Rede · 21.03.2024 Sprachenvielfalt ist nicht nur nice-to-have‘

„Wir wollen, dass der Mehrwert der Sprachenvielfalt für unsere Gesellschaft durch Minderheiten- und Regionalsprachen erkannt wird und sie zu Grundpfeilern der Medien, der Verwaltung und des Bildungssystems werden!“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 11/19/44 - Unterstützung für eine EU-Institution zur Förderung der Sprachenvielfalt, Europeada unterstützen: breite Aufmerksamkeit für Minderheiten in Europa, Bericht zur Charta der Regional- und Minderheitensprachen (Drs. 20/1872(neu), Drs. 20/1974, Drs. 20/1970)

In der Europäischen Union gibt es neben den 23 Amtssprachen über 60 Regional- oder Minderheitensprachen, die von rund 40 Millionen Menschen gesprochen werden. Viele dieser Sprachen sind jedoch akut bedroht. Und wir wissen: mit jeder Sprache, die ausstirbt, verschwindet ein Stück Kultur. So stirbt aber auch Stück für Stück die kulturelle Vielfalt Europas. 
Nicht alle Staaten Europas setzen sich in gleichem Umfang für die Förderung der Sprachenvielfalt ein. Und es ist auch nicht immer leicht. Wie fördert man eine Sprache, die keine einheitliche Schriftsprache hat? Oder eine Sprache, die nur von einem kleinen Sprecherkreis in einer kleinen Region gesprochen wird? 
Es braucht detailliertes Wissen über die Minderheiten, ihre Sprachen und ihre Herausforderungen. Hier wäre eine europäische Institution zur Förderung der Sprachenvielfalt von großem Nutzen. 
Dort gäbe es die Möglichkeit, Forschungsmittel einzuwerben, um Sprachen und Kulturen zu erforschen, aber eben auch im Konkreten zu helfen, Best-Practice-Projekte von einer Sprache und Volksgruppe auf eine andere zu übertragen.
Ich begrüße zudem die Idee, diese EU-Institution hier in unserem Deutsch-Dänischen Grenzland anzusiedeln. Wir sind eine Region mit großer Sprachenvielfalt, die als positives Beispiel für andere Regionen dienen kann. Zudem haben wir mit dem ECMI und der FUEN schon zwei Institutionen, die über große Kompetenz und Netzwerke im Bereich der Minderheiten verfügen. 
Allerdings möchte ich hier auch kritisch bemerken, dass die EU-Kommission unter anderem mit der Abweisung der MSPI-Initiative deutlich gemacht hat, dass Minderheitenpolitik sie nicht interessiert. Meine Hoffnung liegt jetzt bei der im Juni neu geformten EU-Kommission, endlich Taten sprechen zu lassen und die Rechte der nationalen Minderheiten umfassend zu schützen. Ein erster Schritt hierfür ist die Ernennung eines Minderheitenkommissars! 

Nichtdestotrotz zeigt der Bericht zur Charta der Regional- und Minderheitensprachen, dass auch wir in unserer Region weit davon entfernt sind, unsere Minderheiten- und Regionalsprachen ideal zu fördern. 
Schauen wir uns den Bericht an, so wird deutlich, dass die Minderheiten, Volksgruppen und Sprachen zwar verschiedene sind, sie jedoch ganz ähnliche Probleme haben. Es geht um Bildung, Anerkennung, Langfristigkeit und Sichtbarkeit. 
Es geht darum zu erkennen, dass Sprachenvielfalt nicht nur ‚nice-to-have‘ ist, sondern konkretes Handeln erfordert, um diese Vielfalt zu schützen und zu fördern. 
Minderheiten- und Regionalsprachen müssen in Medien, Verwaltung und im Ausbildungssystem einen Platz haben. Besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss erkennen, dass mediale Inhalte auf Minderheitensprachen keinen ‚Ausschalteffekt‘ haben. Sie fördern das Interesse und besonders das Bewusstsein der Menschen für die Vielfältigkeit ihrer eigenen Region. 
Außerdem sind professionelle und vor allen Dingen langfristige Strukturen notwendig. Wir wollen, dass der Mehrwert der Sprachenvielfalt für unsere Gesellschaft durch Minderheiten- und Regionalsprachen erkannt wird und sie zu Grundpfeilern der Medien, der Verwaltung und des Bildungssystems werden!
Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr für eine ganz besondere Sichtbarkeit der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland sorgen. Die Europeada ist mit ihren mehr als 1000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern auch ein Kultur- und Sprachenfest. Fußball und Sport verbindet. Und der kulturelle Austausch zwischen den europäischen Minderheiten verbindet auch. Mit Spielstätten in Nordfriesland, Sydslesvig und Nordschleswig werden die Teams und die Zuschauer und Zuschauerinnen das volle Spektrum der in unserer Region lebenden Minderheiten erleben. Es liegt auch im Interesse Schleswig-Holsteins, dass so viele Menschen wie möglich von diesem Großereignis erfahren und die Spiele besuchen. Ich freue mich schon sehr, das wird wirklich einzigartig! 
Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Minderheiten und Regionalsprachen müssen geschützt und gefördert werden. Egal ob lokal, national oder auf europäischer Ebene. Ohne sie sterben nämlich nicht nur die Minderheiten und Volksgruppen aus, sondern auch ein Grundpfeiler unserer Gesellschaften, unserer Regionen und vor allen Dingen der Europäischen Union: echte, gelebte Vielfältigkeit.

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