Rede · 19.02.1997 Haushalt 1997 - 2. Lesung

„Es ist mit dem Geld, wie mit dem Mist. Es bringt keine Freude, wenn es nicht verteilt wird.“ Diese Weisheit des englischen Philosophen Francis Bacon aus dem 16. Jahrhundert trifft sehr gut auf unsere heutige Situation zu. Die öffentlichen Haushalte in Deutschland stehen alle vor der Herausforderung trotz großer Haushaltsprobleme so viel Geld wie möglich unter die Leute zu bringen, damit nicht alle Aktivitäten und gewachsenen Strukturen zerstört werden. Das gilt auch für diesen Landeshaushalt.

Damit ist nicht gemeint, daß jede Gruppe oder jede Klientel nach dem Gieskannenprinzip durch den Landeshaushalt gleichermaßen bedient werden sollte. Vielmehr muß die gesellschaftspolitische Verantwortung der Landesregierung für die Zukunft aller Bürger im Haushalt zum Ausdruck kommen. Für den SSW heißt das, daß vor allem die Bereiche Bildung, Jugend und Soziales nicht völlig dem Diktat der knappen Kassen untergeordnet werden dürfen. Aber auch in der Umwelt- und Energiepolitik sollte der Haushalt weiterhin Reformwillen ausdrücken. Zugegeben - ein sehr schwieriges Unterfangen bei der angespannten Haushaltslage.
Der für die Zukunft des Landes so wichtige Balanceakt zwischen notwendigen Zukunftsinvestitionen und Reformen auf der einen Seite und dem Sparzwang aufgrund der weiter anwachsenden Schulden auf der anderen Seite war für die Landesregierung dieses Jahr ein besonders schwerer Kraftakt. Zu dramatisch waren die Steuerausfälle, die im Verlauf der Haushaltsberatungen auftraten.

Das Ergebnis ist dementsprechend mager ausgefallen. Die Investitionen fallen, die Schulden steigen trotzdem bis an die Grenze des zulässigen. Das Tafelsilber des Landes wird für kurzfristiges Löcherstopfen verbraucht. Viele Zuschüsse an Organisationen und Institutionen im Lande sind gekürzt worden. So richtig glücklich kann man mit diesem Haushalt nicht werden.

Um den vorgelegten Landeshaushalt fair zu beurteilen, muß man aber auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland eingehen. Die finanziellen Probleme des Landes sind nur zum Teil hausgemacht. Die Landesregierung hat nur zu einem Fünftel bis Siebtel die Kontrolle über die Ausgaben des Landes. Und die Einnahmen sind sehr davon abhängig, welche Steuer- und Finanzpolitik im Bund geführt wird. Nach Auffassung des SSW sind die Probleme des Landes Teil der generellen Strukturkrise der öffentlichen Hand.

Diese hat viele Ursachen. Außer einer verfehlten Steuerpolitik, wie beispielsweise der Abschaffung der Vermögenssteuer, ist besonders die steigende Arbeitslosigkeit das alles überragende Problem unserer Gesellschaft. Im Januar 1997 wurden in Deutschland die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1933 registriert. Diese Rekordarbeitslosigkeit ist eine Schande für die sogenannte soziale Marktwirtschaft und hat fatale Wirkungen auf die Finanzkraft von Bund, Ländern und Kommunen. Die Folgen der Arbeitslosigkeit bekommen wir durch weitere Steuermindereinnahmen und höhere Ausgaben für die öffentlichen Kassen schmerzlich zu spüren.
Ob man es nun Bündnis für Arbeit, konzertierte Aktion oder runder Tisch nennt: Wir müssen endlich parteiübergreifend neue Wege und Strategien zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit finden. Die positiven Erfahrungen beispielsweise in Holland und Dänemark zeigen, daß man viel weiter kommt, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen an einem Strang ziehen. Wieso ist das in Deutschland nicht möglich? Ein dänischer Finanzminister hat einmal in den 70´er Jahren über Dänemarks Situation gesagt: "Wir stehen vor dem Abgrund". Ich finde, diese Beschreibung ist heute leider sehr bezeichnend für den Zustand dieser Republik. Die führenden Kräfte in Deutschland müssen endlich zusammen finden, um die großen Probleme zu lösen.

Es hilft keinem, wenn der Bundesfinanzminister mit immer neuen Sparmaßnahmen verzweifelt versucht, die Kriterien für die kommende Währungsunion einzuhalten. Dieser Spagat, der sich dämpfend auf die Konjunktur auswirkt, kann nicht gelingen. Nicht mal die Wirtschaft glaubt daran. Auch der Chef der Deutschen Bank, Herr Kopper sagt „Waigel spare Investitionen, Wirtschaft und Arbeitsplätze kaputt“. Sogar der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft schlägt vor, die Währungsunion bis auf weiteres zu verschieben. Dieser Meinung schließen wir uns an. Der SSW setzt sich schon seit langem dafür ein, daß das Sparen für Maastricht ein Ende haben muß.

Vor diesem Hintergrund beurteilt der SSW es als positiv, daß die Landesregierung einen Haushalt vorgelegt hat, der versucht, den sozialen und ökologischen Kahlschlag in Schleswig-Holstein entgegenzuwirken. Es ist zwar bedauerlich, daß die Mittel für aktive Arbeitsmaßnahmen hier in Schleswig-Holstein durch die Nachschiebeliste gekürzt worden sind. Trotzdem gibt die Landesregierung in diesem Jahr immer noch mehr Geld aus für das Programm „Arbeit in Schleswig-Holstein" als im Jahr 1996. Nur eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die den Arbeitslosen durch Weiterbildung und Umschulung wieder die Möglichkeit gibt, sich für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren, ist eine zukunftsweisende Politik und findet die Unterstützung des SSW.
„Wissen ist Macht“ - das gilt nicht erst seitdem die sogenannte Globalisierung der Weltwirtschaft eingesetzt hat. Aber in Zukunft wird es für die westlichen Industrieländer immer wichtiger werden, den Bildungsbereich verstärkt zu fördern, um den Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs gerecht zu werden. Leider ist der Bildungsbereich nur teilweise von den Sparmaßnahmen der Landesregierung ausgenommen worden. Wir begrüßen dabei, daß die Nachschiebeliste der Landesregierung und der Änderungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN nochmal eine Erhöhung der Mittel für den Hochschulbereich zur Folge hatte.

Dabei sollte aber allen klar sein: Die Hochschulen in Deutschland bedürfen grundlegender Strukturänderungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Von daher sollten die vorgeschlagenen Einsparungen zum Anlaß genommen werden, um Änderungen im Hochschulbereich durchzuführen: In der Organisation, im Unterricht, in der Forschung, bei den Einnahmequellen und im Personalbereich - überall sollten die Hochschulen versuchen neue Wege zu gehen, um das Niveau der Lehre und der Forschung zu verbessern.

Der SSW unterstützt die Landesregierung in ihren Bestrebungen, die Hochschulen des Landes zu reformieren. Wir sind aber nicht besonders glücklich über die Höhe der vorgeschlagenen Kürzungen. Besonders die BU Flensburg ist nach Meinung des SSW insofern hart von den Kürzungen getroffen, weil sie als jüngste Universität des Landes noch nicht auf soliden Füssen steht. Auch für die BU Flensburg sind in der Nachschiebeliste Verbesserungen vorgenommen worden und der Start des Berufschullehrerstudienganges ist nun gesichert worden. Allerdings können die bisher unzureichenden Arbeits- und Studienbedingungen nur durch einen weiteren Ausbau verbessert werden.

Auch im Schulbereich steht das Land angesichts der steigenden Schülerzahlen vor großen Herausforderungen. Es ist daher ein positives Zeichen, daß im Haushalt 1997 neue Lehrerstellen ausgewiesen sind. Um die Probleme im Schulbereich längerfristig zu lösen, müssen wir hier ebenfalls neue Ansätze und Ideen finden. Arbeitszeitkonten für Lehrerinnen und Lehrer oder flexiblere Arbeitsbedingungen bei der Anstellung von Angestellten sind hier Stichworte. Bei der Lösung der Probleme der Schule müssen die betroffenen Eltern, Lehrer und Schüler in die Diskussion miteinbezogen werden. Das gilt besonders für das Projekt KLAUS. Ich denke hier gibt es noch Änderungsbedarf und die Landesregierung sollte die geäußerte Kritik ernst nehmen.

Für den Landesteil Schleswig begrüßen wir, daß die Mittel für das Regionalprogramm nicht weiter gekürzt worden sind. Die neuesten Arbeitslosenzahlen sind für unseren Landesteil weiter niederschmetternd. Die Stadt Flensburg und der Kreis Nordfriesland gehören mit Arbeitslosenquoten von über 17% bzw. 15% zu den am stärktsten belasteten Regionen im Land. Auch bei den Neuansiedlungen der Unternehmen schnitt der Norden 1996 am schlechtesten ab. Der Bedarf an Investitionen zum Abbau der Strukturschwäche ist weiter vorhanden. Dabei bedarf die Verbesserung der Bestandspflege und Bestandsweiterentwicklung der Unternehmen im Landesteil Schleswig der besonderen Förderung.

Wenn nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Schleswig-Holstein sparen müssen, kann die dänische Minderheit nicht völlig ausgenommen werden. Das nimmt der SSW zur Kenntnis. Wir haben uns auch mit unseren Anträgen sehr zurück gehalten. Wir sind allerdings weiterhin der Meinung, daß die finanzielle Gleichstellung der Minderheit noch nicht erreicht ist. Deshalb können wir unter keinen Umständen überdurchschnittliche Kürzungen für unsere Vereine und Institutionen akzeptieren. Daher begrüßen wir, daß die Regierungsfraktionen zumindest teilweise unserem Änderungsantrag betreffend der dänischen Landwirtschaftsvereine zugestimmt haben.

Die von CDU und F.D.P. vorgelegten Änderungsvorschläge haben es dem SSW, trotz einiger Bedenken, leicht gemacht, dem Haushaltsentwurf der Landesregierung zuzustimmen. Die Alternative von CDU und F.D.P. war für uns nicht akzeptabel. In einigen Bereichen haben die beiden Parteien zwar Vorschläge gemacht, die auch der SSW unterstützen kann. Ich denke hier beispielsweise an die Erhöhung der Werftenhilfe oder an die Zuschüsse im Hochschulbereich.

Doch die vorgeschlagene Finanzierung dieser Vorschläge lehnt der SSW ab. Zum einen ist diese sehr kurzfristig angelegt, wie bei der vorgeschlagenen Umwandlung von Angestelltenstellen in Beamtenstellen oder die Abschaffung des Pensionsfond. Zum anderen sind die Vorschläge sozial und ökologisch unverantwortlich, wie beispielsweise bei der vorgeschlagenen Abschaffung der Stelle der Bürgerbeauftragten oder der Abschaffung der Abfallabgabe und der Landeswasserabgabe. Völlig unsozial wird es, wenn die Langzeitstudenten die Kürzungen in der Hochschule ausgleichen sollen, wie von der F.D.P. vorgeschlagen.

Insgesamt wird der SSW die Änderungsvorschläge von CDU und F.D.P. deshalb ablehnen, wobei wir aber im Einzelfall einigen guten Ansätzen zustimmen können. Trotz aller Bedenken wird der SSW dem Haushalt für 1997 mittragen - ganz nach dänischer parlamentarischer Tradition. Insgesamt sind wir der Meinung, daß die Landesregierung mit dem vorgelegten Haushalt unter Berücksichtigung der schlechten Rahmenbedingungen noch das Mögliche für das Land herausgeholt hat.

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