Rede · 17.06.2010 Weiterbildungsgesetz
Manchmal ist es von Vorteil, wenn man schon seit einigen Jahren dabei ist. Bestimmte Themen wiederholen sich, ebenso die Diskussionen und die Argumente. Als ich 1996 kurz nach meinem Einzug in dieses Parlament auf der Jahrestagung des Volkshochschulverbandes war, sagte Herr de Jager - damals gerade zum weiterbildungspolitischen Sprecher der CDU aufgestiegen -, dass wir unter dem Eindruck einer sich ständig verschlechternden Haushaltslage stünden und es unter diesem Gesichtspunkt wenig sinnvoll sei, ein Weiterbildungsgesetz zu verabschieden. Wie Sie sehen, hat sich seitdem wenig verändert. Die Haushaltslage ist immer noch schlecht und auch die Argumente gegen ein Weiterbildungsgesetz sind damals genauso schlecht wie heute.
Wir haben es also mit einer Diskussion zu tun, die alt und bekannt ist. In dem vorliegenden Antrag fordert die SPD ein Weiterbildungsgesetz, in dem die Aufgabenverteilung, die Anerkennung von Einrichtungen, die Weiterbildungsverbünde, das Recht auf Bildungsurlaub und die Berichtspflichten geregelt werden. Ich will den Antrag nicht schlecht reden, aber mit Blick auf die Historie und die bereits geführten Debatten zu diesem Thema wäre mehr auch wirklich mehr gewesen. Denn gehört zur Geschichte dazu, dass die SPD schon in eigenen Koalitionsverträgen verankert hatte, dass sie ein Weiterbildungsgesetz verabschieden wollte.
Dies darf aber nicht davon ablenken, dass die Forderung nach einem Weiterbildungsgesetz auch 30 Jahre nach dem allerersten Weiterbildungsgesetz immer noch aktuell und notwendig ist. Weiterbildung hat in den meisten Bundesländern Verfassungsrang, 14 von 16 Bundesländern haben Weiterbildungsgesetze, die im Kern alle die Weiterbildung als eigenständigen und gleichberechtigten Teil des Bildungswesens sehen. Innovative Gesetze, die wirklich eine strukturelle und finanzielle Entwicklung der Erwachsenen- und Weiterbildung sichern, gibt es jedoch kaum. Im Kern dienen die Gesetze viel mehr dem Ausdruck eines politischen Stellenwertes und der Verortung von Weiterbildung in der Landespolitik.
Mir ist ehrlich gesagt rätselhaft, warum es in Schleswig-Holstein nie gelungen ist, ein Erwachsenen- und Weiterbildungsgesetz zu verabschieden. Kaum ein anderes gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Ziel findet so breiten Konsens wie die Forderung, Weiterbildung auszubauen. Mit dem Bildungsurlaubsgesetz wird diese Forderung allerdings nicht erfüllt und das BFQG ist auch kein Ersatz für ein Weiterbildungsgesetz. In Schleswig-Holstein herrscht in Sachen Weiterbildung seit vielen Jahren Stillstand. Mit anderen Worten ist Schleswig-Holstein hier noch ein Entwicklungsland, das von einer Politik des Nichteinmischens geprägt ist. Für den SSW möchte ich allerdings ganz klar sagen, dass wir keine Verschiebebahnhöfe mehr brauchen, sondern eine Lastenverteilung zwischen öffentlicher Hand, Individuen und Unternehmen und vor allem eine Politik der Erwachsenen- und Weiterbildung, die auf die Zukunft gerichtet ist und den Stellenwert des Lebenslangen Lernens lebt.
Auf der bereits angesprochenen Jahrestagung sagte der damalige Vorsitzende des Volkshochschulverbandes, Herr Hutterer: „Wer heute ein Gesetz fordert (…), gilt entweder als verantwortungsloser Glücksspieler oder als naiver, politischer Träumer.“ Damals wie heute denke ich, dass gerade diejenigen, die ein Gesetz fordern, verantwortungsvolle Realisten sind. Zunehmend ist die Weiterbildung geprägt von Entstaatlichung, Kommerzialisierung, Individualisierung und Projektorientierung. Es gibt haufenweise wissenschaftlicher Analysen dazu, welche langfristigen Konsequenzen diese Entwicklung für die Weiterbildung hat. Und um es kurz zusammenzufassen, wenn wir so weitermachen, wird Weiterbildung zum privaten Gut, dass sich nur noch die Reichen leisten können.
Darum kann es aber keinem von uns gehen. Für den SSW sage ich daher in aller Deutlichkeit, wir brauchen ein Erwachsenen- und Weiterbildungsgesetz, in dem nicht nur die berufliche Weiterbildung gesichert wird, sondern auch die Erwachsenenbildung an den Volkshochschulen und Bildungsstätten im Land. Ein Weiterbildungsgesetz ist dabei nicht nur ein Struktur- und Leistungsgesetz. Es geht auch darum, ein Weiterbildungsgesetz als Gestaltungsgesetz zu nutzen, um die Erwachsenen- und Weiterbildung in Schleswig-Holstein weiterzuentwickeln.