Rede · 19.05.2021 Solidarität in der Corona-Pandemie Gerade in der Krise müssen wir zusammenstehen

„Eltern von Kitakindern sollten nur für die Betreuung bezahlen, die sie auch in Anspruch nehmen.“„Wir müssen weiter im engen Austausch mit der dänischen Regierung bleiben und weiterhin auf ein transparentes, eng abgestimmtes und möglichst einheitliches Vorgehen auf beiden Seiten der Grenze setzen.“

Lars Harms zu TOP 20+27+29+30+32+38+42+43+47-Finanzierung der Folgekosten der Pandemie –  Notkredit bedarfsgerecht einsetzen und Anträge zur Corona-Pandemie (Drs. 19/2942; 19/2957; 19/2960; 19/2963; 19/2964; 19/2966; 19/2984; 19/2989; 19/2990; 19/2882; 19/2930)

Auch etwas mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie befinden wir uns noch immer mitten in der Krise. Gleichzeitig gibt es immerhin vorsichtige Lichtblicke zu vermelden. Entsprechend gibt es auch zu diesem Mai-Plenum wieder einen weiteren umfangreichen Sammel-Tagesordnungspunkt, zu dem die „Lage des Landes“ mit diversen Anträgen zur Pandemiesituation zur Diskussion steht. Ich werde mich im Folgenden auf die für den SSW wichtigsten Punkte und Anträge konzentrieren, die da wären: 

1)    Der interfraktionelle Antrag zu Umschichtungen innerhalb des Corona-Notkredites,
2)    unser gemeinsamer Antrag mit der SPD-Fraktion zu Entlastungen bei den Kitagebühren, wenn die Betreuung nur sporadisch in Anspruch genommen wurde, und
3)    die Situation in unserem Grenzland inklusive unseres Antrages.

Zunächst zum Notkredit:
Die Coronapandemie hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt. Die Belastungen – in jeglicher Hinsicht – sind nun schon seit Monaten enorm. Dies gilt leider auch für die finanziellen Belastungen, die einen „normalen“ Haushalt bei weitem übersteigen.
Wir alle wissen und haben bereits mehrfach festgehalten: Die nächsten Jahre werden hart. Die Kombination aus erheblichen Steuermindereinnahmen bei gleichzeitig erheblichen zusätzlichen Ausgaben aufgrund der Pandemie setzt uns einen engen finanziellen Handlungsrahmen. Bei Herausforderungen von derartiger generationenübergreifender Tragweite ist es richtig und wichtig, dass die regierungstragenden Fraktionen und die Opposition sich in Hinblick auf die großen Leitlinien durch die Krise verständigen. Für den SSW steht außer Frage, dass wir uns hier kooperativ und konstruktiv einbringen. 

Im vergangenen Jahr hatten wir uns darauf verständigt, dass das Land aufgrund der Corona-Pandemie Notkredite in Höhe von insgesamt 5,5 Milliarden Euro aufnehmen darf. Das Motto: Schnell und umfassend auf die Krise reagieren und gleichzeitig dringend notwendige Investitions- und Modernisierungsvorhaben finanziell absichern. Mit dieser Absicherung im Rücken konnte der Haushalt 2021 geplant und beschlossen werden. Inzwischen stehen nun auch die Eckdaten für den Landeshaushalt 2022 und die angepasste Finanzplanung bis zum Jahr 2030. Außerdem wurden gerade gestern erst die neuesten Zahlen der Steuerschätzung veröffentlicht. Klar ist: Die Corona-Krise bleibt der bestimmende Faktor. Die Kassen sind klamm, die Herausforderungen groß, die Menschen zunehmend mürbe. 

Wir haben einen guten Stufenplan zur kontrollierten Wiederöffnung des gesellschaftlichen Lebens, der sich bewährt hat, und auch die Auswertungen der Modellregionen versprühen vorsichtigen Optimismus. Und dennoch: Die Pandemie ist noch nicht überstanden und je länger sie andauert, desto höher werden die Folgekosten. Um also hier und jetzt schnell reagieren zu können, haben wir diesen interfraktionellen Antrag eingebracht. Die darin geforderten Umschichtungen und Vorziehungen von Anteilen des Notkredites sind notwendig, um all die gesteckten Ziele zu erreichen und den Menschen in unserem Land jetzt Sicherheit zu geben. 

Im Antragstext werden die größten Mehrbedarfe genannt: So brauchen wir im Gesundheitssektor mehr Geld, um insbesondere die Test- und Impfkapazitäten noch weiter auszubauen. Das lässt sich nicht aufschieben, denn die Pandemie ist jetzt. Der ÖPNV hat mit hohen Einnahmeausfällen zu kämpfen, spielt aber für die weiterhin anzustrebende Mobilitätswende eine wichtige Rolle und benötigt daher unsere Unterstützung. Ganz wichtig sind hier auch die Härtefallfonds und die groß aufgelegten Unterstützungsprogramme für Kinder und Jugendliche zu nennen. Auf die Betreuungskosten komme ich gleich noch zu sprechen. 
Gerade die jungen Generationen – und das betonen wir hier auch schon seit Monaten, weil es leider Fakt ist – müssen nun schon seit über einem Jahr mit erheblichen Einschränkungen zurechtkommen, was sich natürlich auf ihre Bildungsbiografie und auf ihre persönliche Entwicklung auswirkt. Ein breit angelegtes Jugendprogramm zum jetzigen Zeitpunkt ist daher unabdingbar und lässt sich ebenfalls nicht aufschieben oder gar einsparen, denn die Folgen würden nachhaltig negativ und kaum wieder auszugleichen sein. 

Insgesamt ziehen wir daher also bis zu 350 Millionen Euro, die für Infrastrukturmaßnahmen in den Jahren 2029 und 2030 vorgesehen waren, zur Finanzierung der akuten Mehrbedarfe im Haushaltsvollzug 2021 vor. Alles weiterhin unter den wachsamen Augen des Finanzausschusses, der jede einzelne Maßnahme freigeben muss. Das ist eine gewaltige Summe, die leider durch die Notsituation unseres Landes bedingt und benötigt wird. Die Infrastrukturprojekte sollen dennoch planmäßig umgesetzt werden, denn planmäßig soll sich die Konjunktur bis dahin erholt haben. Wie gesagt: Die nächsten Jahre werden hart und von Konsolidierungsmaßnahmen bestimmt werden, aber wir müssen hier und jetzt in der Krise die Gelder zur Verfügung stellen, die akut benötigt werden, um die Pandemie zu überwinden, um den Wirtschaftsaufschwung zu ermöglichen und um die Menschen weiter zu unterstützen. 

Um Unterstützung geht es auch beim zweiten Schwerpunkt meiner Rede: 
Unser gemeinsamer Antrag mit der SPD-Fraktion zu Entlastungen bei den Kitagebühren. 
Tatsache ist: Der Alltag vieler Kinder und Jugendlicher ist nicht nur aufgrund geschlossener Kitas oder Schulen ein völlig anderer als vor der Pandemie. Viele Familien stoßen beim Versuch, Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut zu bringen, längst an ihre Grenzen. Wir können klar erkennen, dass die vergangenen Monate vor allem bei den Kleinen und Kleinsten Spuren hinterlassen. Viel zu viele leiden unter Zukunftsängsten und Einsamkeit. Es ist also vor allem im Sinne der Kinder wichtig, Familien so gut es geht zu unterstützen.

Wir vom SSW sind ehrlich erleichtert darüber, dass sich diese Erkenntnis endlich auch bei vielen Regierenden in Bund und Ländern durchsetzt. Den Worten müssen nun aber auch Taten folgen. Wir müssen den Familien schnell und konkret helfen. Und ein Vorschlag für eine sehr konkrete Maßnahme liegt nun hier mit unserem Antrag zur Entlastung bei den Kitagebühren vor. Einfach ausgedrückt fordern wir hier, dass Eltern von Kitakindern nur für die Betreuung bezahlen, die sie auch in Anspruch nehmen. Das klingt selbstverständlich, ist es unter erschwerten Pandemiebedingungen aber leider nicht.

In Kreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 50 und 100 arbeiten Kindertagesstätten bekanntlich im so genannten „eingeschränkten Regelbetrieb“. Der weit überwiegende Teil der Familien hat damit einen Betreuungsanspruch. Gleichzeitig war und ist mit dieser Regelung aber immer der Appell der Landesregierung verbunden, die Kinder „wann immer möglich“ zu Hause zu betreuen. Ziel ist natürlich, das Ansteckungsrisiko in Gemeinschaftseinrichtungen zu minimieren. Viele Familien im Land haben diesen Appell sehr ernst genommen und wirklich alles versucht, um ihm zu folgen. Hierfür möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich danken.

Nach jetzigem Stand müssen viele Eltern im vollen Umfang für die Betreuung Ihres Kindes bezahlen, obwohl Sie diese Leistung nur wenig oder fast gar nicht in Anspruch nehmen. Leider ist das, was auch in einer entsprechenden Handreichung formuliert ist, kein handwerklicher Fehler, sondern wirklich so gewollt. Im Extremfall ist man vielleicht nur einen einzigen Tag dazu gezwungen, sein Kind in die Einrichtung zu geben – zahlt aber direkt für den vollen Monat. Das finden wir ungerecht und fordern einen fairen Ausgleich.

Auf Nachfrage im Ministerium wurde uns mitgeteilt, dass allein schon eine tageweise Abrechnung und entsprechende Rückerstattung zu einem enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen würde. Natürlich wollen wir Einrichtungen und Trägern keine zusätzlichen Lasten in diesen ohnehin schwierigen Zeiten aufbürden. Dementsprechend fordern wir vor diesem Hintergrund auch keine tag- oder sogar stundengenaue Abrechnung. Aber für die Eltern, die alles versuchen, aber hin und wieder eben doch auf die Kita angewiesen sind, beantragen wir eine pauschale Regelung, um zumindest einen gewissen Ausgleich hinzubekommen. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag. 

Mein dritter Schwerpunkt betrifft unser deutsch-dänisches Grenzland: 
Die jetzigen Öffnungen an der Grenze sind absolut begrüßenswert, aber eben auch nur eine Momentaufnahme. Das Blatt kann sich auch schnell wieder wenden. Das haben wir über die letzten Monate schmerzlich erleben müssen. Wir erlebten nach so vielen Jahren tatsächlich wieder umfangreiche Grenzkontrollen bei der Ein- und Ausreise. Auch wenn wir nun wieder Lockerungen sehen, so war und ist diese Erfahrung natürlich eine Zäsur. Eine Grenze, die man sieht, manifestiert sich auch wieder in den Köpfen. An die Bilder werden wir uns auch in den nächsten Jahren noch erinnern. Wir müssen daher zusehen, dass wir hier weiter im engen Austausch mit der dänischen Regierung bleiben und weiterhin auf ein transparentes, eng abgestimmtes und möglichst einheitliches Vorgehen auf beiden Seiten der Grenze setzen. 

Wir haben die Lage in der Grenzregion durchgängig mit Argusaugen verfolgt und stehen in ständigem Kontakt mit zahlreichen Familien und betroffenen Minderheitenangehörigen; das liegt ja in der Natur der Sache. Dies läuft alles im Hintergrund und wir versuchen dort unser Möglichstes, in dieser anhaltend angespannten Situation zu informieren, zu trösten und zu helfen. Und an dieser Stelle können wir vom SSW mal ein aufrichtiges Lob aussprechen: Die Landesregierung und insbesondere der Ministerpräsident haben sich gerade auch in den letzten Wochen verstärkt um Gespräche mit der dänischen Regierung bemüht und für Erleichterungen und ein gemeinsames Vorgehen im Grenzland geworben. Dies erkennen wir an und freuen uns, wenn diese Proaktivität anhalten mag.

In unserem vorliegenden, umfangreichen Antrag halten wir also fest, was inzwischen recht gut läuft, bringen aber auch Vorschläge für eine noch intensivere Zusammenarbeit zum Vorteil beider Länder und der gesamten Grenzregion ein. Gerade jetzt sind praxiserprobte Akteure und Institutionen aus der Region mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen gefragt und sollten am weiteren Pandemie-Management mitwirken. Diese wissen doch am besten, was vor Ort notwendig und machbar ist. Und genau diese Orts- und Regionalkenntnis wäre doch auch klug eingebracht und genutzt, wenn die deutschen und dänischen Gesundheitsbehörden und Krankenhäuser in der Grenzregion noch enger und koordinierter über die Grenze hinweg zusammenarbeiten würden. Noch stehen dem oftmals unterschiedliche Organisationsstrukturen und verstreute Verantwortlichkeiten als Hindernis im Weg. Vielleicht können die Erfahrungen der Pandemie hier weiteren Anschub für eine pragmatische Zusammenarbeit leisten.

Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal den zweiten Punkt, die Kulturarbeit: In dieser Hinsicht sind die Minderheiten nämlich ganz dramatisch von der Pandemie betroffen – und zwar nicht nur in Form von wirtschaftlichen Ängsten, sondern auch im Ausdruck ihrer kulturellen Identität. Ich möchte hier explizit die grenzüberschreitende Kulturarbeit sowohl der dänischen und der friesischen Minderheit als auch der Sinti und Roma nennen. Hier braucht es dringend Unterstützung. 

Insgesamt lässt sich festhalten: Die Coronakrise ist noch nicht überstanden. Sie stellt eine erhebliche Belastung für uns alle, für das Land und unsere Grenzregion dar. Wir kommen test- und impftechnisch nur schleppend voran und der Frust wächst täglich. Die Menschen können langsam keine Durchhalteparolen mehr hören. Aber wir brauchen noch etwas Geduld und Disziplin, um das Abklingen der dritten Welle nicht zu gefährden. Wir müssen weiter achtsam und verantwortungsbewusst handeln. Nur dann können wir alle dauerhaft von den Öffnungen profitieren und uns einen Weg zurück zu einem normaleren Lebensalltag, wie wir ihn vor der Pandemie kannten, erkämpfen. Die Politik wird deshalb weiterhin die Maßnahmen auf den Weg bringen und die Mittel einsetzen, die nötig sind, um die finanziellen wie sozialen Folgekosten der Corona-Krise so weit wie möglich abzumildern. 

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