Rede · 13.12.2007 Interkulturelle Bildung braucht mehr pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund


Aus Sicht des SSW wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag zweigeteilt hätten. Denn genau das ist er: ein Antrag mit zwei Forderungen: erstens der Forderung nach der Erhöhung des Anteils von Lehrkräften aus Einwandererfamilien, und zweitens der Forderung nach der Verankerung von interkultureller Bildung an allen Schulen. Beide Forderungen unterstützt der SSW nachdrücklich,  beides sollte aber keinesfalls miteinander verkoppelt werden.

Zum ersten Punkt: der statistischen Unterrepräsentanz von Migrantinnen und Migranten als Lehrkräfte in öffentlichen Schulen. Die PISA-Studie hat eindringlich die Nachteile aufgezeigt, die Kinder aus Migrantenfamilien  in der Schule haben: sie stellen überdurchschnittlich viele Schulabbrecher und ihr Anteil an den Abiturienten entspricht bei weitem nicht ihrem Bevölkerungsanteil. Diese Benachteiligung setzt sich im Studium fort. Nur 3,3 Prozent der Studenten an deutschen Hochschulen sind so genannte Bildungsinländer - also Menschen, die in Deutschland das Abitur gemacht haben, aber keine deutschen Staatsbürger sind.

Noch weniger Bildungsinländer streben das Lehramt an, gerade jeder fünfzigste angehende Lehrer ist laut „Spiegel“ ein Bildungsinländer. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass nur wenige Lehrerinnen und Lehrer auf einen Migrationshintergrund verweisen können. Türkisch stämmige Mathelehrer oder eine in Albanien geborene Chemielehrerin sucht man daher mit der Lupe. – Mit anderen Worten: Die Mehrheitsgesellschaft schließt weite Bevölkerungskreise von der Akademisierung aus. Bereits bei der Vorstellung des Ausländerberichts 2005 monierte die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Marie-Luise Beck, dass an Schulen unterdurchschnittlich viele Lehrer mit Migrationshintergrund unterrichteten. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Das hat weit reichende Folgen, unter anderem die, dass den Migrantenkindern lebendige Vorbilder fehlen, denen sie tagtäglich begegnen und denen sie nacheifern können. Aber tatsächlich ist die Ausgrenzung der Migranten aus der Schule eine Frage der Gerechtigkeit.

Der andere Punkt des Antrags betrifft das interkulturelle Lernen, das vielerorts in der Ecke der Feiertagsdidaktik ein kümmerliches Dasein fristet. Diskussionen um kulturelle Fremdheit, um Differenz und um Ausländerfeindlichkeit sind oftmals nicht im pädagogischen Alltag angekommen, sondern werden nur zu bestimmten Gedenktagen oder nach schlimmen Vorfällen hervorgekramt. Eine Wachsamkeit gegenüber unbeabsichtigter institutioneller Diskriminierung ist noch lange nicht so weit verbreitet, wie wir Demokraten es uns wünschen. Viele Lehrkräfte kleistern lieber Konflikte zu, anstatt sich ihnen zu stellen.

Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen, denn die Anforderungen, die an die Lehrkräfte gestellt werden, sind bereits abseits der interkulturellen Ansprüche hoch. Dennoch bleibt die Tatsache, dass in den meisten Schulklassen ganz unterschiedliche Lebens- und Kulturentwürfe vertreten sind. Es gehört zur Entwicklung einer stabilen Identität dazu, dass alle Kinder mit ihren jeweiligen kulturellen Spezifika angenommen werden und zwar - ich betone das an dieser Stelle mit allem Nachdruck – von allen Lehrkräften, also deutschen und denjenigen mit Migrationshintergrund.

Interkulturelle Pädagogik ist ebenso wenig mit Spezialunterricht durch Spezialisten abgegolten wie Feministische Pädagogik durch spezielle Lehrkräfte, die das Thema in wenigen Extrastunden behandeln.

Die Arbeitsteilung zwischen allgemeiner und interkultureller Pädagogik muss neu organisiert werden, und zwar schleunigst. In diesem Sinne hoffe ich darauf, das wir gemeinsam Mittel und Wege finden, um den Anteil der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund zu erhöhen und andererseits die interkulturelle Pädagogik ins Alltagsgeschäft der Schulen zu integrierten.

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