Rede · 30.05.2013 Lückenlose Videoüberwachung in Schleswig-Holsteins Zügen verhindern

In Schleswig-Holsteins Zügen fährt man gefahrlos und sicher. Mir ist diese Vorbemerkung besonders wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, wir haben es hier mit Krawallzügen zu tun, in die man sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr hereintrauen kann. Das Land schreibt die Ausrüstung von Videokameras vor, weil die Technik inzwischen dem Ausschreibungsstandard entspricht. Nachzulesen in den Ausschreibungsunterlagen anderer Bundesländer wie Brandenburg oder Berlin. Die Videokameras gehören inzwischen selbstverständlich dazu und entsprechen der neuesten Norm. Aus diesem Grund finden sie Eingang in die Ausschreibung – und nicht, weil Schleswig-Holstein ein gefährliches Pflaster wäre.
Nun mag man einwenden, dass man nicht alles anschaffen sollte, bloß weil andere das haben. Mögen die Kameras noch so preiswert sein, die damit entstehende Datenflut und potenzielle Ausspähungsgefahr ist ein hoher, immaterieller Preis.
Diese Debatte angestoßen zu haben, ist sicherlich das Verdienst der Antragsteller. Wir müssen hier im Landtag politisch entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen – und nicht die Ausschreibungsexperten in den Ministerien. Dazu liegen bereits einige Entscheidungen vor. Wir führen die Debatte in Sachen Videoüberwachung nicht zum ersten Mal. Wir haben uns inzwischen eine klare Linie erarbeitet; und die ist sicherlich fraktionsübergreifend gültig. Der Landtag lehnt sowohl die Datensammelwut jeglicher Art, als auch freie Zugriffsrechte auf Videodaten sowie die dauerhafte Speicherung von Daten ab. Wir haben hier im Haus den Konsens, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch technisch umgesetzt werden darf. So kommt es überhaupt nicht infrage, dass Eisenbahnunternehmen Bilddateien aus ihren Zügen dauerhaft speichern.
Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört allerdings auch, dass wir Tatsachen anerkennen. Und dazu gehört, dass Videokameras in Bussen geholfen haben, den Vandalismus merklich zu verringern. Die Täter lassen angesichts einer Kamera eben den Edding-Stift in der Tasche. Entsprechende Statistiken vom Karlsruher Verkehrsverbund oder der Berliner BVB liegen seit Jahren vor.
Der Zusammenhang zwischen Zahl der Videokameras und dem tatsächlichen Rückgang von Gewaltverbrechen konnte allerdings noch nicht konkret belegt werden. Vielmehr dienen die meisten Aufzeichnungen der Aufklärung eines Verbrechens. Der bayrische Innenminister Joachim Hermann betet zwar immer wieder die Statistik herunter, wonach die Zahl der Straftaten im Münchner Nahverkehr, der nach der tödlichen Prügelattacke auf Dominik Brunner massiv mit Videotechnik bestückt wurde, in den vergangenen zehn Jahren um fast 30 Prozent gesunken sei. Allerdings muss man wissen, dass die Tatzahlen generell rückläufig waren; also auch dort, wo keine Kameras installiert worden waren. Der Grund liegt darin, dass die bayerische Polizei verstärkt im Bereich des Nahverkehrs, in Zügen und Bahnhöfen präsent ist. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Videotechnik und Rückgang der Kriminalität ist also nicht klar zu erkennen und meines Wissen in Deutschland noch nicht wissenschaftlich erwiesen.
Wenn wir also über diese Technik in Verbindung mit schweren Verbrechen reden, dann reden wir eher darüber, dass sich im Nachhinein Verbrechen besser aufklären lassen. Jeder Erfolg, einen brutalen Schläger zu erwischen, spricht erst einmal auch für die Kameras – so ehrlich muss man sein.
Die Videotechnik ist kein Allheilmittel. Sie vermittelt bei manchen Fahrgästen ein gutes Gefühl. Aber ein nachhaltiges Sicherheitsgefühl bedarf mehrerer Faktoren. Dazu gehören helle Waggons, Präsenz von Servicepersonal und freundliche Bahnhöfe. Die AKN beispielsweise investiert laufend in die durchgehend helle Ausleuchtung der Stationen sowie eine übersichtliche Bahnsteiggestaltung ohne düstere Gefahrenbereiche. Nur so wird ein Schuh draus, dass sich die Fahrgäste sicher fühlen. Ein Sicherheitskonzept nach dem Motto: ‚Kamera einbauen und fertig ist die Laube‘ ist eben kein Konzept, sondern allenfalls ein Teil davon.
Letztlich können die Eisenbahnunternehmen in ihren Zügen auch ohne Vorgabe der Ausschreibung Videotechnik installieren; schließlich sind die Züge rechtlich gesehen privates Gelände. Eine Steuerung der Kameras per Joystick, die die Verfolgung einzelner Fahrgäste ermöglicht, oder der verdeckte Einsatz von Kameras ist dagegen auch Privatpersonen nicht gestattet.
Wenn wir also über Kameras in Zügen sprechen, dann müssen wir die Einsatzbereiche genau festlegen und die Weiterverarbeitung der Daten, deren Speicherung und Zugriffsrechte genau festlegen. Und nach unserer Auffassung muss auch offen darauf hingewiesen werden, dass Kameras installiert sind. Wenn all dies eingehalten wird, dann – glauben wir – ist der Eingriff in die Privatsphäre hinnehmbar. Allerdings unterhalb dieser Schwelle sollte man sich auch nicht bewegen.

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