Rede · 25.04.2012 Gesetz zur Lehrerbildung
Es gehört zu den Geburtsfehlern der Schulreform 2007, dass nicht zeitgleich eine Reform der Lehrerbildung in Angriff genommen wurde. Vieles hätte dann heute anders ausgesehen. Fakt ist aber, dass es für die schwarz-gelbe Koalition viel zu einfach war, das gegliederte Schulsystem durch die Hintertür wieder einzuführen. Statt den Schulfrieden 2007 als Chance zu sehen, hat das Bildungsministerium nach 2009 dauernd umgesteuert - oder, sagen wir es genau: das Steuer verrissen. Die Lehrerbildung läuft nämlich bis heute so, als hätte es nie Veränderungen gegeben: In Flensburg werden immer noch Realschullehrer ausgebildet, und das ist ungefähr so zukunftsweisend wie die Forderung, die Sütterlin- Schrift wieder einzuführen.
Doch nun soll alles besser werden. Die Landesregierung hat in letzter Minute die Kurve gekriegt und Ende März beschlossen, dass es ab dem Wintersemester 2013/2014 an der Uni Flensburg erstmals ein neues Lehramt für Regional- und Gemeinschaftsschulen und ein eigenständiges Lehramt für Grundschulen geben soll. Brauchen wir da noch ein eigenständiges Lehrerbildungsgesetz, könnte man fragen. Denn so etwas haben wir in Schleswig-Holstein bisher nicht gehabt. Bis heute tragen und gestalten Studien- und Prüfungsordnungen der Universitäten die Lehrerbildung und eben kein demokratisch geformtes Gesetz. Anders herum stellt ein Lehrerbildungsgesetz ein Stück Transparenz dar, und das begrüßen wir ausdrücklich. Daran hat sich seit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von Bündnis 90/ Die Grünen im März 2010 nichts geändert. Neu sind hingegen einige inhaltliche Änderungen im Gesetz, womit die Bündnis-Grünen dem Konzept der Uni Flensburg zur Novellierung der Lehrerbildung Rechnung tragen, das auch die Grundlage für das Konzept der Landesregierung bildet. Der geänderte Gesetzentwurf ist ein Kompromissangebot für die Hochschulen, heißt es von den Grünen. Das sieht der SSW genauso.
Langfristig wird Schleswig-Holstein aber nicht um eine Stufenlehrerausbildung herumkommen, die unabhängig von der konkreten Schulart gestaltet werden muss. Zukünftig sollte es aus Sicht des SSW nur die Stufen Sekundarstufe I, mit der Möglichkeit, sich auf Grundschulen zu spezialisieren, und das Lehramt für die Sekundarstufe II geben. Wir brauchen diese Stufenlehrerausbildung. Denn damit wird nicht zuletzt zum Ausdruck gebracht, dass es beim Unterrichten nicht auf die Schulart ankommt, sondern auf die Binnendifferenzierung und die individuelle Förderung. Für uns steht mit anderen Worten fest, dass sich auch das Lehramt für Gymnasien langfristig verändern muss. Auch in diesem Bereich gilt es, das Studium zu erweitern - durch pädagogische Aspekte des gemeinsamen Lernens, durch Bewertung von Lernfortschritten und den Umgang mit Heterogenität.
Dort sind wir aber noch nicht – weder in Schleswig-Holstein noch in der Bundesrepublik insgesamt. Daher haben wir beschlossen, das Kompromissangebot der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen zu unterstützen. Das gilt im Einzelnen nicht für jeden Buchstaben des Gesetzentwurfs. Er schafft aber eine gute Grundlage für notwendige Veränderungen. Auch dem SSW ist wichtig, dass die Gemeinschaftslehrerausbildung nicht mit dem Mittleren Bildungsabschluss endet. Wir wollen, dass es auch an Gemeinschaftsschulen Kinder mit Gymnasialempfehlung gibt. Und das ist momentan nur machbar, wenn es an der Uni Flensburg künftig möglich sein wird, das Lehramt für Gemeinschaftsschulen um die Sekundarstufe II zu erweitern. Die Spezialisierung auf ein eigenständiges Lehramt für Grundschulen ist fachlich sicherlich sinnvoll. Es darf aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass es unter dem Strich eine Lehrerausbildung erster und zweiter Klasse gibt. Der fachwissenschaftliche Bezug muss sichergestellt sein, und mehr als alles andere gilt auch hier der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Eine weitere Baustelle bei der Lehrerbildung betrifft die Minderheitensprachen. Der Minister hat im Ausschuss mündlich über die Situation des Friesisch-Unterrichts referiert. Ich muss eingestehen, dass ich nach Erfahrungen in der Vergangenheit zutiefst beunruhigt bin, wenn der Bildungsminister erklärt, alles sei in Ordnung sei. Und die Fakten geben mir recht: der Europarat hat im Rahmen des Charta-Evaluation Schleswig-Holstein wegen der lückenhaften Unterrichtsversorgung für Friesisch gerügt. Des Weiteren ist die geringe Zahl neuer Friesisch-Lehrer, die Friesisch nur noch zusätzlich zu zwei anderen Fächern studieren können, in hohem Maße beunruhigend. Das Friesisch-Angebot im Sekundar-Bereich II ist so gut wie gar nicht vorhanden. Der vom SSW in seinem Antrag geforderte Ausbau des Angebotes ist also in Schleswig-Holstein überhaupt nicht zu erkennen, sondern das krasse Gegenteil. Hier gibt es also noch Hausaufgaben zu erledigen.
Die Kieler Nachrichten haben es letzte Woche auf den Punkt gebracht: Nie zuvor wurde so vehement der Schulfrieden eingefordert und dabei ist Schulfrieden so weit entfernt wie eh und je. Daher wiederhole ich gern, was ich in den Bildungsdebatten der letzten Monate of genug gesagt habe: Mit dem von CDU und SPD getragenen Schulgesetz von 2007 gab es eine echte Chance für einen Schulfrieden. Nicht, weil dieses Gesetz ohne Schwachstellen war – im Gegenteil – sondern, weil beide Fraktionen mit im Boot saßen und es alle Möglichkeiten gab, die damals angestoßene Schulreform laufend zu evaluieren und weiterzuentwickeln.
Daraus ist bekanntlich nichts geworden. In der CDU gewannen nach 2009 diejenigen wieder die Oberhand, die 2007 nur zähneknirschend dem Schulgesetz zugestimmt hatten. Alle anderen gaben klein bei oder ließen sich von der FDP über den Tisch ziehen. Denn Fakt ist auch, dass die FDP in Bildungsfragen so strukturkonservativ ist, wie es die CDU nie gewesen ist. Programmatisch gesehen sprach sich Ekkehard Klug immer wieder gegen „die Benachteiligung des Gymnasiums“ der Gemeinschaftsschule gegenüber aus – das wollte er von Anfang an ändern.
Wer also jetzt einen in Beton gegossenen Schulfrieden einfordert, spielt mit den Gefühlen von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schulkindern. Denn alle Schulkontroversen der letzten zwei Jahre sind der Regierungskoalition geschuldet. Sie hat handwerklich schlecht gearbeitet – bei der Erstellung von Erlassen und Verordnungen, und sie hat Schulträger und Kommunen gegen Schulkonferenzen ausgespielt. Hinzu kommt, dass mittlerweile völlig ausgeblendet wird, dass sich Kommunen im Ländlichen Raum überwiegend für das Modell der Gemeinschaftsschule entschieden haben – und zwar unabhängig von politischen Mehrheiten. Es ist daher fast wie ein Schlag ins Gesicht dieser kommunalen Schulträger, wenn fast triumphierend eine aktuelle Studie des Allensbacher Instituts herangezogen wird, wonach es in Schleswig-Holstein eine deutliche Mehrheit gegen die Einheitsschule gibt. Das ist ungemein beruhigend, denn wer will sie denn überhaupt? Keiner! Soll heißen: hier wird ideologische Polemik als Meinungsbild verschleiert, und das ist ein Skandal.
Zu den vorliegenden Anträgen daher nur den einen Satz: Wir werden dem Änderungsantrag der SPD zum Schulfrieden-Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen und uns bei dem Grünen Antrag der Stimme enthalten. Daraus ergibt sich auch unser Abstimmungsverhalten bei den Anträgen der Linken.