Rede · 26.01.2022 Wir wollen einen Jugend-Check für alle Gesetze
„Wir fordern, dass alle Gesetze und Verordnungen des Landes auf die Folgen für Kinder und Jugendliche abgeschätzt werden. Das hilft dem Gesetzgeber und den Jugendlichen selbst.“
Lars Harms zu TOP 10+18 - Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendförderungsgesetzes und des Kinderschutzgesetzes sowie Antrag Einführung
eines Jugend-Checks für Gesetze und Verordnungen in Schleswig-Holstein (Drs. 19/3544 und 19/3522)
Eines hat der SSW an dieser Stelle immer wieder betont: Wenn es um Beteiligung und gute Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche geht, muss sich Schleswig-Holstein nicht verstecken. Im Vergleich mit anderen Bundesländern hat die Kinder- und Jugendpolitik bei uns schon seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich zum Beispiel beim Kinderschutz oder bei den Kinderrechten in unserer Landesverfassung. Es ist unbestritten, dass es heute ein viel stärkeres Bewusstsein für die Belange und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen gibt als noch vor ein bis zwei Jahrzehnten. Diese positive Entwicklung will ich gar nicht in Abrede stellen.
Für uns ist es aber nicht nur unverzichtbar, dass wir die Belange junger Menschen auf allen staatlichen Ebenen ernst nehmen. Wir sehen auch beim Schutz, bei der Beteiligung und bei der Frage der Jugendgerechtigkeit noch deutlich Luft nach oben. Vieles ist und wird noch nicht im Sinne der Kinder und Jugendlichen geregelt. Und spätestens vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Corona-Krise sollten das auch alle selbstkritisch erkennen. Fakt ist, dass die Bedürfnisse junger Menschen während der Pandemie längst nicht immer und überall auf der Agenda standen. Auch wir hier im Landtag haben junge Menschen leider nicht selbstverständlich als Expertinnen und Experten in eigener Sache gehört. Wir als SSW mussten zum Beispiel im Vorfeld der ressortübergreifenden Corona-Anhörungen mit Nachdruck dafür sorgen, dass der Junge Rat Kiel teilnehmen konnte. Und auch damit hat sich für uns gezeigt, dass Kinder und Jugendliche nicht die Lobby und die starke Stimme haben, die sie eigentlich brauchen.
Wenn wir uns die Gesetzgebung des Landes anschauen, sehen wir ganz ähnliche Probleme. Zwar werden viele Verordnungen und Gesetzesvorhaben, die gerade Kinder und Jugendliche betreffen, auf Länderebene erarbeitet. Jugendförderungs- und Kinderschutzgesetz, die wir heute mitberaten, sind ja beste Beispiele hierfür. Doch streng genommen haben alle Gesetze, die wir im Landtag beschließen, früher oder später Auswirkungen auf unsere Kinder und Jugendlichen. Gleichzeitig existieren aber keine verbindlichen Vorgaben oder gar Pflichten, die Belange dieser Gruppe in irgendeiner Form zu berücksichtigen. Das ist aus Sicht des SSW zu wenig. Und deshalb fordern wir grundsätzlich, dass Kinder und Jugendliche überall dort mitreden und mitgestalten können, wo es unmittelbar um ihre Belange geht. Und wir fordern mit Blick auf alle Gesetze und Verordnungen des Landes, dass die Folgen für Kinder und Jugendliche abgeschätzt werden. Das hilft dem Gesetzgeber und den Jugendlichen selbst.
Zugegeben, das klingt erst einmal nach viel Aufwand. Und der eine oder die andere sieht hier vermutlich sogar die Gefahr, dass wir uns am Ende handlungsunfähig machen. Aber hier empfehle ich, unseren Antrag genauer zu lesen: Uns geht es nicht um eine zwingende Beteiligung von jungen Menschen und ihren Verbänden bei allen Gesetzen und Verordnungen. Wir wollen eine verbindliche Folgenabschätzung all dieser Vorhaben durch eine unabhängige dritte Stelle. Das ist keine Utopie, sondern wurde zum Beispiel auch im Rahmen der Jugendstrategie auf Bundesebene angestoßen. Hier gibt es mittlerweile ein Kompetenzzentrum Jugendcheck, das Abschätzungen darüber durchführt, welche Auswirkungen geplante Gesetzesvorhaben auf junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren haben. Die Erkenntnisse dieser Abschätzungen werden der Politik als Entscheidungsgrundlage an die Hand gegeben. Das funktioniert dort offenbar sehr gut.
Aus unserer Sicht ist ein solcher Jugendcheck ein wertvoller Beitrag für eine jugendgerechtere Politik. Deshalb wollen wir dieses erfolgreich erprobte Instrument auch auf Landesebene verankern. Und bei der Einführung wollen wir die Jugendverbände und die Jugendlichen selbst beteiligen. Ein Jugendcheck ist keine Spielerei, sondern dringen notwendig. Denn Kinder und Jugendliche haben kaum direkte Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungen und Gesetzgebungsprozesse. Außerdem sind junge Menschen sowohl in den Gremien auf kommunaler wie auf Landesebene unterrepräsentiert. Eine Folgeabschätzung durch eine externe Stelle ist zwar kein klassisches Beteiligungsinstrument. Aber es trägt maßgeblich dazu bei, die Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen auf das Leben und Aufwachsen von Jugendlichen transparent zu machen. Und wir sind davon überzeugt, dass ein Jugendcheck auch der Landesregierung eine noch bessere Entscheidungsgrundlage für ihre Arbeit liefern kann. Diese Chance für eine jugendgerechtere Gesellschaft sollten wir unbedingt nutzen.