Rede · 29.08.2019 Konkrete Gefährdungseinschätzung muss bei den Sicherheitsbehörden bleiben

Es geht um den Zwiespalt zwischen angemessener Information und dem groß angelegten Verbreiten von Angst

Lars Harms am Meer

TOP 21 - Besserer Schutz von Demokrat*innen gegen rechtsextreme Bedrohungen (Drs. 19/1605)

Walter Lübckes Tod hat uns entsetzt. Und davor haben uns über Jahre die Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der NSU-Morde immer wieder fassungslos zurückgelassen. Es ist verständlich, dass sich daraus ein erhöhter Wunsch nach Information ergibt. Es geht ja allgemein um die Frage, welchen Umgang wir mit Listen, die bei Vertretern rechten Terrors gefunden wurden, pflegen wollen. Nicht erst durch den Mord an Walter Lübcke ist klar, dass Listen dieser Art keine Bagatellen sind. 

Nun gibt es aber berechtigterweise unterschiedliche Arten und Weisen des Umgangs damit. Über die 10.000-Liste, mit der auch der NSU hantierte, wissen wir, dass 24 Menschen aus Schleswig-Holstein auf ihr standen. Sie wurden vom LKA angeschrieben. Und zwar, wie wir von Innenministerium erst letzte Woche noch gehört haben, ausschließlich aufgrund der Schwere der durch den NSU verübten Taten.
Diskussionen gibt es bei uns nun wegen der Nordkreuz-Liste mit 25.000 Namen. In Hamburg wurde mittlerweile eine Telefonnummer vom LKA eingerichtet, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt informieren können, ob sie auf einer den Sicherheitsbehörden bekannten Liste stehen. Und in Mecklenburg-Vorpommern werden Betroffene derzeit angeschrieben - der Grund scheint hier aber vor allem das mittlerweile entstandene öffentliche Interesse zu sein. Unser Landeskriminalamt möchte bisher keine Auskunft geben. 

Und für mich gibt es durchaus auch berechtigte Einwände gegen automatisierte Veröffentlichungen oder die Bereitstellung derartiger Daten auf Anfrage. Denn so schüren wir Angst, verunsichern gegebenenfalls politisch Aktive und ihre Familien – und machen uns so mit den Urhebern dieser Listen gemein. Schlimmstenfalls holen sich Menschen nun die Information ab, dass sie auf einer bei Razzien gefundenen Liste standen und leben fortan in einer unbestimmten Angst, ohne weitere Angebote der Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wir lassen Menschen dann mit dem Gefühl zurück, dass sie in Gefahr schweben und ihnen nicht geholfen wird. 

Die in rechtsextremen Zirkeln kursierenden Listen unterscheiden sich stark in ihrer Genauigkeit und ihrem Umfang. Die Liste von der Gruppe Nordkreuz hat wie gesagt 25.000 Namen umfasst. Sie verunsichert uns als Privatpersonen oder als in der Öffentlichkeit stehende Menschen so stark, weil wir nicht wissen, wer sich diese Daten zu eigen macht und als Handlungsaufruf versteht. 

Konkret zum SPD-Antrag drei Punkte:
1.    Ich finde es schwierig, wenn die drastischen Begriffe, die in den Medien kursieren, so auch in politischen Anträgen übernommen werden. Manchmal lesen wir in den Zeitungen von Feindeslisten, manchmal sogar von Todeslisten, meist hantieren unsere Zeitungen mit diesen Begriffen in Gänsefüßchen. Diese Begriffe so auch in der parlamentarischen Diskussion zu übernehmen festigt sie natürlich, verleiht ihnen einen scheinbaren Wahrheitsgehalt. Etwas, was eigentlich niemand will.

2.    Es ist ein groß angelegtes Vorhaben, Information und Beratung für von Rechtsextremen bedrohte Menschen neu zu organisieren. Für mich steht außer Frage, dass die konkrete Gefährdungseinschätzung bei den Sicherheitsbehörden bleiben muss. Tatsächlich frage ich mich aber, ob es wirklich sinnvoll wäre, eine Anlaufstelle beim Innenministerium einzurichten. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade auch Personen, die politisch eher weit links von der Mitte unterwegs sind, Hemmungen haben, sich an ein Ministerium zu wenden. Wir glauben, dass stattdessen Beratungsstellen wie Zebra e.V., die auch psychosoziale Beratung leisten und weitere Unterstützung vermitteln können, bei Bedarf besser als bisher gefördert werden sollten.

3.    Für uns bleibt der Konflikt bestehen, ob es wirklich der richtige Weg ist, Einzelpersonen, die tatsächlich nur auf einer Liste stehen, weil sie bei einem linken Versandhandel bestellt haben, mit einer abstrakten Gefahr zu behelligen. Dass Personen, wenn sie konkret in Gefahr sind, informiert werden müssen, ist vollkommen klar. 
Es geht also um den Zwiespalt zwischen angemessener Information und dem groß angelegten Verbreiten von Angst. 

Hierüber sollten wir meiner Meinung nach weiter im Ausschuss diskutieren. 

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