Rede · 25.11.2022 Willkür und Angriff auf die Demokratie

„Sie wollen Bürgerbegehren erschweren. Sie wollen Fraktionsarbeit behindern. Und Sie wollen ein unterschiedliches Wahlrecht in Schleswig-Holstein schaffen.“ 

Lars Harms zu TOP 10 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften (Drs. 20/377)

Verantwortung abgeben ist bei dieser Landesregierung, da wo sie sich nicht einig wird, beliebt. Oder da, wo sie starke Reaktionen aus der Bevölkerung oder den eigenen Reihen befürchtet. 
Nun sollen also auch die Kreise und Kommunen selbst darüber bestimmen, ab wann eine Fraktion eine Fraktion ist. Sie nennen ihren Gesetzesentwurf „Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften“. Die Presse ist da schon viel transparenter. Ihr Antrag läuft mittlerweile unter Überschriften wie „Maßnahmen für den Demokratieabbau“. „Willkür und Angriff auf die Demokratie“ wäre meiner Meinung nach noch treffender gewesen. Und ich will Ihnen auch sagen warum. 

Sie wollen es den Kreisen und Kommunen freistellen, die Mindestzahl der Mitglieder einer Fraktion auf zwei oder drei festzulegen, sofern die Gemeindevertretungen 31 oder mehr Mitglieder haben. Für meine Stadt Husum bedeutet das, dass unser Stadtrat, der momentan 27 Mitglieder hat, diese Entscheidung aktuell nicht fällen kann. Nach der Kommunalwahl, wenn es zu bloß vier Überhangsmandaten käme, könnte er das jedoch. In der Stadt hat sich derweil nichts verändert. Das, meine Damen und Herren ist Willkür.  
Sie ermöglichen so die parteitaktische Auslegungsmöglichkeit des Kommunalrechts. Sie lassen es zu, dass große Fraktionen ihre unliebsame Konkurrenz wegmarginalisieren. Da, wo die Zusammenarbeit und der Umgang in der kommunalen Vertretung gut läuft, wird diese Möglichkeit vielleicht nicht in Betracht gezogen. Da, wo kleine Fraktionen zu laut sind, vielleicht doch. Das, meine Damen und Herren, ist undemokratisch. 
Sie argumentieren nun selbst im Begründungstext Ihres Gesetzentwurfes damit, Sie würden so die Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen stärken wollen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn die Arbeitsfähigkeit kleiner Fraktionen schwächen Sie ganz extrem. Und somit auch die Funktionsfähigkeit von Gemeindevertretungen insgesamt.

Eine absolut absurde Idee ist das für mich. Sie ebnen den Weg für unterschiedliches Kommunalrecht von Kommune zu Kommune in Schleswig-Holstein. Unterschiedliche Möglichkeiten für kommunale Vertretungen, unterschiedliche Teilhaberechte in Ausschüssen, unterschiedliches Ausleben demokratischer Wahlämter. 
Und Sie planen das, wohlwissend, dass wir alle vor dem Problem stehen, Menschen für kommunalpolitische Ehrenämter zu gewinnen. Es macht überhaupt keinen Sinn, hier Rechte einzuschränken. Ihr Vorhaben ist absolut kontraproduktiv. Sie erschweren damit unnötig die politische Arbeit kleiner Parteien. 

Und da bin ich einfach nur froh, dass es bereits jetzt Kommunen gibt, die sich diesen Plänen in den Weg stellen. In Rendsburg-Eckernförde hat sich der Kreistag schon gegen neue Grenzen bei Fraktionsgrößen ausgesprochen. Außer CDU und AFD haben alle Fraktionen in Rendsburg-Eckernförde für eine Resolution gestimmt, die eine Neuregelung der Gemeindeordnung ablehnt und betont, dass Fraktionen – und zwar alle – ein „wichtiges Instrument der politischen Teilhabe und der Repräsentation des demokratischen Bürgerwillens“ sind. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen erinnerte übrigens daran, dass auch die Grünen einmal als Kleinpartei angefangen haben. Sie stellte außerdem fest, dass die kleinen, demokratischen Parteien eine Bereicherung in der kommunalen Selbstverwaltung darstellen. Ich finde es bitter, dass die nun große Fraktion der Grünen im Landtag sich scheinbar nicht mehr daran erinnern kann. 

Oder, nochmal zurück zur Willkür und zum Demokratieabbau, nehmen wir die Bürgerbegehren.  Die schwarz-grüne Zweidrittel-Mehrheit im Land möchte nun, dass bei Zweidrittel-Mehrheiten in Gemeindevertretungen, Bürgerentscheide nicht mehr zulässig sind. Auch dies, eine absolut willkürliche Festlegung, mit der demokratisch wertvolle Instrumente abgebaut werden. Denn nicht die Bürgerinnen und Bürger, ihre demokratische Teilhabe und Mitbestimmung sind das Problem. In den meisten Fällen ist es einfach nur das Planungsrecht und darum müssten Sie sich eigentlich kümmern. 

Was steht nun unterm Strich: 
Sie wollen Bürgerbegehren erschweren. 
Sie wollen Fraktionsarbeit behindern. 
Und Sie wollen ein unterschiedliches Kommunalrecht in Schleswig-Holstein schaffen. 

Wir waren einmal stolz darauf, in Schleswig-Holstein eines der Länder mit der besten Bürgerbeteiligung zu sein. Wir hatten als Küstenkoalition hier Quoren gesenkt und Bürgerbegehren und Bürgerentscheide einfacher möglich gemacht. Die Jamaika-Koalition hat seinerzeit voll und ganz hinter diesen Regelungen gestanden. Es gibt jetzt überhaupt keine Not, hier Bürgerbeteiligungen einzuschränken. Und deswegen kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Der SSW macht bei diesem Demokratieabbau nicht mit! 

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