Rede · 21.11.2013 Mehr Zeit für Pflege
„Menschenwürdige Pflege ist weit mehr als bloße Grundversorgung“
Das Thema Pflege ist für die Landespolitik aus guten Gründen ein Dauerbrenner: Wir alle können also beruhigt sein: Die rot-grün-blaue Regierung arbeitet hier mit mindestens so großem Engagement an einer bedarfsgerechten Versorgung wie ihre Vorgänger. Das ist auch dringend nötig. Denn eins lässt sich nicht von der Hand weisen: Eine wirklich menschenwürdige Pflege zu organisieren ist und bleibt eine enorme Herausforderung. Ich denke, für Schuldzuweisungen oder gar Vorwürfe ist hier weder Zeit noch Raum. Weil wir Menschen nun einmal immer älter werden und damit auch die Zahl der Pflegebedürftigen unter uns wächst, sollten wir uns alle gemeinsam auf diese große Herausforderung konzentrieren.
Sicher spielen Themen wie die Dokumentation oder die Aufsichts- und Prüfaktivitäten im Pflegebereich eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Versorgung bedarfsgerecht zu gestalten. Deshalb haben wir auch konkrete Maßnahmen in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, die zur Entlastung der Pflegefachkräfte führen. Dokumentationsaufgaben sollen spürbar reduziert und Doppelstrukturen abgebaut werden. Das spart nicht nur Geld sondern vor allem wertvolle Zeit, die dringend den Pflegebedürftigen zugutekommen muss. Auch die Aufstockung der landesseitig geförderten Ausbildungsplätze in der Altenpflege wird zur Sicherung der Versorgung beitragen. Hier führen wir die Politik von CDU und FDP konsequent fort. Und wenn wir schon bei der reinen Zahl der professionell Pflegenden sind, dann muss auch auf das gelöste Problem bei der Finanzierung der Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege hingewiesen werden. Ich denke, dass wir mit diesen Maßnahmen zumindest beim zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Pflegebedürftigen und Pflegefachkräften auf einem guten Weg sind. Diese Entwicklung ist für sich genommen natürlich erst einmal positiv.
Doch wenn ich ehrlich bin, dann macht mich diese Tatsache nicht wirklich glücklich und zufrieden. Denn seit Jahren erleben wir die zunehmende Verkürzung der Pflegediskussion auf rein quantitative Kriterien. Man fragt sich fast nur noch, wie viele Pflegebedürftige zu erwarten sind und danach, wie viele Pflegekräfte benötigt werden, um diesen Bedarf zu decken. Kein Zweifel: Für sich genommen sind das durchaus wichtige Fragen. Aber wenn Pflege menschlich sein und bleiben soll - dann reicht das nicht. Dann geht es eben nicht nur um die reine Erhöhung der Zahl derer, die in der Pflege arbeiten. Dann geht es um weit mehr als die bloße Versorgung der physischen Grundbedürfnisse von Pflegefällen. Das sprichwörtliche: „Satt und sauber“ ist doch nicht genug. Eine menschenwürdige Pflege braucht vor allem Zeit und Platz für Zwischenmenschlichkeit und Zuwendung.
Wer im Pflegebereich wirklich im Sinne der Betroffenen handeln und die Pflege nach den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen ausrichten will, der kommt um einen Punkt nicht herum: Kernaufgabe ist und bleibt es, diesen menschlichen Faktor zu erhalten und nach Möglichkeit sogar auszubauen. Natürlich sieht auch der SSW die begrenzten Ressourcen und die fehlende Attraktivität des Pflegeberufs. Aber gerade weil die Ressourcen so begrenzt sind, müssen wir sie optimal - und damit meine ich: im Sinne der Bedürftigen - einsetzen. Und genau das wollen wir tun, indem wir uns dafür einsetzen, dass die Dokumentation in der Pflege auf das Maß beschränkt wird, das für das Patientenwohl nötig ist.
Natürlich ist die Reduzierung der Pflegedokumentation auf ein erforderliches Maß bei weitem nicht die einzige Maßnahme, die für eine zukunftssichere und hochwertige Pflege nötig ist. Um mehr Menschen für dieses Berufsfeld zu begeistern und die Pflegefachkräfte länger in ihrem Job halten zu können, braucht es mehr: Ein veränderter Personalschlüssel gehört hier genauso dazu, wie die höhere Wertschätzung nicht zuletzt auch durch eine bessere Bezahlung. Und mit Blick auf die Entlastung der professionell Pflegenden müssen wir nicht nur die Akademisierung der Pflege vorantrieben, sondern auch für bessere Weiterbildungsmöglichkeiten sorgen. Denn uns ist nicht nur die höhere Zahl an Pflegefachkräften wichtig. Wir halten auch eine hohe Qualität der Pflege durch gut ausgebildete und vor allem motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für absolut unverzichtbar.