Rede · 03.04.2003 Wirtschaftsbericht 2003

Ich möchte mich auch im Namen des SSW für den sehr übersichtlichen und informativen Wirt-schaftsbericht 2003 der Landesregierung bedanken. Auch wenn wir sicherlich nicht mit allen er po-litischen Bewertungen des Berichtes einverstanden sind, so gibt er doch einen guten Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung und die Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr. Schon seit Sommer 2002 hat sich der Abwärtstrend der schleswig-holsteinischen Wirtschaft angekündigt. Obwohl Schleswig-Holstein im Jahresdurchschnitt 2002 mit 0,7% Wirtschaftswachs-tum etwas besser als der Bundesdurchschnitt mit 0,2% abgeschnitten hat, zeigte die rekordhohe An-zahl der Insolvenzen in unserem Land, dass sich eine negative wirtschaftliche Entwicklung anbahn-te. Auch die Arbeitslosenzahlen stiegen seit dem Herbst sowohl in Schleswig-Holstein als auch bundesweit dramatisch an.
Allerdings war der Export in vergangenen Jahr - und hier insbesondere das verarbeitende Gewerbe - weiterhin ein Motor der Entwicklung. In Schleswig-Holstein erreichten wir mit ca. 34% Export den höchsten Anteil in unserer Geschichte. Aber die sehr laue Binnenkonjunktur und hier insbesondere der fallende Privatkonsum unserer Wirtschaft machen uns schwer zu schaffen. Betroffen von dieser negativen Entwicklung waren der Einzelhandel und das Handwerk, die im vergangenen Jahr stag-nierende oder fallende Umsätze und einen Arbeitsplatzabbau zu verzeichnen hatten. Auch die wich-tige Tourismusbranche in Schleswig-Holstein stagnierte in 2002 oder hatte sogar einen leichten Rückgang der Übernachtungen zu verzeichnen.
Dramatisch ist und war die Lage in der Bauwirtschaft, wo 2002 über 10% aller Arbeitsplätze verlo-ren gingen. Gerade deshalb war es so wichtig für diese Branche, dass der Landtag in Februar end-lich ein Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht hat. Dieses Gesetz sichert fairen Wettbewerb bei öf-fentlichen Aufträgen und verbessert somit die Wettbewerbssituation unserer heimischen Unterneh-men. Aber man darf natürlich keine Wunder erwarten, denn das öffentliche Auftragsvolumen ist ja leider weiterhin fallend.
Seit Jahresanfang haben wir weitere Hiobsbotschaften auf dem schleswig-holsteinischen Arbeits-markt zu verzeichnen. Ich möchte hier nur beispielhaft die Probleme beim Druckmaschinenherstel-ler Heidelberg, bei der HDW oder die jetzt angedrohte Schließung der Nordzucker in Schleswig hinweisen. Diese Beispiele sind nur die Spitze des Eisberges bei den Arbeitsplatzverlusten, die wir jetzt verzeichnen müssen. Wobei mit der Schließung der Zuckerfabrik in Schleswig fast keine Ver-edelung von landwirtschaftlichen Produkten mehr in Landesteil Schleswig stattfinden wird. Das ist für eine ländliche Region wie die unsere besonders bitter. Grotesk ist dabei auch, dass die Betroffe-nen in Zukunft wahrscheinlich ihren Zucker ganz nach Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern transportieren müssen.
Aus einer Blitzumfrage der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein bei 270 Firmen ergab sich, dass die Stimmung der norddeutschen Wirtschaft so schlecht wie seit Jahrzehn-ten nicht mehr ist. Der Wirtschaftsminister macht zu einem großen Teil die schlechtere internationa-le Konjunktur für diese Entwicklung verantwortlich. Das ist zum Teil sicherlich richtig und natür-lich wird der anhaltende Irak-Krieg, je nach dem wie lange er dauert, weitere Konjunkturprobleme mit sich bringen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht kann man deshalb nur hoffen, dass dieser unsägli-che Krieg so schnell wie möglich und mit minimalen menschlichen und materiellen Verlusten be-endet wird. Aber die internationale Konjunktur ist eben nur ein Teil der Erklärung für die ange-spannte wirtschaftliche Situation. Wenn gerade die Binnenkonjunktur das Hauptproblem ist, dann liegt es auf der Hand, dass es sich hausgemachte Probleme handelt. Wenn Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger sich bei Investitionen und Konsum so zurückhalten, liegt es insbesondere an der Unsicherheit wie es mit den Reformen in der Bundesrepublik weitergehen soll. Daher ist es im Prinzip richtig, dass die Bundesregierung noch im diesem Jahre endlich wegweisende Reformen unseres Sozialsystem auf den Weg bringen will.
Wir brauchen eine Zukunftssicherung des Sozialstaates und eine Senkung der Lohnneben-kosten als Signal an die Menschen und an die Wirtschaft, das die Probleme angepackt wer-den. Bundeskanzler Schröder hat vor Jahren einmal gesagt, es gibt keine linke oder rechte Wirt-schaftspolitik sondern nur eine richtige Wirtschaftspolitik. Leider ist er bis jetzt diesem Anspruch nicht gerecht geworden. Noch schlimmer ist aus Sicht des SSW, dass viele der vorgeschlagenen Re-formschritte der Bundesregierung im Grunde nichts weiter als ein Kahlschlag auf Kosten der sozial Schwachen sind. Das gilt insbesondere für die vorgeschlagenen Kürzungen beim Arbeitslosengeld und der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf niedrigsten Niveau. Ich verste-he nicht, wie durch solche Kürzungen in diesem Bereich neue Arbeitsplätze geschaffen werden sol-len. Im Gegenteil das wäre volkswirtschaftlich Kontraproduktiv, da gerade diese Bevölkerungs-gruppen eine hohe Konsumquote haben.
Der SSW lehnt es also angesichts von 4,7 Mio. Arbeitslosen und nur wenigen Hunderttausend offenen Stellen ab die Bezugsdauer und Höhe des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhil-fe massiv zu verringern. Das kommt einer Bestrafung der Arbeitslosen gleich und ist somit unak-zeptabel. Gerade diese Vorschläge des CDU-Antrages können wir somit überhaupt nicht unterstüt-zen. Besonders empört hat uns die Forderung im CDU-Antrag, dass Kommunen verstärkt von der Möglichkeit gebrauchen machen sollten, bei Verweigerung von zumutbaren Arbeitsangeboten die Sozialhilfebezüge empfindlich zu kürzen. Damit unterstellt man, dass die Sozialhilfeempfänger zu faul sind und auch zu viel Geld bekommen. Natürlich müssen auch Forderungen an die Arbeitslosen gestellt werden. Aber das Hauptziel muss es bleiben, diesen Menschen entweder vernünftige Ar-beitsplatzangebote zu vermitteln oder ihre Aus-, Fort – und Weiterbildung gezielt zu unterstützen.
Gerade deshalb bleiben wir bei unserer Haltung, dass das Hartz-Konzept erst einmal vernünftig um-gesetzt werden muss, bevor man weitere Schritte zum Beispiel beim Kündigungsschutz anpeilt. Der rot-grüne Änderungsantrag geht ja auch in genau diese Richtung. Auch die überfälligen Reformen der Bundesanstalt für Arbeit müssen erst einmal vor Ort greifen. Denn den Arbeitsämtern kommt ja in Zukunft eine Schlüsselrolle zu, wenn zum Beispiel die sogenannten Personalserviceagenturen durch ihr Leiharbeiterangebot zur notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beitragen sol-len. Was die Herkulesaufgabe vom Umbau des Sozialstaates angeht, warnen wir davor, nur weiter am System herumzudoktern. Wer die Lohnnebenkosten signifikant senken will, muss eigentlich endlich einen großen Schritt in Richtung steuerfinanzierte Sozialleistungen gehen, die dann zum Beispiel durch die Mehrwertsteuer oder Ökosteuer finanziert werden könnten. Dass dies auch ohne grundlegende Einschnitte im Sozialstaat funktioniert, haben uns die Niederlande oder die skandina-vischen Länder schon seit Jahren vorgemacht.
Darüber hinaus plädiert der SSW auch dafür, in dieser schweren wirtschaftlichen Situation die Maastricht-Kriterien so anzupassen, dass Bund und Länder mehr Spielräume für die dringend not-wendigen Investitionen in der Verkehrsinfrastruktur oder für öffentliche Bauaufträge bekommen. Weiterhin könnte die Erhöhung der Investitionen benutzt werden um die Landesmittel im Bereich der EU-Förderprogramme – sei es für die Sozialfonds, GA-Förderung, Regionalprogramm oder Werftenhilfe - aufzustocken. Denn gerade in diesen Bereichen hat es in den letzten Jahren einen massiven Einbruch in den landeseigenen Investitionen gegeben. Alle Erfahrungen zeigen aber, dass diese Direktinvestitionen den größten positiven Arbeitsplatzeffekt vor Ort haben.
Das gilt auch für Investitionen der Kommunen. Hier muss man auch deutlich machen, dass das von der Bundesregierung vorgeschlagene Kreditfinanzierungsprogramm für die Kommunen sehr wahr-scheinlich erfolglos bleiben wird, weil die Kommunen zumindest in Schleswig-Holstein schon völ-lig überschuldet sind und keine weiteren Kredite – auch wenn sie billig sind – aufnehmen wollen.
Viele dieser Weichenstellungen können nur auf Bundesebene in Gang gesetzt werden. In diesen Zu-sammenhang begrüßt der SSW, dass der Wirtschaftsminister sich zusammen mit seinen Kollegen der sechzehn Bundesländer auf der Wirtschaftsministerkonferenz im Dezember 2002 auf einem um-fassenden Forderungskatalog für die mittelständische Wirtschaft geeinigt haben. Die fünf zentralen Zielsetzungen für den Mittelstand: Bessere Kreditversorgung, Steuererleichterung, Abbau der Lohnnebenkosten, Flexiblen Arbeitsmarkt und Abbau bürokratischer Hemmnisse können wir si-cherlich alle im Prinzip unterstützen. Nur bei der Umsetzung im Detail wird es wie immer Mei-nungsverschiedenheiten geben.
Wichtig ist mir hierbei aber auch, dass alle Parteien trotz unserer unterschiedlichen wirt-schaftspolitischen Ansätze gemeinsam für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein wer-ben. Trotz der aktuellen sehr schwierigen Lage und der schlechten Aussichten macht der Wirt-schaftsbericht 2003 dennoch deutlich, dass der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein sich in den letzten Jahren gewaltig entwickelt hat und eine grundlegende Strukturänderung durchgemacht hat. Das zeigen zum Beispiel in 2002 die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen, die Anzahl der Betriebsneugründungen und die Selbstständigenquote für Schleswig-Holstein. Die Wirtschaftspoli-tik der Landesregierung mit den vielen Förderprogrammen und Beratungs- und Kreditfinanzierungsinstituten hat diesen Prozess positiv begleitet. Dabei ist die verfolgte Strategie, Schleswig-Holstein als Brücke zwischen Hamburg und den Ostseeraum zu profilieren sicherlich richtig. Allerdings bleiben wir dabei, dass man die Förderung der leistungsfähigen Subregionen wie Flensburg/Schleswig oder der Westküste nicht vernachlässigen darf. Der SSW wird die Landesregierung weiterhin an ihre Verantwortung für diese strukturschwachen Regionen erinnern.

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