Rede · 23.11.2022 Irgendwas mit Digitalisierung - große Schlagwörter ohne Inhalt

 „Bei der Grundsteuer hat die Verwaltung gezeigt, was sie mit Digitalisierung eigentlich meint: nämlich Verantwortung und Arbeit auf die Bürgerinnen zu übertragen.“„E-Government-Gesetz löst Mehrwertsteuerprobleme und müsste eigentlich Umsatzsteuer-Reparatur-Gesetz heißen.“„Die Task Force Digitalisierung ist eigentlich nur ein Arbeitskreis.“

Sybilla Nitsch zu TOP 8,39 - Task Force Digitalisierung und E-Government-Gesetz (Drs. 20/385 u. 369)

Die Landesregierung hat sich viel vorgenommen in Sachen Digitalisierung; zumindest laut Koalitionsvertrag.  Die Bürgerinnen erwarten erhebliche Verbesserungen in ihrem digitalen Alltag: leichteren Zugang, schnelle digitale Services und Terminals in den kommunalen Bürgerbüros für alle Menschen ohne PC und Handy.
Doch tatsächlich hat erst gerade die letzte große Digitalisierungsaktion, die Grundsteuer, viele Nutzerinnen und enorm verärgert. Bei diesem vergleichsweise kleinen Tool hat die Verwaltung gezeigt, was sie mit Digitalisierung eigentlich meint: nämlich Verantwortung und Arbeit auf die Bürgerinnen zu übertragen. Es geht nicht um eine einfache Handhabung! Nein, man gewinnt den Eindruck, die Bürgerinnen sollen Angaben machen, die sie ja bereits haben, noch einmal eingeben und mit ihrem Namen verknüpfen. Anstatt dann Fehler einzugestehen und Verständnis aufzubringen, werden dann witzige Social-Media-Kampagnen gemacht, um abzufeiern, wie toll man als Landesregierung auf dem Weg ist. 
Ich möchte mit diesem Beispiel verdeutlichen, dass das Branding Digitalisierung nicht sichert, einen tatsächlich besseren Service für die Bürgerinnen in der Packung zu finden. Darum waren wir vom SSW nicht überrascht, dass im Entwurf zum E-Government-Gesetz so wenig die Rede von den besten Lösungen ist. Nach unserer Auffassung geht es einfach darum, einen bestimmten Anbieter, nämlich Dataport, zu bevorzugen. Spielt es keine Rolle, wo es den besseren Service gibt, das datenrechtlich beste Angebot oder den besten Preis? Nach meiner Lektüre kommt hier ein klares Nein.
Um es klar zu stellen: Natürlich gehören risikobehaftete Konstellationen, wie es im schönsten Behördendeutsch zu lesen ist, in den Bereich der öffentlich-rechtlichen Kontrollstrukturen. Das kann ich nur unterschreiben. Wie private Strukturen mit Meinungsfreiheit und Nutzerdaten umgehen, kann man zurzeit gut bei Twitter beobachten. Daten müssen gut geschützt und der Datenverkehr effektiv kontrolliert werden; bis hin zur Speicherung. Darum ist es gut, dass wir uns auf unsere Stärken besinnen und sensible Datenverarbeitung nicht in private Hände übergeben, sondern in unserer Kontrolle behalten. Im neuen Gesetz steht, dass Dataport Leistungen dann doch wieder an Dritte vergeben kann, was in meinen Augen durchaus zu kritisieren ist.
Darüber hinaus bezweifle ich, dass weder ein Verwaltungsaufwand noch irgendwelche Kosten anfallen, wie es im Gesetzentwurf anvisiert wird.
Darum geht es überhaupt nicht.
Das E-Government-Gesetz löst Mehrwertsteuerprobleme. Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: die Bürgerinnen haben von dem E-Government-Gesetz überhaupt nichts.
Wer meint, die Effektivität der Strukturen würde hiermit vorangetrieben, wird feststellen, dass es eigentlich nur ein Verwaltungsakt ist, der eine überflüssige Umsatzsteuerregelung reparieren muss. Dementsprechend müsste das Gesetz eigentlich Umsatzsteuer-Reparatur-Gesetz heißen.
Apropos Namen: die Task Force Digitalisierung. Wieder ein Gremium, das eigentlich nur ein Arbeitskreis ist. Gut, dass die beteiligten Institutionen regelmäßig zusammengebunden werden und eben auch die sozialen Folgen der Digitalisierung besprochen werden. Aber: in der Zusammensetzung ist die Arbeitsgruppe nicht in der Lage, klare Arbeitsaufträge zu vergeben. Dafür ist das Spektrum der Task Force Mitglieder zu weit weg vom täglichen Verwaltungshandeln und ihre jeweiligen Interessen zu breit angelegt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Städtetag hat ganz andere Digitalisierungsherausforderungen als die Universitäten.
Beide an einen Tisch zu bringen, verspricht zwar einen interessanten Austausch, ist aber meilenweit von einer Task-Force entfernt. Eine Task-Force hat der Definition nach klare Kompetenzen, Eingriffsmöglichkeiten und ist mit effektivem Werkzeugen ausgestattet. All das fehlt aber an dieser Task-Force. Es ist nur ein vollmundiger Titel.
Dazu passt denn auch der Antrag von Schwarz-Grün, dem Landtag erst einmal einen mündlichen Bericht zu geben, auf den sich die Opposition nicht vorbereiten kann. Der sich aber schön in einer Pressemitteilung macht.
Ich warne davor, immer wieder Erwartungen zu wecken und diese dann nicht zu erfüllen.
Unsere Bürgerinnen haben ehrliche Antworten verdient. Auf diese Weise gerät das Wort Digitalisierung in Misskredit. Und das ist wohl das Letzte, was wir wollen.

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