Rede · 16.09.2009 Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein sowie Anträge zur Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und Haushalt konsolidieren

Der Landtag hat im Frühjahr einstimmig beschlossen, gegen die Grundgesetzänderung zur Einführung einer Schuldenbremse für die Länder vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Obwohl der Beschluss deutlich machte, dass alle Fraktionen an einem Strang ziehen, um sich vom Bund nicht in das Budgetrecht des Parlaments eingreifen zu lassen, kippte die Große Koalition diesen Beschluss Ende Juni.
Unser Landtagspräsident brachte daraufhin im Alleingang einen Antrag mit dem Ziel ein, an der Verfassungsklage festzuhalten. Im gleichen Atemzug machte Herr Kayenburg mit einem zweiten Antrag deutlich, dass die Schuldenbremse in der schleswig-holsteinischen Verfassung verankert werden muss.

Es spricht für den schleswig-holsteinischen Landtag, dass es - trotz Wahlkampf-Getöse - in den zuständigen Ausschüssen gelungen ist, eine Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und SSW zu finden, die an dem einstimmigen Landtagsbeschluss zur Klage gegen die Schuldenregelung des Bundes festhält. Insgesamt hat sich der Landtag aber nicht mit Ruhm bekleckert!
Es ist aus meiner Sicht unwürdig, dass die Große Koalition nicht imstande war, zwischen Koalitionsinteressen und Parlamentsinteressen zu unterscheiden. Niemandem ist verständlich zu machen, dass die politischen Aussagen von CDU und SPD im Landtag auf einmal nichts mehr Wert waren und derart respektlos mit einem Parlamentsbeschluss umgegangen wurde. Dass sich die SPD von einem Saulus in einen Paulus verwandelt hat, begrüßt der SSW im Interesse der Sache. Die Kuriosität dieser Gemengelage und ein leicht fader Nachgeschmack bleiben jedoch erhalten.

Für den SSW steht fest, dass die Schuldenbremse in unsere Haushaltshoheit eingreift und unsere Landesouveränität verletzt. Das dürfen wir nicht zulassen! Der Bund kann für den Bundeshaushalt allein entscheiden und genauso müssen die Länder über ihren Landeshaushalt allein entscheiden können. Allerdings hat der Landtag in einem Bund-Länder-Streit nicht die Antragsbefugnis, so dass die Landesregierung die Klage erheben muss. Hier gilt also in besonderem Maße, dass die Landesregierung sich nicht gegen einen Landtagsbeschluss wenden darf.

Fest steht für den SSW aber auch, dass die Einführung einer Schuldenbremse notwendig und richtig ist. Wenn wir nicht auf Kosten kommender Generationen leben wollen, dann müssen wir mit aller Kraft ausgeglichene Haushalte anstreben. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich möchte jedoch davor warnen, die rigorose Schuldenbremse des Bundes in unsere Verfassung zu übernehmen. Die bisherigen Vorgaben können wir nicht von heute auf morgen erfüllen.

Bisher gibt es keine Berechnungen oder Konzepte, wie eine Schuldenbremse realisiert werden soll. Klar ist nur, dass ein derzeitiges strukturelles Defizit von jährlich mindestens 600 Millionen Euro mit 80 Millionen Euro Konsolidierungshilfe vom Bund nicht abgebaut werden kann. Das Geld reicht vorne und hinten nicht und wird wohl noch nicht mal als Tropfen auf den heißen Stein zu merken sein. Außerdem ist klar, dass es so gut wie unmöglich sein wird, den Schuldenberg von 23 Milliarden Euro in den nächsten Jahren abzubauen. Der SSW plädiert daher noch einmal eindringlich dafür, dass Schleswig-Holstein verstärkte Bundeshilfen erhält und die Idee des Altschuldenfonds noch einmal aufgenommen wird. Durch eigene Anstrengung allein werden wir uns bis 2020 nicht aus diesem Sumpf ziehen können. Und wir können dies auch nicht von heute auf morgen schaffen, wenn wir uns ein finanzpolitisches Korsett anziehen lassen, für das es keinen ausgeglichenen Haushalt als Grundlage oder eine Berücksichtigung der Altschulden des Landes gibt. So können wir nur erdrosselt werden.

Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung des federführenden Innen- und Rechtsausschusses wird deutlich, dass es eine Mehrheit für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung gibt. Allerdings geht es hier um einen Grundsatzbeschluss, der erst in der nächsten Legislaturperiode wirksam wird. Der SSW lehnt es daher ab, schon heute über konkrete Vorgaben oder Konzepte zu reden - klar ist aber auch, dass genau hier in der nächsten Legislaturperiode angesetzt werden muss. Wir müssen wissen, wie eine Schuldenbremse umgesetzt werden kann, welche Auswirkungen sie auf den Landeshaushalt – und damit auf die Zukunftschancen unseres Landes hat.

Aus Sicht des SSW können wir dieses Land nicht gesund sparen. Es gibt in unserer Verfassung bereits Schuldenregelungen, die eine Schuldenaufnahme im Haushalt nur zulassen, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. Und wozu hat diese Schuldenregelung geführt? Sie hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren wiederholt Haushalte beschlossen wurden, die nicht verfassungskonform waren und so die Schulden dieses Landes immer mehr in die Höhe getrieben wurden.

Was ich Ihnen damit deutlich machen möchte, ist, dass eine Schuldenbremse nicht die Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung ist. Wir brauchen vor allem eine vernünftige und nachhaltige Realisierung der Schuldenbremse und einen konjunkturellen Aufschwung, in dessen Zuge mehr Steuereinnahmen auch zur Konsolidierung des Landeshaushalts genutzt werden.
Aus Sicht des SSW ist klar, dass die Realisierung einer Schuldenbremse ein riesiger Kraftakt für dieses Land wird. Nicht nur, dass Personaleinsparungen durchgeführt werden müssen, auch die Reduzierung von Verwaltungsaufgaben und die Prüfung der Förderprogramme müssen zu weiteren Einsparungen führen. Hierbei nützt es gar nichts, einfach nur die rein statistische Zahl von 4800 in den Raum zu werfen. Der SSW fordert daher ein Konzept, wie die Landesverwaltung künftig aussehen soll. Es muss geklärt werden, wo Doppelzuständigkeiten vorhanden sind und wo Stellen abgebaut werden können, ohne dass Bereiche wegfallen. Fest steht für den SSW außerdem, dass nicht bei den Schwächsten des Landes gespart werden darf. Dies ist volkswirtschaftlich kontraproduktiv - wir müssten für die Folgen gleich doppelt und dreifach zahlen.

Der SSW begrüßt ganz ausdrücklich, dass unsere Forderung nach einem Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse in die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses aufgenommen wurde. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat in einer beeindruckenden Stellungnahme beispielhaft vorgerechnet, dass der Teufel im Detail liegt und welche Schwierigkeiten bei der Realisierung einer Schuldenbremse auf das Land zukommen werden. Und hierbei geht es nicht nur darum, dass die restriktive Gestaltung der Haushaltspolitik zu einer finanziellen Abwärtsspirale führen kann. Hierbei geht es vor allem um die rein praktische Umsetzung einer Schuldenbremse und die technisch-mathematische Vorgehensweise. Und auch der Landesrechnungshof hebt in seiner Stellungnahme noch einmal hervor, dass noch vieles konkretisiert und präzisiert werden muss.

Trotzdem ist es gut und richtig, dass wir heute die Schuldenbremse in unserer Landesverfassung beschließen und uns dann damit auseinandersetzen, wie wir den schleswig-holsteinischen Haushalt konsolidieren können, ohne dass Bildung, Kinderbetreuung, Polizei oder Justiz dafür herhalten müssen.

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