Rede · 19.02.2003 Ganztägige Kinderbetreuung
Es ist schön, wenn man weiß dass jemand sich um einen sorgt. Das gilt für die Kinder in den Tagessstätten ebenso wie für Regierungsmehrheiten. Die FDP sorgt sich darum, ob die rot-grüne Bundesregierung es wirklich schafft, ihren Koalitionsvertrag umzusetzen. Darin steht nämlich, dass sie im Jahr 2004 damit beginnen möchte, in Schleswig-Holstein und anderswo für eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung und für mehr Ganztagsschulen zu sorgen.
Wir sind uns ja glücklicherweise mittlerweile alle einig, dass die Kinderbetreuung in Deutschland noch besser werden kann. Deshalb freut uns natürlich, dass auch die Bundesregierung auch verstärkt die Unter-3jährigen und die Schulkinder berücksichtigen möchte. Der Landtag hat sich vor kurzem mit dem Großen Anfrage zur Kinderbetreuung in Schleswig-Holstein beschäftigt und dabei wurde deutlich, dass die Angebote für Kinder unterhalb des Kindergartenalters und im Schulalter erhebliche Mängel aufweisen. Wir stimmen darin überein, dass das nicht so bleiben darf.
Deshalb ist auch die Absicht der Bundesregierung zu begrüßen, eine Versorgungsquote von 20 % bei den Kleinsten zu erreichen. Wie sich aus der Antwort der Landesregierung ergibt, müssten in Schleswig- Holstein allein für die Unter-3jährigen ca. 10.000 neue Plätze in Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen eingerichtet werden.
Allerdings reicht der schöne Wunsch natürlich nicht aus. Wie bei allen guten Absichten der Bundesregierung kommt es letztlich auch darauf an, wie die Pläne in den Ländern und Kommunen umgesetzt werden vor allem wie sie finanziert werden. Aber gerade in dieser Hinsicht sind noch alle Fragen offen, wenn es um die Umsetzung der hehren Ziele in der Berliner Koalitionsvereinbarung geht.
Oder man könnte auch sagen: Hier liegt der Haken. Denn die Finanzierung soll durch Mittel erfolgen, die in der Arbeitsmarktpolitik eingespart werden. Es wird davon ausgegangen, dass durch das Hartz-Konzept Minderausgaben bei den Kommunen entstehen, die dann passend den Kindern zu gute kommen können. Mit anderen Worten: Die Finanzierung der Ganztagsbetreuung besteht bisher aus einer Luftbuchung.
Wir wissen gar nicht, wie weit das Hartz-Konzept wirklich Einsparungen bringt. Natürlich wünschen wir uns alle, dass dieses neue Konzept sehr viele Leute in Arbeit bringt. Allein: Wissen kann es im Moment keiner, wie gut es klappen wird. Also weiß auch noch keiner, ob die Milliarden für die Ganztagsbetreuung hier wirklich gespart werden.
Und selbst wenn diese Gelder wirklich über bleiben, dann weiß noch niemand, ob die Kommunen es sich wirklich leisten können, das Geld für Ganztagsbetreuung auszugeben. Angesichts der drastisch steigenden Ausgaben und der noch dramatischer sinkenden Einnahmen der Kommunen stellt sich die Frage: Werden die Kommunen diese Gelder, falls sie denn tatsächlich zur Verfügung stehen, nicht in erster Linie für andre dringende Aufgaben verwenden - oder für den eben so wichtigen Schuldenabbau?
Die Ganztagsbetreuung ist ein typisches Beispiel dafür, wie der Bund den Kommunen dauernd neue Aufgaben und Ausgaben auferlegt, ohne sie ordentlich finanziell auszustatten. Das haben wir vor kurzem erst bei der Grundsicherung erlebt. Da hat der Bund auch gesagt, dass die Kommunen die Mittel in der Sozialhilfe sparen werden. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die Ausgaben für die Grundsicherung höher sind als die Einsparungen. Ähnliches haben wir auch schon erlebt, als es um die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ging.
So kann der Bund nicht mit den Kommunen umspringen. Die Bundesregierung bestellt für uns dauernd schöne Sachen aus dem Wunschkatalog und lässt dann den Empfänger bezahlen. So sehr wir die politische Zielsetzung der Ganztagsbetreuung teilen: Auf solche Geschenke, die sie sich nicht einmal selbst aussuchen dürfen, können die Kommunen gut verzichten jedenfalls solange der Bund nicht das Wort Konnexität gelernt hat.
Für andere planen können wir alle gut. Die Bundesregierung ist aber noch den Beweis schuldig, dass sie auch eine tragfähige Finanzierung vorlegen kann, die die katastrophale Finanzlage unserer Gemeinden berücksichtigt.