Rede · 10.05.2000 Regierungserklärung
Die Wahl am 27. Februar war ein Medienspektakel - wegen des Spendenskandals, doch nicht zuletzt auch wegen der schlichten Tatsache, dass wir in einer Mediengesellschaft leben. Was bleibt, wenn die Scheinwerfer wieder verschwunden sind, ist die Feststellung:
Es gibt bekanntlich keinen schlimmeren Geist als der Zeitgeist. Wer ihm verfällt, verfällt auch leicht der Illusion, dass nur, was im Scheinwerferlicht passiert, auch wirklich stattfindet.
Big Brother lässt grüßen. Von daher ist es nicht nur verständlich, sondern folgerichtig, dass sich die CDU nach ihrem Bundesparteitag in Essen wieder zurück meldete", denn im Scheinwerferlicht steht Angela Merkel und nicht mehr der Finanzskandal ihrer Partei. Politik profitiert mehr vom Vergessen als vom Gedenken, behauptet der Publizist Roger Willemsen.
Es mag bequem sein, sich unter dem Deckmantel Sachpolitik" wieder den aktuellen Themen und dem alten Parteienstreit zu widmen.
Das Problem ist nur, dass die Skepsis der Menschen den Politikerinnen und Politikern gegenüber vielerorts weiterhin mit den Händen zu greifen ist. Dass trotz gegenteiliger Befürchtungen die Wahlbeteilung bei der Wahl am 27. Februar nur knapp unter der letzten Landtagswahl lag, darf kein Ruhekissen sein. Dass die Politik in der Bundesrepublik durch jeden politischen Skandal ein Stück Glaubwürdigkeit verliert steht fest. Was dies wiederum zur Folge hat, führt uns unter anderem die letzte Shell-Jugendstudie vor Augen.
Wir müssen uns deshalb alle Gedanken darüber machen, wie wir es schaffen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik wieder zu gewinnen.
Das Schüren alter Feindbilder und das Herausposaunen überholter Parolen scheinen dazu wenig geeignet. Stattdessen brauchen wir einen echten Dialog darüber, wie wir die Zukunft unseres Landes am Anfang des 21. Jahrhunderts gestalten wollen.
Zur Glaubwürdigkeit der Politik gehört aber auch, dass wir bei uns selbst anfangen und immer wieder die Rahmenbedingungen für unsere eigene Arbeit auf den Prüfstand stellen. Daher begrüßt der SSW, dass wir uns gleich in dieser ersten Landtagssitzung der 15. Legislaturperiode mit der vorgeschlagenen Änderung des Landesministergesetzes zur Reduzierung der Pensionsansprüche und mit der Änderung des Wahlgesetzes zur Begrenzung des Landtages auf 75 Mitglieder befassen werden. Wir stehen aber auch in der Pflicht, das Abgeordnetengesetz auf mögliche Ungereimtheiten abzuklopfen und dementsprechend zu ändern.
Wer als verantwortliche Politikerin oder als verantwortlicher Politiker anderen Härten zumutet, muss immer wieder auch seine eigenen Besitz- und Versorgungsansprüche auf ihre Angemessenheit überprüfen.
Aus allen Wahlumfragen ging hervor, dass für die Menschen in Schleswig-Holstein die Arbeitslosigkeit das wichtigste gesellschaftliche Problem sei. Was vor der Wahl als Erwartung an die Politik herangetragen und in Wahlaussagen ausgemünzt wurde, darf nach der Wahl nicht als Wahlspeck" abgetan werden - etwa nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern."
Deshalb begrüßt der SSW, dass sich die Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung ausdrücklich dazu bekannt hat, dass das Problem der viel zu hohen Arbeitslosigkeit für die Landesregierung weiterhin oberste Priorität habe. Auf Bundesebene wurde im vergangenen Monat zwar die psychologisch wichtige Vier-Millionen Marke unterschritten, und die Fachleute gehen in diesem Jahr von einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen von mindestens 140.000 aus. Dennoch sind Ende April allein in Schleswig-Holstein 115 228 Menschen weiter ohne Arbeit.
Natürlich begrüßt auch der SSW die aktuellen Konjunkturdaten und die positive Arbeitsmarktentwicklung in Schleswig-Holstein. Beim Wirtschaftswachstum lag Schleswig-Holstein 1999 mit 2% sogar bundesweit an der Spitze. Vor Jahren konnten wir von solchen Fakten nur träumen. Bei den Existenzgründungen und Unternehmensansiedlungen liegt Schleswig-Holstein ebenfalls bundesweit in der Spitzengruppe. Sowohl die Wirtschaft als auch die Landesregierung haben für dieses und das kommende Jahr eine optimistische Konjunkturprognose abgegeben. Für das Jahr 2000 rechnet man sogar mit einem Wachstum von fast 3%. Bei aller Freude über diese guten Aussichten dürfen wir nicht vergessen, dass sich hinter den Zahlen ein struktureller Wandel verbirgt, der zwar immer mehr Gewinner hat, aber - wenn wir nicht aufpassen - auch sehr viele Verlierer.
Je schneller unsere Gesellschaft diesen Modernisierungsprozess voranbringt, je schneller sich der Strukturwandel auf allen Ebenen durchsetzt, umso mehr brauchen wir eine zukunftsweisende Sozialpolitik.
Dabei sind Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zwei Seiten derselben Medaille. Es geht in Zukunft mehr denn je darum, wirtschaftliches Wachstum und technologischen Fortschritt mit sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu verbinden. Wir begrüßen es daher, wenn die Ministerpräsidentin die guten wirtschaftlichen Bedingungen dazu nutzen will, um vor allem die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu reduzieren. Auch das Ziel, dass spätestens am Ende dieser Legislaturperiode jeder Arbeitslose, der in Schleswig-Holstein Arbeit sucht, ein entsprechendes Angebot erhalten soll, findet unsere Zustimmung - zumal dieses Modell nördlich der Grenze bereits mit großem Erfolg praktiziert wird.
Das Programm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hat nicht nur wesentlich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beigetragen, sondern gezeigt, dass mit aktiver Arbeitsmarktpolitik, wie vom SSW gefordert, Wirkung erzielt werden kann.
Die Fortführung des Bündnisses für Arbeit und des Bündnisses für Ausbildung sowie die Weiterführung des Programms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit sind wichtige Pfeiler einer solchen Politik.
Interessant für die Diskussion über den Bedarf einer aktiven Arbeitsmarktpolitik ist vor allem die Höhe der sogenannten Beschäftigungsschwelle. Laut Aussagen von Experten sind erst bei einem Wirtschaftswachstum von mindestens 2,8% positive Arbeitsplatzeffekte zu verzeichnen. Da auch in Zukunft pro Jahr kaum viel höhere Wachstumsraten zu erwarten sind, müssen wir also auch weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten im zweiten Arbeitsmarkt schaffen.
Vor diesem Hintergrund wird der SSW darauf drängen, dass sich die Landesregierung in den kommenden fünf Jahren auch für eine Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes einsetzt.
Ein aktuelles Beispiel aus Flensburg zeigt das Bedürfnis für eine Arbeitsmarktpolitik, die Ausbildung und Qualifizierung von arbeitslosen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Im Arbeitsamtbezirk Flensburg konnten im Frühjahr dieses Jahres fast 2000 Stellen nicht besetzt werden bei 15.000 registrierten Arbeitslosen. Die Ursache war angeblich mangelnde Qualifikation der Arbeitslosen. Dieses Beispiel zeigt, dass Arbeitslose nicht links liegen gelassen werden dürfen. Sie müssen ausgebildet und fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. - Oder anders formuliert:
Aus Sicht des SSW gehört es zur Verantwortung eines modernen Sozialstaates durch Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung aller Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zusammen passen.
Dabei ist es für den SSW entscheidend, dass die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung ernst genommen wird. Unsere Wissens- und Informationsgesellschaft fordert die Weiterbildung in allen Ausprägungen heraus. Die Lebenschancen der einzelnen Menschen hängen zunehmend vom Wissen ab, ebenso wie Wissen Politik und gesellschaftliche Entwicklung prägt.
Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung noch in der letzten Legislaturperiode zusammen mit den Trägern der Weiterbildung ein Weiterbildungskonzept erarbeitet hat.
Wir bedauern aber, dass dadurch ein eigentliches Weiterbildungsgesetz in weite Ferne gerückt ist. Dabei ist Schleswig-Holstein neben Sachsen weiterhin das einzige Flächenland ohne Weiterbildungsgesetz. Für den SSW galt von Anfang an, dass das Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz nur ein erster Schritt sein könnte. Dort wird das Recht auf Weiterbildung festgeschrieben. Dass dieses längst nicht mehr ausreicht, machte die Debatte um den Bericht der Landesregierung zum Bildungsurlaubsgesetz" in der letzten Legislaturperiode deutlich.
Ein Weiterbildungskonzept ist nur die zweitbeste Lösung. Wir meinen deshalb, dass das rheinland-pfälzische Weiterbildungsgesetz für Schleswig-Holstein ernsthaft geprüft werden sollte.
In diesem Zusammenhang ist die Einführung der Green-Card, um ausländische Computerexperten anzuwerben, eigentlich ein Armutszeugnis der deutschen Bildungspolitik und der deutschen Wirtschaft. Wie erklären wir beispielsweise den knapp 800 arbeitslosen Computerexperten in Schleswig-Holstein diese Entwicklung? Das Thema eignet sich überhaupt nicht für billigen Populismus a´la Rütgers. Das lehnt der SSW entschieden ab.
Die Green-Card-Initiative darf aber nur eine Übergangslösung sein, um den aktuellen Mangel an Spitzenkräften zu überwinden, während wir gleichzeitig sowohl auf Bundes- als auf Landesebene Anstrengungen unternehmen müssen, um die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen besser an die Anforderungen der Informationsgesellschaft anzupassen.
Langfristig betrachtet geht kein Weg an ein Einwanderungsgesetz vorbei. Und zwar brauchen wir ein Gesetz, dass sowohl die aktuelle Situation und die kurz- und längerfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt als auch das Zuwanderverfahren reguliert und vereinfacht - bei gleichzeitiger Beibehaltung des Asylrechts.
Die aktuelle Green-Card-Diskussion führt uns leider auch vor Augen, dass wir in den 90ér Jahren zum Teil den Anschluss an die sogenannte Neue Ökonomie - Informationstechnologie und Internet - verschlafen haben.
Gerade im Bereich dieser sogenannten Neuen Ökonomie zeigt sich am deutlichsten, wie schnell eine neue Technik unsere Gesellschaft spalten kann. Man spricht bereits von einem digitalen Graben: also von denen, die drin" sind und denen, die das Internet nur aus Zeitungen und Fernsehen kennen. Da kann es nicht verwundern, dass es heißt: Nur wer mit Computer und Internet umgehen kann, hat noch Zukunft.
Deshalb muss es ein vordringliches Ziel sein, dass unsere Schülerinnen und Schüler schnellst möglich alle einen PC- und Internet-Anschluss bekommen. Es gibt in diesem Bereich eine Landesinitiative, die gemeinsam mit Unternehmen versucht, dieses Ziel zu erreichen. Wenn man sich die aktuelle Situation in unseren Klassenzimmern ansieht, muss man aber feststellen, dass der ganz große Wurf in dieser Frage noch immer nicht gelungen ist.
Gleiches gilt natürlich auch für die Unterrichtssituation an unseren Schulen.
Dabei unterstützt der SSW die Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen. Die möglichen 1.500 Neueinstellungen sind aber eigentlich nur dass Minimum, das notwendig ist, um den Status Quo aufrecht zu erhalten.
Die aktuelle Situation an der CAU Kiel zeigt uns, wie es um die finanzielle Ausstattung unserer Hochschulen steht. Allerdings stimmt es natürlich nachdenklich, wenn der Landesrechnungshof in seinem jährlichen Prüfungsbericht gerade im Bereich der Hochschulen viele finanzielle Unzulänglichkeiten und Schlampereien entdeckt. Es deutet also vieles darauf hin, dass auch die Hochschulen darin besser werden müssen, sich auf eine veränderte Umwelt einzustellen. Dazu gehört, dass interne Strukturen und Verhaltensweisen ernsthaft auf den Prüfstand gestellt werden.
Das gilt nicht zuletzt auch in der Vermittlung von Wissen zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft. In diesem Bereich betritt Schleswig-Holstein mit dem sogenannten Multi- Media-Campus einen interessanten neuen Weg in der Bildungs- und Technologiepolitik. Der Multi-Media-Campus kann neues Leben in die traditionelle Hochschullandschaft bringen. Allein durch die Ausschreibung dieses Projektes sind an vielen Standorten in Schleswig-Holstein vielversprechende regionale Initiativen in Gang gesetzt worden.
Es wird sie nicht verwundern, dass sich der SSW als regionale Partei für den Standort Flensburg stark macht.
Viel wichtiger ist es aber, dass die jetzt begonnenen Initiativen bei den Bewerbern vor Ort auch dann weitergeführt werden, wenn sie nicht den Zuschlag bekommen. Wir erwarten, dass die Landesregierung diese regionalen Initiativen unterstützt und eine landesweite Vernetzung des Multi-Media-Campus mit den möglichen anderen Standorten erleichtert.
Für den SSW ist es darüber hinaus von großer Bedeutung, dass sich die Landesregierung im Rahmen der Technologiepolitik weiterhin dafür einsetzt, regionale Schwerpunkte - nicht zuletzt auch im Landesteil Schleswig - zu fördern.
Dass es weiter Nachholbedarf gibt, zeigt das Ergebnis eines High-Tech-Tests der Regionen in der Zeitschrift Wirtschaftswoche". Hier schnitt der Landesteil Schleswig mit einem 76. Platz von 97 - weit abgeschlagen von den anderen Regionen Schleswig-Holsteins - ganz schlecht ab. Dabei hat es in den letzten Jahren viele Fortschritte gegebenen. Stichworte sind hier: die Errichtung des Technologiezentrum Flensburg, NIC und die Ansiedlung von Motorola und vieles mehr.
In diesem Zusammenhang war es sehr wichtig für die ganze Region, dass Flensburg endlich als Universitätsstandort anerkannt wurde.
Die Universität Flensburg kann nun an ihrem Profil weiterarbeiten und ihre Studienangebote attraktiver gestalten. Der SSW erwartet, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den dänischen Hochschulen ausgebaut und intensiviert wird.
Überhaupt wird es für die Entwicklung des Landesteils Schleswig in den nächsten Jahren sehr entscheidend sein, dass eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erreicht wird. Dabei wünscht sich der SSW mehr konkrete Projekte vor Ort - aus der Region für die Region.
Dazu sollte man durchaus die Expertise im bestehenden Regionskontor" nutzen und ausbauen, um verstärkt praktische Hilfen u.a. für die Grenzpendler geben zu können.
Dabei scheint eines klar: Die Fehmarnbelt-Querung wird so oder so kommen - das geht aus der Regierungserklärung eindeutig als Ziel der Landesregierung hervor - und die ersten privaten Bauherrenkonsortien stehen schon in den Startlöchern.
Wenn die Querung auch unter Umständen erst in 10 Jahren fertiggestellt wird, so bekommt dadurch schon heute die Regionalpolitik Schleswig-Holsteins eine neue Dimension.
Bereits heute hat die Zusammenarbeit mit der Hansestadt Hamburg für Schleswig-Holstein höchste Priorität. Eine Verwirklichung der Fehmarnbelt-Querung würde die wirtschaftliche Entwicklung rund um die Achse Hamburg-Kopenhagen-Malmö zusätzlich stärken. Dadurch würde sich der Abstand zwischen den wirtschaftlich starken Gebieten am Hamburger Rand - einschließlich der Landeshauptstadt Kiel - und dem nördlichen Landesteil wieder vergrößern.
Damit alles dies nicht zu Lasten der strukturschwachen Regionen geschieht, fordert der SSW die Landesregierung auf, die 10 Jahre bis zur Fertigstellung der Fehmarnbelt-Querung zu nutzen, durch eine aktive Regionalpolitik den nördlichen Landesteil und die Westküste weiter voranzubringen.
Dazu gehört im Zuge des Ausbaus der A20 eine schnelle Verwirklichung der westlichen Elbquerung bei Glückstadt mit Anbindung an die Westküste. Weiter fordert der SSW eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs - insbesondere einen Ausbau der Schienenanbindung Hamburg- Flensburg-København.
Auch das Regionalprogramm 2000 muss so gestaltet werden, dass die Regionen selbst ihre Projekte und die damit verbundenen Zielsetzungen definieren und mit einbringen können. Dabei begrüßt der SSW, dass das Land die Investitionshilfen für Betriebe verbessern will. Durch die Aufhebung der Beschränkung auf die sogenannten Konversionsstandorte kann jetzt die einzelbetriebliche Förderung in größerem Ausmaß, insbesondere in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland, wieder als Investitionshilfe genutzt werden.
Mit der Möglichkeiten, dass Produktions- und Dienstleistungsunternehmen für Investitionen einen direkten Zuschuss bis zu 15% bekommen können, wenn die Betreibe Arbeitsplätze schaffen und ihre Leistungen überregional absetzen, hat die Landesregierung eine alte SSW-Forderung erfüllt.
Durch neue Verkehrswege entsteht eine Neuordnung der Verkehrsinfrastruktur in Nordeuropa. Das Fehmarn-Belt-Projekt muss auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Dadurch verändern sich die Rahmenbedingungen für die Ostseekooperation. Zuständig für die Ostseekooperation ist mit dieser Legislaturperiode die Staatskanzlei, Ostseekooperation ist somit zur Chefsache deklariert worden. Dass der SSW zum Thema Chefsache" ein strapaziertes Verhältnis hat, liegt nicht an der Ministerpräsidentin.
Doch, wenn schon Chefsache", dann erwarten wir nicht nur Verwaltung", sondern verstärkt Gestaltung" in der Ostseepolitik des Landes.
Dabei ist die Zahl der Akteure gewachsen. Das Land Schleswig-Holstein muss zum Teil direkt mit Staaten konkurrieren, die die Ostseepolitik als hohe Priorität ihrer nationalen Außenpolitik begreifen. Dies gilt in erster Linie für die skandinavischen Staaten. Mit dem Regierungswechsel nach Berlin ist der Stellenwert der Ostseepolitik auf Bundesebene gewachsen. Hier gibt es dennoch einiges zu tun - trotz des Besuchs des Bundeskanzlers in Kolding
Es gilt auch in Zukunft zum einerseits die Präsenz Schleswig-Holsteins zu sichern, andererseits sollte unbedingt daran festgehalten werden, dass Ostseepolitik mehr ist als nur EU-Politik. Ostseekooperation läuft auf allen Ebenen und in unzähligen Gremien. Es ist sicherlich eine gute Idee, den Informationsfluss zu bündeln und eine zentrale Ansprechstelle für Brüssel zu schaffen. Es wäre aber ein Fehler, das kreative Chaos strukturieren zu wollen oder gar eine institutionalisierte Zusammenarbeit anzustreben. Durch die Beteiligung und Mitwirkung auf den verschiedensten Ebenen bekommt die Ostseezusammenarbeit eine entscheidende demokratische Dimension.
Ziel der Ostseepolitik des Landes sollte weiterhin sein, diese vielfältigen Verbindungen zu fördern und zu pflegen.
Auf europäischer Ebene wird in diesen Tagen konkret darüber diskutiert, inwieweit in einem zukünftigen europäischen Grundrechte-Katalog auch die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten berücksichtigt werden sollen. Gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse im Kosovo im letzten Jahr erscheint dieses eine mehr als sinnvolle Debatte.
In Schleswig-Holstein haben wir mit dem Artikel 5 der Landesverfassung zum Schutz der nationalen Minderheiten eine vorbildliche Regelung. In ihrer Regierungserklärung spricht die Ministerpräsidentin davon, dass Schleswig-Holstein in Europa als Vorbild für partnerschaftliches Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten gilt" und dass Dänen, Friesen, Sinti und Roma aktiv und selbstbewusst zur kulturellen Vielfalt und Attraktivität unseres Landes beitragen." Diese Formulierungen kann der SSW natürlich nur unterstützen.
Damit dieses allerdings in Zukunft auch so bleibt, kommt es entscheidend darauf an, dass die Minderheitenpolitik des Landes nicht zur Schönwetterpolitik verkommt.
Alle Formulierungen zum Schutz der Minderheiten sind nur so gut, wie sie sich auch im täglichen Leben verwirklichen lassen. Für den SSW geht es deshalb in der Minderheitenpolitik in den nächsten Jahren in erster Linie darum, dass diese Zielsetzungen mit Leben erfüllt werden.
Das gilt zum Beispiel auch für die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen", die von der Bundesrepublik ratifiziert worden ist. In Artikel 10 der Sprachencharta ist beispielsweise als Zielsetzung vorgegeben, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Bedarf diese Regional- und Minderheitensprachen bei dem Besuch von öffentlichen Behörden sprechen können sollten. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, in dem sowohl die Landesregierung als auch die Kommunen des Landes aufgefordert werden, bei Neueinstellungen die Kenntnis dieser Sprachen als ein zusätzliches Einstellungskriterium zu nutzen.
Mit Provinzialismus hat die Europäische Charta also sehr wenig zu tun, mit Toleranz und Respekt den Minderheiten gegenüber aber sehr viel.
Auch bei der Umsetzung der Staatszielbestimmung der Landesverfassung müssen wir weiter vorankommen. Dazu gehört, dass die Landesregierung bei der notwendigen Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen die gewünschten Änderungen auch auf die Belange der Minderheiten abklopft. Ich denke hierbei natürlich in erster Linie an die negativen Folgen für das Fach Friesisch nach der Änderung der Prüfungsordnung für das Lehramt.
Der SSW erwartet von der Landesregierung, dass sie sich für eine Lösung im Sinne des Erhalts des Faches Friesisch als Prüfungsfach einsetzt.
Auch für die Friesisch-Professur an der Universität Flensburg muss langfristig eine bessere Lösung gefunden werden. Es ist zwar positiv, dass Zuschüsse für Minderheiten im Haushalt 2001 nach Angaben der Landesregierung überrollt werden sollen, angesichts der anhaltenden Lohn- und Preisentwicklung ist dieses für die Organisationen natürlich dennoch eine Kürzung der Mittel.
Dazu kommt, dass es sehr bedenklich ist, dass Dänemark zunehmend den größten Teil der finanziellen Zuwendungen sowohl für die dänische als auch für die deutsche Minderheit zahlt.
Der SSW fordert die Landesregierung auf, auch diesen Sachverhalt bei den Änderungen der Schülerkostensätze für die dänischen Ersatzschulen, die nach Auslauf des jetzigen Kompromisses nach dem Jahre 2001 vorgenommen werden müssen, zu berücksichtigen.
Auch in der Frage der Bezuschussung der Schülerbeförderung für die Schulen der dänischen Minderheit ist das letzte Wort noch nicht gefallen.
Der SSW wird sich weiterhin für eine angemessene finanzielle und rechtliche Regelung in Sinne des Dänischen Schulverein einsetzen.
Dabei sind wir uns darüber im Klaren, dass eine Lösung die deutschen Schulen in freier Trägerschaft mit einbeziehen muss. Ein umfassendes Schülerbeförderungsgesetz ist nicht kostenlos zu haben - der SSW hat aber bereits in der letzten Legislaturperiode auf mögliche Finanzierungen hingewiesen.
In ihrer Regierungserklärung hebt die Ministerpräsidentin hervor, dass es keine Alternative zu einer Konsolidierung des Landeshaushaltes gibt. Wir teilen dies Auffassung.
Dennoch fordert der SSW die Landesregierung auf, das strukturelle Defizit für den Haushalt 2001 von 750 Millionen DM, das hauptsächlich durch die Belastungen des Bundes zu Stande kommt, nicht einfach zu akzeptieren.
Weder das Land noch die Kommunen in Schleswig-Holstein können eine solche finanzielle Kürzung verkraften. Auf Landesebene kann sich der SSW keine weiteren Einsparungen bei den verschiedenen Institutionen, Vereinen und Wohlfahrtsverbänden vorstellen oder bei den Investitionen, die auf einem Tiefstand sind, vorstellen.
Dabei kann es nicht angehen, dass die Bundesregierung zusätzliche Mehreinnahmen von wahrscheinlich über 100 Mia. DM Höhe nicht zur Finanzierung der angepeilten Unternehmersteuerreform benutzen will, sondern dass die Länder und Kommunen weiterhin die Hauptlast dieser Reform tragen sollen. Der SSW fordert daher die Landesregierung auf, sich über den Bundesrat entschieden für eine Änderung in der Finanzierung der Unternehmersteuerreform einzusetzen.
Die zusätzlichen Belastungen für die Länder und Kommunen im Zuge der Unternehmersteuerreform müssen begrenzt werden.
So dürfen zum Beispiel die geplanten Änderungen in der Finanzierung von Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen nicht auf den Rücken der Kommunen erfolgen. Dazu fordert der SSW eine andere Prioritätensetzung bei der Entlastung der Wirtschaft. Statt den Konzernen massive Steuersenkungen zu geben, sollten die kleineren und mittleren Unternehmen, die auch am meisten neue Arbeitsplätze schaffen, stärker entlastet werden.
Auch bei den großen Liberalisierungen und Privatisierungen muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen schafft.
So gestaltet sich die Liberalisierung der Energiewirtschaft weiterhin problematisch. Durch den jetzt entstandenen Preiskampf ist man völlig von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Energiepolitik abgerückt. Zurzeit herrscht ein rein ökonomisches Denken vor. Es ist zu hoffen, dass die Stellung der alternativen Energien durch das neue Erneuerbare Energie-Gesetz" gestärkt wird und man so zu einer Balance zurückfindet, die neben der Ökonomie auch der Ökologie Rechnung trägt. Dies würde auch den Inhalten der Agenda 21 entsprechen, die endlich auf Landesebene weiter vorangebracht werden müssen.
In der Umweltpolitik gilt es, auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre aufzubauen. Insbesondere muss an der Westküste die Nationalpark-Service-GmbH auf sichere Beine gestellt werden. Der Nationalpark-Service und das Nationalparkamt müssen in Zukunft noch mehr als bisher das Bindeglied zwischen Naturschutz und den Menschen bilden.
In diesem Zusammenhang begrüßt der SSW ausdrücklich die Äußerungen des neuen Umweltministers, die betroffenen Menschen rechtzeitig und umfassend in die Entscheidungsprozesse mit einbinden zu wollen.
Der SSW hat Heide Simonis` Wahl zur Ministerpräsidentin unterstützt. Unsere Stimmen sind allerdings keineswegs ein Blankoscheck für die Ministerpräsidentin und ihr neues Kabinett.
Der SSW wird aufmerksam und kritisch verfolgen, ob es der neuen Landesregierung gelingt, in den nächsten fünf Jahren das Land mit Schwung voranzubringen. Dabei bleibt die Leitlinie für unsere Politik das Wahlprogramm des SSW.
Die heutige Regierungserklärung der Ministerpräsidentin gibt uns die Hoffnung, dass Schleswig-Holstein Segel gesetzt hat und, dass das Regierungsboot die richtigen Koordinaten hat, um ans Ziel zu kommen.