Rede · 12.07.2007 Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz


Das neue Schulgesetz steht unmittelbar vor dem ersten Praxistest, wenn nach den Sommerferien sieben Gemeinschaftsschulen an die Arbeit gehen. Lange hat es gedauert, bis konservativer Bildungsdünkel überwunden werden konnte und sich die gemeinsame Beschulung durchsetzte, von der alle Schülerinnen und Schüler profitieren werden. Die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen nach skandinavischem Vorbild ist ein großer Fortschritt für die Schulpolitik in Schleswig-Holstein.

Das Schulgesetz hat allerdings Kinderkrankheiten, Lücken und an einigen Stellen ist es schlicht und einfach untauglich für die Praxis. Der SSW unterstützt alle Bemühungen aus dem Parlament heraus, das neue Gesetz zu optimieren. Es geht hier um mehr als um redaktionelle Fehler, sondern um Systemlücken, die jetzt langwierig nachgebessert werden müssen. Das ist umso bedauerlicher, da in Sachen Schulpolitik keine Ruhe einkehrt und stattdessen den Befürwortern des gegliederten Schulsystems in die Hände gespielt wird.

Ich habe bereits in einer früheren Debatte auf die Blockadehaltung in vielen Kreisen unseres Landes hingewiesen, wo CDU-Mehrheiten mittels der Schulentwicklungsplanung langfristig die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen zu behindern versuchten. Konkret ist der Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg auf diesen juristischen Taschenspielertrick verfallen, um Initiativen vor Ort zu sabotieren. Ich wiederhole daher: Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn die Schulentwicklungsplanung gegen den ausgesprochenen Willen der Eltern und auch des Schulträgers in Stellung gebracht wird, obwohl diese gern von der neuen Schulform profitieren wollen, um unter anderem ihre ländlichen Schulstandorte erhalten zu können. Das Motto „Kurze Wege für kurze Beine“ kann nur gelten, wenn sich die CDU-Kreisfürsten von ihren lieb gewordenen Prinzipien verabschieden. Ich empfehle einen Besuch in Handewitt, wo dem Gemeinderat nach dem positiven Bescheid aus dem Bildungsministerium, dass dort eine Gemeinschaftsschule eingerichtet werden kann, richtiggehend zum Feiern zu Mute war. Dort begreift man die Chance, die sich aus der Gemeinschaftsschule ergibt und hat auch keine Angst vor notwendigen Investitionen. So positiv kann Schulpolitik aussehen.

Die Grünen schlagen nicht nur die Erhaltung bestehender Standorte vor, sondern wollen im Schulgesetz auch die Möglichkeit einbauen, dass Gemeinschaftsschulen ganz neu gegründet werden können. Ich kann mir momentan nicht vorstellen, wie viele Neugründungen es wirklich geben sollte, bin aber davon überzeugt, dass wir diese Möglichkeit schaffen sollten.

Anders beurteilt der SSW die Forderung nach gebundenen Ganztagsschulen. Ich möchte davor warnen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Und genau das ist es, was die Grünen fordern. Die pädagogischen Angebote in den offenen Ganztagesschulen am Nachmittag entsprechen noch nicht durchgehend professionellen Standards. Es mag daran liegen, dass die Schulträger den Kindern nach einem langen Unterrichtstag nicht mehr so viel zumuten mögen, es kann sich aber auch falsche Sparsamkeit hinter diesen Maßnahmen verstecken. Ich möchte hier nicht einem Acht-Stunden-Tag für die Kleinen das Wort reden, denn genau das würde Überforderung mit sich bringen und den Kindern die Freude am Entdecken neuer Zusammenhänge und dem Lernen vergällen.

Aber Ganztagsschule darf keine Kinderbewahranstalt sein. Wir dürfen niemals vergessen, dass die Kinder im Mittelpunkt stehen und dementsprechend professionelle Angebote machen. Wir kommen daher um eine Hauptamtlichkeit bei der Ganztagsbetreuung nicht herum. Einige Schulen bauen nicht etwa „Hortplätze“ aus, sondern streben eine möglichst kostenneutrale Realisierung an; schließlich haben die Umbauarbeiten für die Nachmittagsbetreuung vielerorts bereits viel Geld verschlungen. Oftmals wird die Arbeit von pädagogischen Laien auf 400 Euro-Basis durchgeführt oder von Ehrenamtlichen aus Sportvereinen mit erledigt. Da eine Fortbildung in der Regel unüblich ist, müssen wir das ändern: für den Nachmittag brauchen wir professionelle Betreuungskräfte mit pädagogischem Know-how, die auch angemessen bezahlt werden.
Soll heißen: Der SSW hat sich in der Vergangenheit für die Einführung der offenen Ganztagsschule ausgesprochen. Schon 2004, als das Bildungsministerium eine erste Bestandsaufnahme über die Einführung von offenen Ganztagsangeboten dem Parlament, vorstellte, haben wir hervorgehoben, dass wir bei dieser Art der Nachmittagsbetreuung ohne die Einstellung von zusätzlichem sozialpädagogischem Personal den Qualitätsanforderungen der KMK  letztlich nicht gerecht werden. Wir meinten damit nicht die Einführung von ganztägigen Schulen. Gemeint  ist vielmehr, dass Sozialkompetenz, Kreativität und das Erkunden der Welt auch pädagogisch organisiert werden muss. Dieser Ansatz ist uns wichtiger als ein Umsatteln auf  das Konzept der gebundenen Ganztagsschule.

In einem weiteren Antrag  wollen die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen herbeiführen, dass die Pflichtstundenzahl für Lehrerinnen und Lehrer an den weiterführenden Schulen neu festgesetzt wird.  Der Antrag sieht vor, dass für alle Schularten die gleichen Regelungen gelten.  Der SSW unterstützt diese Position. Dabei geht es uns nicht um Gleichmacherei, sondern um die Anerkennung gleicher Ansprüche, die aus gleichwertiger Arbeit erwachsen. Mit der Annahme des Antrags setzen wir gleichzeitig ein deutliches Zeichen gegen die falsche Hierarchisierung innerhalb der Lehrerschaft, die sich in den letzten Jahren eingeschlichen hat. In der Schule kommt es auf die angemessene pädagogische Vermittlung an, bei der es keine Rolle spielt, ob Sechsjährige oder 16jährige unterrichtet werden. Beide Schülergruppen stellen spezifische Ansprüche und denen muss genügt werden. Demzufolge ist es nur folgerichtig, die Pflichtstundenzahl unabhängig von der Schulform festzulegen.

Seit Vorgestern gibt es nunmehr einen Kompromissvorschlag der Großen Koalition, mit dem wir leben können. Er ist pragmatisch und berücksichtigt die Forderung nach gleichen Regeln für alle Schullaufbahnen. Kritisch sehen wir in diesem Zusammenhang aber, dass nicht alle freiwerdenden Mittel wieder in den Bildungshaushalt zurück  fließen. Schule ist eine wichtige Zukunftsinvestition und darf aus Sicht des SSW nicht als Einsparmasse herangezogen werden.

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