Rede · 30.05.2013 Für eine moderne, vielfältige Verwaltung in Schleswig-Holstein
Deutschland ist ein Einwanderungsland und als solches muss sich Deutschland natürlich darauf einstellen, dass auch die Verwaltung dieser Tatsache Rechnung tragen muss. Wenn ich von der Verwaltung spreche, dann meine ich nicht nur diejenigen, die im Kontakt mit dem Bürger bei der Antragsstellung oder bei der Anmeldung hilft, sondern ich meine auch diejenigen, die sich um Wirtschaftsförderung oder EU-Anträge kümmern. Alle diese öffentlich beschäftigten sollten nach Möglichkeit Kompetenzen haben, die sie dazu befähigen ihr gegenüber zu verstehen – sei es den Antragsteller vor Ort oder den Kooperationspartner im Ausland. Deshalb ist es wichtig, die Kompetenzen der Menschen mit ausländischen Wurzeln, die bei uns Leben auch zu nutzen.
Seit einiger zeit hat die Bundesrepublik Deutschland wieder einen Wanderungsüberschuss zu seinen Gunsten. In den vergangenen beiden Jahren sind rund 300.000 Menschen jährlich mehr zugewandert als ausgewandert. Darunter sind die meisten Menschen mit ausländischem Pass und weniger Rückwanderer mit deutschem Pass. Es scheint so, dass die demografischen Berechnungen, die von einem Bevölkerungsschwund in den nächsten Jahren ausgehen, nicht in vollem Umfang recht behalten werden. Im Gegenteil: Wie haben viele – gerade auch junge - Zuwanderer aus den Krisenländern Südeuropas und auch aus Osteuropa. Diese jungen Menschen kommen zu uns, um sich dauerhaft eine Zukunft aufzubauen und wir brauchen diese Menschen, um unsere Sozialsysteme überhaupt in der bisherigen Form aufrecht erhalten zu können.
Noch vor wenigen Jahren galt das Hauptaugenmerk in der Verwaltungswissenschaft der Schaffung klarer Kompetenzen, transparenter Strukturen und schnellen Erledigung. Inzwischen wissen wir um die immense Bedeutung des menschlichen Faktors, also derjenigen Menschen, die diese Strukturen mit Leben erfüllen. Sie sind es, die die Attraktivität des Standortes Deutschland erhöhen. Es hat lange gedauert, bis sich diese Erkenntnis durchsetzte. Jetzt ist es an der Zeit, aus dieser Erfahrung heraus die entsprechenden Entscheidungen zu fällen. Und die sind eindeutig personeller Natur. Darum fordern wir: mehr Neu-Schleswig-Holsteiner in die Verwaltung.
Wir wollen diejenigen, die bereits mit Migrationshintergrund in der Verwaltung arbeiten, nicht überfordern. Wir wollen ihnen eben nicht alles aufbürden, was sich in Zusammenhang mit Bürgeranfragen und Bürgerangelegenheiten von Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern mit Migrationshintergrund ergibt. Darum ist es wichtig, die Zahl der Verwaltungsangestellten mit Migrationshintergrund so schnell wie möglich deutlich zu erhöhen. Dass das nicht von heute auf morgen erledigt ist, wissen wir natürlich. Aber gerade darum sollten wir keine Zeit verlieren und geeignete Bewerber gezielt ansprechen.
Darüber hinaus wollen wir dort, wo es die Verwaltung mit vielen Kunden mit Migrationshintergrund zu tun hat, flankierende Maßnahmen umsetzen. Dazu gehören beispielsweise zweisprachige Meldebögen. Und andere Formulare auf Deutsch und Türkisch oder auf Deutsch und Spanisch. Der Aufwand ist ein einmaliger, der Ertrag ist aber immens.
Zu diesen Forderungen kommt noch eine entscheidende Maßnahme: die Sensibilisierung der Beschäftigten. Da ist ja einiges bereits überlegt worden; nun sollen diesen Theorien auch Taten folgen. In der Verwaltung haben wir massenhaft mit Beschäftigten zu tun, die kaum interkulturelle Kompetenzen haben. Das führt aber dazu, dass andere Sichtweisen oder eben auch Sprachen nicht wahrgenommen werden. Aus diesem Grund gibt es das anonymisierte Bewerbungsverfahren. Das ist sicherlich ein gangbarer Weg, um den Anteil der Beschäftigten und auch der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der Verwaltung unseres Landes zu erhöhen. Der SSW hat bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass durch die Anonymisierung Chancengleichheit umgesetzt wird. Mit der Anonymisierung wird verhindert, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln eben nicht gleich herausgefiltert werden, sondern die Chance bekommen, sich im Bewerbungsgespräch zu bewähren.
Um es aber auch klarzustellen, es geht in dem Antrag nicht darum, dass Peter Petersen Türkisch lernt, um seiner Kundschaft in Anfänger-Türkisch das Meldewesen erklären zu können. Es geht darum, dass Peter Petersen lernt, wie die Bürgerinnen und Bürger, mit denen er tagtäglich zu tun hat, eigentlich ticken. Es geht um interkulturelle Schulung, die im besten Fall dazu führt, die eigenen Scheuklappen zu erkennen. So gilt in der Türkei eine strikte zentralistische Verwaltung. Viele Türkinnen und Türken kommen also gar nicht auf die Idee, dass die hiesige Verwaltung das anders handhabt. Ein klärendes Wort vorweg und schon geht das Folgende umso leichter.
Ich würde mich freuen, wenn wir baldmöglichst konkrete Ergebnisse haben. Dabei sehe ich vor allem die Landesverwaltung in der Pflicht. Sie muss, wie schon beim Gender Mainstreaming auch in Sachen Integration mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, welchen Gewinn Beschäftigte mit Migrationshintergrund für die gesamte Verwaltung bedeuten. Wenn sich dieses denken erst festgesetzt hat, dann sind wir auch fit für die Chancen und Herausforderungen die ein Einwanderungsland so mitbringt.