sind das schärfste Schwert des Parlamentarismus. So ist jedenfalls die Theorie. Das Vertrauen in dieses Instrument ist allerdings nicht mehr besonders groß, denn nicht zuletzt die vielfältigen Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein haben den berechtigten Eindruck erweckt, es ginge hier um ein politisches Kampfinstrument. Sicherlich wäre es naiv anzunehmen, es könne im Untersuchungsausschuss ausschließlich um objektive Wahrheitsfindung gehen. Wenn in diesen Ausschüssen aber das Ansinnen, den politischen Gegner anzuschwärzen, der aufklärerischen Tätigkeit so gut wie keinen Raum mehr lässt, dann wird diese Arbeit sinnlos. Sie wird sogar schädlich, weil sie zum negativen Image von Politikerinnen und Politikern beiträgt und damit der Demokratie schadet.

Aus unserer Geschichte müssten wir eigentlich lernen, dieses Instrument wirklich nur anzuwenden, wenn die Schwere des Vorfalls es begründet und keine andere Möglichkeit zur Aufklärung besteht. Diese anderen Möglichkeiten sind im vorliegenden Fall nicht ausgeschöpft worden. Es wäre klüger gewesen, die von der CDU angegebenen offenen Fragen durch eine erneute Vorladung des Wirtschaftsministers Rohwer im Innen- und Rechtsausschuss zu klären, bevor wir zum schärfsten Schwert greifen. Man sollte die Proportionen wahren. Hier sollen aber dicke Bretter gebohrt werden, die in Wirklichkeit aus Pappe sind.

Sicherlich, auch wir wissen nicht, wie es wirklich zugegangen ist in jenen Tagen im Mai. Aus unserer Sicht deutet zur Zeit aber nichts darauf hin, dass etwas vorgefallen sein könnte, was die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum jetzigen Zeitpunkt begründet.

Selbstverständlich hat die Vermutung des Kollegen Kubicki, die Treffen nach dem 11. Mai seien für Verschleierungsmaßnahmen der Landesregierung genutzt worden, etwas Bestechendes. Sie ist allemal spannender als die Darstellung des Wirtschaftsministers. Der Kollege Kubicki bekommt jetzt die Gelegenheit, seine These im Untersuchungsausschuss zu verfolgen. Ob sie sich wirklich im Rahmen dieses Gremiums belegen lässt, ist aber sehr fraglich.

Die Fragestellung des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsauschusses lässt erwarten, dass die ominösen Tage im Mai minutiös durchleuchtet werden. Die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss werden reichlich Gelegenheit bekommen, jedes Detail zu drehen und zu wenden. Ich hoffe, dass man es trotzdem noch schafft, ab und zu die Lupe wegzulegen und den großen Zusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren. Die bisherigen Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen haben gezeigt, dass es nicht leicht ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Genau diese Leistung wird den Ausschussmitgliedern aber abverlangt. Jede Information wird an der zentralen Frage zu messen sein, ob Herr Rohwer im Umgang mit den Ermittlungen gegen Staatssekretär Mantik falsch gehandelt hat. Allein darum muss es gehen. Herr Mantik wird bereits von der Staatsanwaltschaft in Lübeck betreut. Gegenstand des Untersuchungsausschusses kann daher nur sein, ob möglicherweise Minister Rohwer und/oder anderen Mitglieder der Landesregierung in diesem Zusammenhang erhebliche Verfehlungen vorzuwerfen sind.

Ich hoffe, dass alle Mitglieder des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ihre Rolle als Aufklärerinnen und Aufklärer ernst nehmen. Ich appelliere wirklich an alle, nicht schon während der Ausschussarbeit politische Bewertungen ins Spiel zu bringen, wie es teilweise vorher in anderen Untersuchungsausschüssen geschehen ist. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass hier ein Ausschuss gegründet worden ist, um eine zusätzliche Bühne für politische Profilierung zu bekommen. Damit schaden wir nur uns selbst, denn das Schwert Untersuchungsausschuss wird stumpf, wenn es als Forum seriöser Aufklärungsbemühungen keine Achtung mehr findet. Zudem wird, wer bei jeder mutmaßlichen Verfehlung gleich nach einem Untersuchungsausschuss ruft, irgendwann einmal nur schwer vermitteln können, dass wirklich ein bedeutender Vorfall vorliegt.

Deshalb wollen wir nicht hinnehmen, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum reinen politischen Kampfinstrument verkommen. Sollte sich wirklich herausstellen, dass im Ausschuss wieder nur die Parteitaktik im Vordergrund steht, dann wird der SSW sich dafür stark machen, über eine neue Form der Untersuchung nachzudenken. Abgeordnete des SSW haben in diesem Haus bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Untersuchungen durch unabhängige Dritte einen höheren Gehalt an Aufklärung versprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der SSW in diesem Haus ganz allein darum bemüht ist, eine faire Aufklärung politischer Affären und angeblicher „Fälle" zu sichern.

Wir werden der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zustimmen, weil wir sehen, dass der politische Wille zu diesem Ausschuss besteht - auch wenn wir die objektive Notwendigkeit nicht unbedingt zu erkennen vermögen. Als Minderheit sind wir aber gewohnt, Mehrheitsentscheidungen zu achten, und deshalb werden wir selbstverständlich auch konstruktiv in dem Untersuchungsausschuss mitarbeiten.

Ich hoffe, dass man dort trotz unterschiedlicher Parteiinteressen gemeinsam an der Klärung der Sachverhalte arbeitet und zu angemessenen Konklusionen kommt, die in einem vernünftigen Verhältnis zu diesen Sachverhalten stehen. Eine Schlussfolgerung ist jetzt schon vorauszusehen: Am Ende der Ausschussarbeit wird die Konklusion stehen, dass „Bestra-Vermerke" zukünftig in keinem Fall mündlich oder schriftlich weitergegeben werden dürfen. Wenn das aber alles ist, was der Untersuchungsausschuss produziert, wenn weitere Konsequenzen nicht erforderlich oder erwünscht sind, dann war der heutige Beschluss ein Fehler.

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