Rede · 19.02.2003 Große Anfrage zur Forschung
TOP 32 Ausbau und Neubau von Hochschulen (Drs. 15/3206)
Es ist ja nicht das erste Mal, das wir uns im Landtag mit den Eckpunkten schleswig-holsteinischer Forschungspolitik beschäftigen. Die Große Anfrage der Grünen Fraktion gibt uns aber erstmals die Gelegenheit, die Anstrengungen, die die Landesregierung in Sachen Forschung unternimmt, genau unter die Lupe zu nehmen. Auf 85 Seiten listet die Landesregierung eine beeindruckende Bilanz ihrer Forschungs- und Universitätspolitik auf. Alle Zahlen sind ebenso aktuell wie die Strukturbeschreibungen der hiesigen Forschungslandschaft.
Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass die Große Anfrage mehr ist als eine reine Fleißarbeit, sondern ein Kompendium dessen, was in Schleswig-Holstein geforscht wird. Dabei werden auch Bezüge zum Rest deutscher Forschung hergestellt; etwas, was meiner Meinung nach unerlässlich ist. Denn, wer glaubt, schleswig-holsteinische Forschung isoliert betrachten zu können, verschließt die Augen vor den Tatsachen. Forschung etabliert sich dort, wo die besten Bedingungen herrschen. Und wenn die besten Ausstattungen, die optimale Drittmittelfinanzierung und das qualifizierteste Personal auf einer einsamen Insel liegen, kann es doch ein attraktiver Forschungsstandort sein.
Und da bin ich mitten in der Kritik der Forschungspolitik. Bei allem Engagement der Landesregierung ist unverkennbar, dass sie ihre Forschungspolitik vor allem an wirtschaftlich sehr erfolgreichen Standorten konzentriert. Forschungspolitik ist für die Landesregierung kein integraler Bestandteil regionaler Wirtschaftspolitik. Die Landesregierung schreibt zwar, dass Forschungs- und Technologiepolitik maßgebliche Bestandteile der zukunftgerichteten Strukturpolitik des Landes sind, so zu lesen auf Seite 2 der Antwort. Aber die aufgelisteten Standorte lassen nur einen Schluss zu: Forschung hört geografisch kurz hinter Kiel auf. Davon, Forschung für die Verbesserung der regionalen Rahmenbedingungen einzusetzen, so in der Antwort auf Seite 31, kann also keine Rede sein.
Dabei ist doch wohl unbestritten, dass Forschung in einer Region beschäftigungspolitische Auswirkungen haben kann. Ich würde sogar sagen, dass es in den allermeisten Fällen genau das ist, worauf es bei Forschung ankommt. Wirtschaftspolitische Impulse beruhen nun einmal auf der Unverwechselbarkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung. Auch kleine und mittlere Firmen können sich nur dann auf dem Markt behaupten, wenn sie immer am Ball bleiben. Dazu brauchen sie Forschung. Forschung gehört also gerade in wirtschaftsschwachen Regionen zum absoluten Muss.
Es wird hier niemanden wundern, dass ich die Große Anfrage nach Standorten im Landesteil Schleswig durchforscht habe. Und ich wurde nur in punkto List auf Sylt und Flensburg fündig. Natürlich bin ich nicht blauäugig mir war von vornherein klar, dass sich Forschung vorwiegend in und an den Universitäten und Fachhochschulen abspielt. Die Landesregierung hat bereits im letzten Frühling in ihrem Bericht über die Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein eindeutig festgestellt, dass das Fundament des schleswig-holsteinischen Forschungssystems die Hochschulen des Landes sind. Und wir haben im Landesteil nun einmal nur eine Universität und eine Fachhochschule und beide befinden sich auf dem Flensburger Sandberg.
In Flensburg gibt es hervorragende Beispiele dafür, wie Forschungsergebnisse erfolgreich in der betrieblichen Praxis Anwendung finden. Nicht nur viele Diplomarbeiten an der Fachhochschule sind Ergebnisse intensiver Vernetzung wissenschaftlicher und betrieblicher Arbeit, sondern auch einzelne Betriebe in der Region fußen auf Forschungsarbeiten an Uni oder FH. Beide Hochschulen erweisen sich als Gründungsmotor für die Region. Im Flensburger Technologiezentrum finden sich viele Neugründungen ehemaliger Flensburger Studenten. Damit schafft die Forschung dauerhafte und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze.
Diese Effekte wären auch über Flensburg hinaus für den restlichen Landesteil notwendig. Ich hätte mir daher gewünscht, dass sich die Große Anfrage auch mit beschäftigungs- und regionalpolitischen Effekten der Forschung auseinandergesetzt hätte. Eines möchte ich aber klarstellen: Forschung ist beileibe nicht nur auf die Anwendung beschränkt. Diese Nutzenerwartung teile ich überhaupt nicht! Forschung soll vorrangig gesellschaftliches Wissen erweitern und sich erst in zweiter Linie in bare Münze auszahlen. Aber ich rede hier auch nicht denjenigen das Wort, die sich am liebsten auf ihren Elfenbeinturm zurückziehen möchten. Erst wenn aus Forschung Innovationen erwachsen, kann man damit rechnen, Geld mit Forschungsergebnissen zu verdienen. Die Zeitspannen sind dabei teilweise sehr lang. Aber ich denke, dass sich das Warten lohnt.
Ich möchte nicht im Nachhinein neue Punkte aufwerfen, aber doch einige offene Fragen ansprechen. Dazu gehört das, was der Wirtschaftsminister in seinem Bericht über die UMTS-Technologie schon vor zwei Jahren angesprochen hat (Drs. 15/1823). Der SSW teilt seine Auffassung, dass wir in Schleswig-Holstein Expertise an bestimmten Standorten bündeln müssen. Neudeutsch ist das ja inzwischen als Cluster bekannt. Nicht einsames Vor-sich-hin-forschen an vielen kleinen Standorten, sondern Bündelung und Vernetzung der Forschungsaktivitäten an einer Stelle.
Minister Rohwer sagt das ja nicht erst, seitdem die Region Flensburg sich auf den Rückfluss der Motorola-Fördermittel einstellt. Flensburg bietet sich spätestens mit der Ansiedlung von Motorola als Standort für Forschungsprojekte im Bereich der Telekommunikation geradezu an. Das Projekt PersonalMessaging hat gezeigt, wie ein lokaler Verbund das technologiepolitische Profil des Standortes stärkt. Und das Schöne dabei ist, dass nicht nur die Region um Flensburg davon profitiert, indem Fachkräfte angeworben werden können und neue Produkte und Nutzungsmöglichkeiten entwickelt werden, sondern dass das einmal entwickelte Know-how den Standort Schleswig-Holstein an sich attraktiver macht. Forschungsförderung ist nämlich qualitativ etwas völlig anderes als die Ausweisung von Gewerbegebieten, wo sich teilweise sogar Nachbarkommunen ins Gehege kommen. In der Forschungspolitik kommt es, wie gesagt, auf eine langfristige Perspektive an. Das sind meiner Meinung die Cluster.
Soll heißen, dass aus den Worten von der Cluster-Bildung im Landesteil Schleswig nun auch Taten folgen müssen. Die Landesregierung verweist in der Antwort auf die Große Anfrage auf die Initiative der Hochschulen in Heide, Kiel und Flensburg zur Bildung eines Kompetenzzentrums Offshore-Windenergie. Gut und schön. Diese Initiative weist in die richtige Richtung, ist doch die Windenergie beispielsweise in Husum ein nicht mehr wegzudenkender Wirtschaftsfaktor. Ich möchte hier noch einmal das sagen, was wir schon im Januar zum Regionalprogramm gefordert haben ich bin davon überzeugt: Wir brauchen ein Cluster zur Erforschung der Nutzung alternativer Energien an der Westküste.
Rechtfertigen kann man Forschungs-Ausgaben nur, wenn ihre Effektivität außer Frage gestellt ist. Das geschieht durch regelmäßige Evaluation. Es sollte kein Cent in Projekte fließen, die lediglich das Rad zum zweiten Mal erfinden. Ich bin davon überzeugt, dass die Kontrolle der Forschungsförderung noch verbesserungsfähig ist. Allein die große Zahl von Instrumenten erschwert eine effektive Kontrolle. Als Beleg möchte ich hier anführen: Bereits auf den ersten beiden Seiten der Antwort nennt die Landesregierung acht verschiedene Programme und Instrumente, die in der Forschungspolitik Schleswig-Holstein zum Einsatz kommen. Das ist zu viel. Um nicht missverstanden zu wenden: ich fordere hier weder einen riesigen bürokratischen Apparat noch einen Verwaltungs-Wasserkopf. Beides erstickt übrigens Forschungsaktivitäten im Keim. Aber ich finde es lohnenswert, über die Bündelung in diesem Politikfeld nachzudenken.
Abschließend möchte ich auf die aktuelle Diskussion eingehen: Spitzenforschung und Eliteförderung. Die Große Anfrage ist auch hier neugierig; die Landesregierung greift aber in ihrer Antwort auf die Frage 43 eher auf Bewährtes zurück und verweist auf die Forschungsförderung der deutschen Forschungsgemeinschaft und den Kriterien des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises. Da ist die Landesregierung von den Vorschlägen ihrer eigenen Bundesregierung wohl etwas eingeholt worden.
Spitzenforschung muss sein. Von Gleichmacherei in unseren Forschungsinstituten hat niemand etwas. Wer viel leistet, der muss entsprechend honoriert werden. Ich bin sehr froh, dass sich die Universitäten über Wissensschwerpunkte auf einer freiwilliger Basis einigen konnten. So haben sie den Weg frei gemacht für neue und dauerhafte Strukturen. Wer Entwicklungsmöglichkeiten für einen Standort aufzeigen kann, und das kann Schleswig-Holstein inzwischen, ermöglicht eine engagierte Forschung, weil das Personal sich nicht ständig nach beruflichen Alternativen umsehen muss. Auch für Drittmittelgeber übrigens ein wichtiges Argument. Hier sind die Weichen also richtig gestellt.
Dennoch hat die Landesregierung noch eine Menge Hausaufgaben auf dem Tisch liegen. Nicht nur die eindeutig geschlechterpolitische Schieflage in unseren Forschungseinrichtungen bedarf der dauerhaften Korrektur, sondern auch das regionalpolitische Ungleichgewicht.