Rede · 24.01.2019 Jamaika fördert Lohndumping

Flemming Meyer zu TOP 03 - Gesetz zur Veränderung des Vergaberechts in Schleswig-Holstein (Drs. 19/1171)

"Wer aufgrund einer Ausschreibung seinen tariflich bezahlten Job verlieren kann, der ist nicht kreditwürdig. Er ist nicht von seiner Arbeitsleistung abhängig, sondern nur von äußeren Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat. Für einen abhängig beschäftigten Menschen ist das unzumutbar."


(Nr. 016-2019) Mit der heutigen abschließenden Lesung und Abstimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Vergaberechts, verabschiedet Schleswig-Holstein sich von seinem bisherigen Tariftreue- und Vergabegesetz. Und ich muss sagen, für uns als SSW ist dies kein schöner Tag, denn wir haben seinerzeit das Tariftreugesetz für Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht. Aber es geht hierbei nicht um uns. Es geht um die Menschen, die unmittelbar von diesem Gesetz betroffen sind. Denn mit dem Gesetzentwurf, wie ihn die Landesregierung vorgelegt hat, befürchten wir, dass damit der Schutz der Arbeitnehmer gefährdet ist. Der Entwurf fördert Lohndumping und bringt damit unsere kleinen und mittleren Betriebe in Gefahr. Das kann doch nicht gewollt sein und aus diesem Grund haben wir als SSW unmittelbar zur 1. Lesung einen Änderungsantrag eingebracht. Und es war richtig, dieses Verfahren zu wählen, um noch einmal deutlich auf den Irrweg hinzuweisen, den die Jamaika-Koalition hier geht.
In der Anhörung wurde deutlich, dass unsere Kritik am Gesetzentwurf der Landesregierung berechtigt war. Dort waren es gerade die arbeitnehmernahen Verbände und Organisationen, die in dem Gesetzentwurf der Landesregierung eine erhebliche Verschlechterung für die Beschäftigten sehen, die von Vergaben betroffen sind. 
Auf der anderen Seite, kam gerade von wirtschaftsnahen Verbänden das Lob, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung angeblich einen Bürokratieabbau darstellt. 
Wir haben es hier also mit zwei Aspekten zu tun, die gegeneinander abzuwägen sind. Auf der einen Seite faire und gute Löhne für die Beschäftigten. Auf der anderen Seite Bürokratieaufwand. Dazu kann ich nur sagen, nicht alles was Arbeit macht, ist Bürokratie. Für uns als SSW ist es kein Bürokratieaufwand, wenn wir uns für sichere und faire Löhne einsetzen. Es ist kein Bürokratieaufwand, wenn wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass Menschen bei uns im Land, die für uns die Arbeit machen, mit vernünftigen Löhnen nach Hause gehen können und davon auch leben können. Es geht hier um die Einhaltung von tariflich vereinbarten Löhnen und es geht um einen Mindestlohn, der sich am dem Grundentgelt der untersten Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert. Wir reden hier also nicht über Fantasielöhne. Hier unterscheiden wir uns ganz deutlich von der Jamaika-Koalition, die das nicht will.

Ein weiterer Punkt, der für uns eine wichtige Rolle spielt, ist die Arbeitsplatzsicherung. Konkret wollen wir, dass die Beschäftigten im Bereich des ÖPNV und des SPNV künftig verbindlich von einem neuen Anbieter übernommen werden sollen. Das bisherige Gesetz lässt den Kommunen und Kreisen hier freie Hand, weil dies nicht verpflichtend für sie vorgeschrieben ist. Was das bedeutet erleben wir derzeit im Kreis Schleswig-Flensburg. Dort hat es zu Beginn des Jahres einen Betreiberwechsel im ÖPNV gegeben und die Angestellten der „alten“ Unternehmen wurden dort nicht übernommen. Das ist eine Katastrophe für diese Menschen, weil ihre Existenz gefährdet wird. Wer aufgrund einer Ausschreibung seinen tariflich bezahlten Job verlieren kann, der ist nicht kreditwürdig. Er ist nicht von seiner Arbeitsleistung abhängig, sondern nur von äußeren Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat. Für einen abhängig beschäftigten Menschen ist das unzumutbar. 
Das hat aber auch zur Folge, dass der öffentliche Nahverkehr durch den neuen Betreiber nicht ordentlich gewährleistet wird. Konkret heißt das: Die Fahrer haben keine Ortskenntnisse, das führt dazu, dass die Busse an falschen Haltestellen halten, Schüler werden an falschen Haltestellen rausgelassen, Strecken werden nicht regelmäßig bedient, teilweise sprechen die Fahrer kein Deutsch oder Service-Hotlines sind nur ungenügend besetzt. Diese Zustände sind unzumutbar. Das ist allein die Konsequenz, weil wir im geltenden Gesetz keine Übernahmeverpflichtung des „alten“ Personals haben. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir das ändern. Ein solches Chaos wollen wir verhindern, denn das blüht auch anderen Kreisen, die bei einem Betreiberwechsel das bisherige Personal nicht übernehmen. Die nächste Vergabe steht im Kreis Segeberg an und meines Wissens hat der Aufgabenträger dort bislang versäumt die Personalübernahme anzuordnen. 
Ein abschließender Kritikpunkt, den wir auch aus der Anhörung am Gesetzentwurf der Landesregierung mitnehmen zielt darauf ab, dass künftig soziale, gleichstellungs- und umweltbezogene Aspekte bei der Vergabe nicht mehr verpflichtend sein sollen. Das ist ein weiterer Rückschritt im Verhältnis zum bestehenden Gesetz und mit uns nicht zu machen. Früher waren wir uns da auch mit den Grünen einig. Das scheint aber jetzt nicht mehr so zu sein. Für uns sind und bleiben aber Umweltkriterien wichtig. Sie sind nicht nur Nice-to-have, sondern müssen verpflichtender Bestandteil einer Vergabe sein.
Wer das Vergabegesetz dahingehend modernisieren möchte, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, sozial gerecht ist und Umweltstandards verbindlich fordert, der muss deshalb für den Entwurf des SSW stimmen. Darum bitte ich um eine gesonderte Abstimmung zu unserem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf.
 

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