Rede · 13.07.2007 Patientenverfügungen


Ich möchte mich für den SSW für den Bericht der Landesregierung bedanken. Den Reden meiner Vorredner, dass das Thema nicht für eine harte politische Auseinandersetzung geeignet ist, kann ich mich nur anschließen.

Die Unterschiede der im Bericht vorgebrachten Vorschläge zur Umsetzung der Patientenverfügungen sind nicht so groß wie vermutet. Es ist aber schon jetzt verabredet, dass ohne Fraktionsdisziplin im Bundestag in abgestimmt werden wird. Hintergrund ist, dass der Bereich Patientenverfügung auch sehr stark den Bereich des Einzelnen über seine Lebensvorstellung und den Bereich der Sterbehilfe berührt.

Das Thema Patientenverfügung betrifft alle und ist deshalb  auch im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der SPD im Bund wieder zu finden. Dort steht ganz deutlich, was wichtig ist für den Einzelnen: Nämlich die Informations- und Beteiligungsrechte der Patientinnen und Patienten ausbauen, Transparenz zu erhöhen und die Rechtssicherheit von Patientenverfügungen zu stärken. Deshalb ist eine gesetzliche Absicherung der Patientenverfügung notwendig. Hintergrund ist die derzeitige Verunsicherung der Menschen, die eine Patientenverfügung bereits gemacht haben und deren Angst, dass diese nicht umgesetzt wird. Die Wünsche des Einzelnen sind zu respektieren und von allen umzusetzen. Zur Zeit wird bei der Diskussion über die Patientenverfügung gefordert, dass die Verfasser, ihren Wunsch mindestens alle zwei Jahre bestätigen müssen und auch nachzuweisen haben, dass sie über die Tragweite einer derartigen Verfügung durch einen Notar oder Arzt belehrt worden sind.

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit diesem Thema und jeder, der einmal einen Menschen am Ende seines Lebens begleitet hat, muss manchmal die Notwendigkeit derartiger Verfügungen feststellen. Die Vorstellung vieler, auch in Schleswig-Holstein ist, dass sie ihr Lebensende auf einer Intensivstation verbringen werden. Auch die heutige Möglichkeit der künstlichen Ernährung nährt die Vorstellung des „Hinauszögerns“ des Lebens und Sterben durch künstliche Ernährung. Die Möglichkeit der künstlichen Magensonde hat schon sehr viele Menschen gerettet, aber sie eröffnet, wie viele andere Dinge in der Medizin auch, eine möglicherweise nicht gewollte Lebensverlängerung. Dieser Eingriff ist heute ohne größeres Risiko für den Patienten durch zu führen. Diese Möglichkeit ist ein Grund für ein so genanntes längeres „Überleben“.

Der Bereich Patientenverfügung berührt sofort und unmittelbar auch den Bereich Sterbehilfe und dies ist gerade in Bundesrepublik ein sehr sensibler Bereich. Aus diesem Grunde hat sich auch die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des deutschen Bundestages damit befasst.

Aber sollte hier nicht lieber jeder Betroffene selbst entscheiden können, anstatt, dass andere dieses für jemanden tun? Es wäre für viele hilfreich, wenn es in Zukunft eine gesetzliche Normierung gibt, denn die zurzeit bestehenden Unsicherheiten sind schon aus den verschiedenen Formulierungen der zurzeit vorgeschlagenen Regelungen erkennbar. Diese formellen Probleme kann man dem Bericht der Landesregierung entnehmen.

Erwähnenswert und von Wichtigkeit ist meines Erachtens der Bereich der bindenden Wirkung der Patientenverfügung und dass diese nur bei offensichtlicher Willensänderung des Patienten verändert werden muss. Es sollten also die Patientenverfügungen frei davon sein, dass sie in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen einer Überprüfung unterzogen werden müssen. Sondern sollte es eher dahin gehen, dass eine Patientenverfügung Bestand haben sollte, egal wann sie gemacht wurde oder wie jung der Mensch war, als er die Patientenverfügung erstellt hat. Die zur Zeit geforderte zweijährige Prüfung durch den Betroffenen ist nicht immer durchführbar und niemand wird sich alle zwei Jahre von neuem mit der Patientenverfügung beschäftigen wollen – das entspricht nicht Lebenswirklichkeit. Im Übrigen kann man auch ohne Hilfe mit 18 Jahren sein Testament machen, welches bis zu jedem Alter weiter gilt.

Für den SSW ist es der Patientenwille, der hier beachtet werden muss und es gibt aber auch bei uns in der Partei unterschiedliche Haltungen zur anstehenden Regelung.

Nun aber zu den verschiedenen Anträgen, die in den Bundestag eingebracht werden. Unabhängig von der Parteizugehörigkeit sind von verschiedenen Gruppen Vorschläge unterbreitet worden. Wobei der erste Vorschlag der Gruppe um den Abgeordneten Stünker der ist, der unseren Vorstellungen am nächsten kommt, bzw. so ist, wie wir es uns auch vorstellen können. In diesem gibt es nicht die bereits angesprochene Aktualisierungspflicht, sondern die Patientenverfügung ist jederzeit formlos kündbar. Was aber ausschlaggebender ist, ist der erste Spiegelstrich in der Aufzählung. Dass es nämlich keine Begrenzung der Reichweite der Patientenverfügung gibt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Und eben das ist es, diese Begrenzung der Reichweite, was es an den anderen Vorschlägen zu kritisieren gibt.

Denn was genau ist eine „irreversible Grunderkrankung“? Natürlich weiß ich, dass irreversibel nicht umkehrbar heißt, aber wer entscheidet eben dieses? In dem Vorschlag der Gruppe um den Abgeordneten Bosbach sind es Erkrankungen, die trotz Behandlung einen tödlichen Verlauf nehmen werden. Es geht hier nicht nur darum, durch Patientenverfügungen die aktive Sterbehilfe zu legalisieren, sondern es geht auch darum, Leiden zu verringern. Zumindest wäre dies mein persönliches Verständnis in Bezug zu Patientenverfügungen.

Uns allen hier ist sicherlich noch das Leiden der Terry Shivo in den USA in guter Erinnerung. So etwas gilt es in Deutschland zu verhindern und dafür sind Patientenverfügungen der richtige Weg. Ein anderer Fall, der ebenfalls dafür spricht, ist das Geschehen um eine 86jährige Frau aus Berlin, die im Koma lag und eine glasklare Patientenverfügung, wie die Anwältin sagte, hatte. Sie wurde aber dennoch künstlich am Leben gehalten, so lange bis sie sich wund gelegen hatte. Und all das gegen ihren ausdrücklichen Willen, denn die Frau hatte ihre Patientenverfügung immer wieder aktualisiert und festgeschrieben.

Diese Frau ist lediglich eine von rund neun Millionen Deutschen, die per Patientenverfügung erklärt haben, wie sie im Krankheitsfalle behandelt werden wollen, sofern sie  nicht mehr in der Lage wären, für sich selbst zu sprechen. Und damit sie auch ausschließen können, gegen ihren eigenen Willen von Apparaten der Hochgerätemedizin am Leben gehalten zu werden. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass der Bundesgerichtshof im Jahr 2003 bereits ein Urteil dazu verkündet hat, welches aussagt, dass sich Ärzte an Patientenverfügungen –ob mündlich oder schriftlich – zu halten haben. Der Bundesgerichtshof geht sogar so weit, dass wenn sie sich nicht daran halten, sich die Ärzte der Körperverletzung strafbar machen.

Was aber unter allen Umständen gilt ist, wie bereits gesagt, der eigene Wille des Patienten, der Vorrang haben sollte. Denn wenn ich lese, dass im zweiten Vorschlag aufgeführt ist, dass ein beratenes Konzil hinzugezogen werden soll, um festzustellen, ob die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen tatsächlich dem Willen des Patienten entspricht, komme ich zu dem Schluss, das es dann doch eigentlich keine wirkliche Patientenverfügung ist.  Denn ich betone es noch mal, es ist die Autonomie jedes einzelnen Menschen, die im Vordergrund stehen soll.

Im Bericht wird zu Recht darauf  hingewiesen, dass eine Ausarbeitung der rechtlichen Regelungen zu den Patientenverfügungen eng mit der Sterbebegleitung verknüpft ist. Denn ähnlich wie bei dem Thema „Palliativmedizin und Hospizversorgung“ sollten auch beim Thema Patientenverfügung Verbände und kirchliche Verbände mit in den Prozess einbezogen werden.  Da nur so auch eventuelle religiöse Einwände berücksichtigt werden können.
Wir werden dem Verlauf der Diskussion auf Bundesebene weiter mit Interesse begleiten und werden das Gesetzgebungsverfahren verfolgen, ob und wie hier tatsächlich Fortschritte gemacht werden.  Das Wichtige wäre hierbei, dass wir klare Regelungen bekommen, damit im Fall des Falles Unklarheiten und Unsicherheiten weitgehend ausgeschlossen werden.

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