Rede · 26.08.2020 Home-Office fördern statt bestrafen
„Es kann nicht angehen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Home-Office wechseln und auf den Mehrkosten sitzen bleiben.“
Lars Harms zu TOP 42 + 43 - Home-Office steuerlich berücksichtigen + Arbeitsstättenverordnung an neue Formen des mobilen Arbeitens anpassen (Drs. 19/2327; 2328)
In der Corona-Krise war plötzlich etwas möglich, was zuvor in unserem Arbeitsalltag eher als Ausnahmefall galt: Das Arbeiten von zu Hause aus. Home-Office statt Büro – inzwischen gehört dies für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den verschiedensten Branchen zur neuen Realität.
Dabei musste dieser Tapetenwechsel in den allermeisten Fällen ziemlich kurzfristig organisiert werden. Und da die wenigsten in den eigenen vier Wänden ein voll ausgestattetes Arbeitszimmer übrig haben, gibt es die verschiedensten kreativen Improvisationslösungen: Manch ein Arbeitnehmer sitzt am Schreibtisch im Durchgangszimmer oder in der Wohnzimmerecke, andere haben sich mit ihrem Laptop am Küchentisch eingerichtet.
Viele Angestellte haben sich trotz der chaotischen Anfangszeit allergrößte Mühe gegeben, ihr Zuhause so einzurichten, wie sie es in ihrem Berufsalltag brauchen: So telefoniert man mit dem privaten Smartphone statt mit dem Diensttelefon, der Internetzugang funktioniert über den heimischen WLAN-Anschluss und für die Versorgung über den Tag nutzt man die eigenen Ressourcen in Küche und Badezimmer.
Inzwischen sind einige Monate vergangen, seitdem dieses Arbeitsmodell improvisatorisch läuft. Und es ist jetzt schon ersichtlich, dass der Trend anhalten wird. Die Erfahrungen mit dem Home-Office – so ist es nach Auswertung verschiedener repräsentativer Studien bundesweit in den Medien zu lesen – sind insgesamt positiv.
Eine Frage, die sich daher viele aktuell stellen, lautet: Kann ich die Kosten für meine Aufwendungen im Home-Office eigentlich von der Steuer absetzen? Die derzeitige Gesetzesgrundlage dazu lautet: Es kommt darauf an – denn das aktuelle Steuerrecht beharrt auf der strikten Trennung von Privat- und Berufsleben. In der Corona-Pandemie sind diese Trennlinien im Arbeitsalltag jedoch stark verschwommen. Nach Auffassung des SSW sollte den betroffenen Arbeitnehmern daraus nun kein Nachteil entstehen, sondern im Gegenteil: Das Steuerrecht gehört an die neu entstehenden Arbeitsmodelle angepasst.
Aus dieser Ausgangssituation heraus haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht. Ein Arbeitnehmer, der in seinem Zuhause einen Arbeitsplatz einrichtet, muss diesen finanziert bekommen. In einem „normalen“ Berufsalltag trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Ausstattung und die täglichen Betriebskosten, die nun einmal so anfallen, wie die Kosten für die Miete des Bürogebäudes, Strom und Internet oder auch die sanitären Anlagen. Nutzt ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitsplatz nun seine eigenen Ressourcen, so muss er diese auch konsequenterweise endlich umfassend steuerlich absetzen können.
Insgesamt ist uns doch allen klar: Home-Office, mobiles Arbeiten und generell flexiblere Arbeitsmodelle werden aus dem Arbeitsalltag gewisser Branchen und Tätigkeitsfelder nicht wieder verschwinden, sondern stetig wichtiger und letztendlich womöglich der präferierte Standard werden – sofern der Corona-Digitalisierungsschub anhält, wie es ja wünschenswert ist.
Die Ansteckungsgefahr ist niedriger, die Arbeitnehmer genießen die wegfallenden Arbeitswege – was nebenbei auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes zu begrüßen ist – und viele Familien können gemeinsame Mittagspausen verbringen. Arbeitgeber könnten künftig womöglich Büroraum und damit verbundene Betriebskosten einsparen, müssten aber sicherstellen, dass der Arbeits- und Datenschutz an die neuen Herausforderungen angepasst wird.
Gleichzeitig ist aber auch klar: Home-Office ist nicht für jeden und nicht immer das Richtige, Home-Office darf auch nicht zu einer Entgrenzung der Arbeit führen und – auf Dauer – wird Home-Office nur dann funktionieren, wenn die Menschen einen richtigen Arbeitsplatz nach arbeitsrechtlichen Vorschriften haben. Aber diesbezüglich stehen wir noch am Anfang und sollten erst einmal abwarten, wie sich das Arbeitsleben praktisch weiterentwickelt. Den Alternativantrag der SPD unterstützen wir vom Grundsatz her auch; dieser beinhaltet ja nun einen ganzen Regelungskatalog, daher können wir diesen gern noch weiter im Ausschuss diskutieren. Aber uns geht es nun darum, dass diejenigen, die während der letzten Monate kurzfristig, eigenverantwortlich und auf eigene Kosten ihren Arbeitsalltag komplett neuorganisiert haben, die finanzielle Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag.