Rede · 24.03.2023 Wir können das Risiko reduzieren - ganz verschwinden wird es nicht

„In vielen Fällen gibt es keine einfachen Lösungen und schon gar keine schnellen.“

Lars Harms zu TOP 39 - Vertrauen in den Rechtsstaat stärken (Drs. 20/825)

Ich finde den ersten Satz Ihres Antrags durchaus bemerkenswert. Manchmal überliest man ja einleitende Sätze etwas, aber in diesem Fall sind sie bedeutsam. 
Denn ja, erstens: 
Der Messerangriff im Regionalexpress in Brokstedt hat mehrere Schwachpunkte der 
Behörden offenbart. 
Zweitens: 
auch bei einem reibungslosen Ablauf hätte er leider wohl nicht verhindert werden können.
Und schließlich drittens: 
Die von Ihnen dargestellten Maßnahmen können vielleicht trotzdem zur Reduzierung des Risikos solcher Taten beitragen. 
Ich mache das einmal Schritt für Schritt: 
Ein Pilotprojekt einer multiprofessionellen Gewaltpräventionsambulanz ist vielleicht, obwohl er etwas unscharf formuliert ist, in Verbindung mit der Aus- und Bewertung des Übergangsmanagements aus dem Justiz- und Maßregelvollzug, der zielführendste Punkt des Antrags. Denn in der Tat gibt es in Bayern vielversprechende Anlaufstellen um Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen, die zu Gewalt neigen, zu unterstützen und gewaltpräventiv zu stabilisieren. So etwas können wir uns sehr gut in Schleswig-Holstein vorstellen. Allerdings würde ich das wirklich gerne im Ausschuss vertiefend besprechen, vielleicht lässt sich das ja sogar mit den Forderungen der SPD vereinen.  
Die weiteren Punkte ihres Antrags richten sich an den Bund. 
Der Forderung nach einem verbesserten Informationsaustausch zwischen den Behörden können wir als SSW vorbehaltlos zustimmen. Die Informationen müssen nicht nur zwischen Strafverfolgung und anderen Behörden, sondern auch zwischen den Bundesländern und den Bundesbehörden ganz generell besser ausgetauscht werden können. Übrigens macht der Änderungsantrag der FDP da folgerichtig Sinn, auch ich hatte nach den Ausführungen des Ministeriums nicht den Eindruck, dass wir eine Struktur wie GERAS in Schleswig-Holstein bereits haben. 
Es ist außerdem richtig, eine Überprüfung der Definition und Erfassung von den sogenannten Intensiv- und Mehrfachtäterinnen und -tätern, genau wie für den Begriff „schwere Straftat“ anzuregen. Aus den Gesprächen im Ausschuss wurde immer wieder klar, wie schwierig die Antwort auf die Frage fiel, ab wann diese Beschreibung auf Menschen zutrifft. 
Etwas komplizierter verhält es sich mit der Notwendigkeit zur Prüfung eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs für Körperverletzungsdelikte, die mit Messern begangen werden. 
Klar ist, dass Messer zu den gefährlichsten Waffen gehören. Zum einen, weil sie so leicht erhältlich sind, zum anderen, weil Taten mit ihnen oft tödlich enden. 
In der Regel handelt es sich bei Angriffen mit dem Messer um impulsive Taten und Situationen. 
Gerade weil Messer für eigentlich alle zugänglich sind, darf es hier aber nicht nur um eine Anpassung des Strafmaßes gehen. Vielmehr müssen wir auch hier über Gewaltpräventionsmaßnahmen nachdenken, besonders auch schon für junge Menschen. 
Nun komme ich zum kompliziertesten Teil ihres Antrags. Der „konsequenten und zügigen Rückführung von Täterinnen und Tätern schwerwiegender Straftaten“. 
Für uns als SSW möchte ich vorab einmal festhalten: es darf hier nur um eine extrem kleine Klientel gehen, die extreme Vergehen begehen. 
Neulich habe ich ein Radiointerview mit dem ehemaligen Landes- wie Bundesinnenminister Thomas De Maiziére zu diesem Thema gehört, der mit Blick auf Abschiebungen sagte: „Es bleibt ein mühsames Geschäft, das ist nötig, aber es wird nicht zu spektakulären Erfolgen führen können.“ 
Und das ist ganz einfach dem geschuldet, dass es in vielen Fällen keine einfachen Lösungen gibt und schon gar keine schnellen. 
Generell gilt die völkerrechtliche Verantwortung von Staaten, bei geklärter Staatszugehörigkeit, ihre Bürgerinnen und Bürger wieder aufzunehmen. 
Mit Staaten, die dazu nur bedingt bereit sind, lässt sich verhandeln. Man kann in bestimmten Fällen auch versuchen, mit Nachbarstaaten Abkommen zu schließen.
Bei Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit oder gar staatenlosen Menschen braucht es Staaten, die willens sind, sie aufzunehmen. 
Bei straffällig gewordenen Menschen gestalten sich diese Verhandlungen oft schwierig. 
Sie können sich vorstellen, dass auch andere Staaten kein großes Interesse haben an Menschen, von denen eine teils große Gefahr ausgeht. 
Bei staatenlosen Menschen fehlt dieser Staat. Also müsste man mit anderen Staaten verhandeln. Und das ist bei gewaltbereiten, straffällig gewordenen und kriminellen Menschen nachvollziehbar schwierig. 
Und so einfach es auch daher gesagt sein mag, dass jemand dann eben sein Aufenthaltsrecht verwirkt hat, so schwierig ist dann vielleicht doch die Überlegung in der Tiefe, was es bedeutet, Menschen abzuschieben, die unter subsidiärem Schutz standen. Subsidiärer Schutz wird erteilt, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. „Ernsthafter Schaden“, das bedeutet die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens. Damit muss man sich dann eben auch auseinandersetzen. 
Abschließend verwundert mich der letzte Punkt Ihres Antrags nämlich die Überprüfung rechtlicher Maßnahmen, damit kein Verfahren am fehlenden Wohnsitz scheitert. Angemessener hätte ich gefunden, „Überprüfung sozialer Unterstützungsmaßnahmen, damit kein Mensch nach einer verbüßten Haftstrafe in der Wohnungslosigkeit landet“. Denn da liegt die eigentliche Baustelle. 
Ich möchte Sie daher, auch um weiter im Gespräch miteinander zu bleiben, um Ausschussüberweisung bitten. 

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