Rede · 10.12.2020 Landeskrankenhausgesetz Vorhandene Spielräume nicht genutzt

„Leider wurden nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine bessere Versorgung für besonders schutz- und hilfsbedürftige Gruppen zu erreichen“

Christian Dirschauer zu TOP 5 - Entwurf eines Krankenhausgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Drs. 19/2042 und 19/2600)

Schleswig-Holstein ist bekanntlich das letzte Bundesland, das noch kein eigenes Landeskrankenhausgesetz hat. Neben Fragen der Krankenhausförderung und -planung, die bisher im Krankenhausfinanzierungsgesetz geregelt sind, sollen im neuen Gesetz nun alle Belange einer qualifizierten stationären Versorgung zusammengefasst werden. So werden die Kliniken im Land zum Beispiel durch die Einführung einer Krankenhausaufsicht zu mehr Transparenz verpflichtet. Und auch zu weiteren wichtigen Themen, wie etwa den Patientenrechten oder dem Rettungswesen werden konkretere gesetzliche Regelungen getroffen. Das ist vom Grundsatz her natürlich zu begrüßen.

Mein Vorgänger Flemming Meyer hat schon in der ersten Lesung ausdrücklich anerkannt, dass wir mit diesem Gesetz zu Verbesserungen im Sinne der Patientinnen und Patienten kommen. Das gilt vor allem mit Blick auf die Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten. Aber auch für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf sind kleinere Fortschritte bei der Versorgung erkennbar. So sollen zum Beispiel Betreuung und Besuchszeiten angepasst und die Mitaufnahme von Begleitpersonen ermöglicht werden. Und auch wenn ohnehin kaum mehr ein Weg daran vorbeiführt, begrüßen wir grundsätzlich auch die Vorgaben zur Vernetzung und Spezialisierung unserer Kliniken. Diese Punkte will ich gar nicht in Abrede stellen.

Gleichzeitig ist uns bewusst, dass sich die Krankenhausgesetze der Länder durchaus unterscheiden. Längst nicht alles wird überall im Detail geregelt. Das ist auch gar nicht Sinn und Zweck eines solchen Gesetzes. Trotzdem ist im weiteren Verlauf bei vielen Beteiligten der Eindruck entstanden, dass die Landesregierung mit ihrem Entwurf hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Spätestens mit der mündlichen Anhörung wurde deutlich, dass durchaus relevante Dinge nicht mit in den Entwurf aufgenommen werden. Offenbar hat man sich aber ganz bewusst dagegen entschieden. Das ist aus meiner Sicht bedauerlich.
Bedauerlich deshalb, weil eben nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine bessere Versorgung für besonders schutz- und hilfsbedürftige Gruppen zu erreichen. Sowohl für Kinder wie für Menschen mit Behinderungen aber auch für Demenzkranke und für sterbende oder unheilbar erkrankte Patientinnen und Patienten lagen entsprechende Vorschläge auf dem Tisch. Maßnahmen und Konzepte, die den Klinikalltag für diese Patientengruppen verbessern, hätte man durchaus im Abschnitt zu den Pflichten der Krankenhäuser verankern können. Und durch die erweiterten Aufsichtsmöglichkeiten hätten wir als Land eben auch auf die Einhaltung dieser Vorschriften hinwirken können. 

Nach unserer Einschätzung handelt es sich eben nicht um Petitessen und ist auch kein „Wünsch-dir-was“, wenn der Kinderschutzbund wiederholt auf die Notwendigkeit von Schutzkonzepten hinweist. Wir nehmen es ernst, wenn der DKSB zuletzt in seiner zusätzlichen Stellungnahme anlässlich der abschließenden Beratung im Ausschuss auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen hinweist. Junge Menschen haben nun mal ein bundesgesetzlich verankertes Recht auf Schutz und Sicherheit in Organisationen und Einrichtungen. Und die Tatsache, dass sie im Krankenhaus im doppelten Sinne abhängig und auf Schutz angewiesen sind, ist doch völlig einleuchtend. Denn sie sind nicht nur aufgrund ihrer Erkrankung, sondern auch aufgrund ihrer Entwicklung vom Klinikpersonal abhängig. Die Forderung, dies in allen Krankenhäusern, die Kinder und Jugendliche behandeln, durch gesetzlich vorgeschriebene Schutzkonzepte auszugleichen, ist und bleibt aus Sicht des SSW absolut sinnvoll.

Ähnliches gilt bei der Versorgung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Auch für sie hätten wir uns in diesem Zusammenhang einen höheren Versorgungsstandard gewünscht. Denn sie sind, ähnlich wie Menschen mit Behinderungen, bei einem Klinikaufenthalt in besonderem Maße auf Hilfestellung angewiesen. Nicht nur weil die Zahl der Menschen mit einer Demenz stetig steigt, brauchen wir für sie eine angemessene Ansprache und angepasste Versorgungskonzepte. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass wir den Krankenhäusern neben diesen Dingen auch die Bestellung von Demenzbeauftragten gesetzlich vorgeben. Damit hätte man im Übrigen auch eine wesentliche Empfehlung des Kompetenzzentrums Demenz umgesetzt.

Natürlich lösen die genannten Beispiele Kosten aus. Und für uns ist klar, dass wir unsere Krankenhäuser damit nicht allein lassen dürften. Gleichzeitig wissen wir, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes zunehmend begrenzt sind. Aber bei allem Verständnis hierfür bleibt es bedauerlich, dass man vorhandene Spielräume nicht nutzt, obwohl man mitunter sogar weitergehenden Handlungsbedarf erkennt. Bleibt zu hoffen, dass die eine oder andere Chance vielleicht doch noch genutzt und nachgesteuert wird.

 

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