Rede · 05.05.2006 Wohnen im Alter

Die Debatte um unterschiedliche Wohnformen im Alter und deren öffentliche Förderung wurde im Landtag mit großer Leidenschaft geführt. Gut so, denn schließlich werden wir alle einmal alt und wollen dann so leben, wie wir es gerne möchten und nicht so, wie es andere gerne hätten.
Der vorgelegte Bericht der Landesregierung ist ein hervorragendes Nachschlagewerk und ein Leitfaden für die mittelfristige Politik. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Fragen seitens der Mehrheitsfraktionen, die wenig Konkretes enthielten. Die Opposition blieb hartnäckig. Das hat sich ausgezahlt. Das zeigt, dass auch eine zahlenmäßig kleine Opposition gegenüber einer zahlenmäßig Großen Koalition inhaltlich etwas bewegen kann.

Doch zurück zu dem vorlegten Bericht. Er zeigt vor allem, dass man das Thema „Wohnen im Alter“ nicht vom Umfeld abgekoppelt sehen kann. Was nützt die schönste behindertenfreundliche Wohnung, wenn es keine Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe gibt. In Nordfriesland fahren viele mobile Bäcker, kleine Kioske und Schlachter gerade in die kleinen Orte und ermöglichen so den Verbleib vieler Bürgerinnen und Bürger in den eigenen vier Wänden. Ob sich diese rollenden Läden aber auf Dauer halten können, ist mehr als fraglich. Die Landesregierung tut deshalb gut daran, die Markttreffs als Pluspunkte für ein selbständiges Leben im Alter zu unterstützen und zu fördern. Wir haben hier die Möglichkeit Anlaufpunkte zu schaffen und zu erhalten, die nicht nur der Nahversorgung mit Lebensmitteln oder Postdienstleistungen dienen, sondern wir haben durch die Markttreffs auch soziale Anlaufpunkte in den Dörfern geschaffen, die sich gleichermaßen positiv auf Jung und Alt im Dorf ausgewirkt haben. Das zeigt, dass altersgerechtes Wohnen und ein altersgerechtes Umfeld nicht zu eng zu sehen ist. Wir müssen über Infrastruktur im Allgemeinen nachdenken und werden dann immer wieder feststellen, dass wenn die Infrastruktur stimmt, dies den alten Menschen in ihren Bedürfnissen auch hilft.

Wenn ich nun gerade über die Dörfer und über altersgerechtes Wohnen spreche, will ich nicht darauf verzichten, auch wieder einmal auf mein Steckenpferd hinzuweisen: nämlich die örtliche Bauplanung. Die Gemeinden sind hier ganz besonders in der Pflicht, sich auf den demografischen Wandel einzustellen und für barrierefreie Wohngebiete zu sorgen. Diese sind nicht so schwer einzurichten wie man glaubt. Je frühzeitiger man an Barrierefreiheit denkt, je einfacher ist es, diesen Gesichtspunkt mit einzuplanen. Oftmals reichen bereits kleine Veränderungen aus. Das sollte bei kommunalen Planungen möglichst frühzeitig berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem behindertengerechte Zugänge oder abgesenkte Bordsteine. Das sind lediglich kleine Beiträge, aber diese haben eine große Wirkung. Fortschrittliche Orte versuchen sogar, kommende Bauherren auf diese Fragestellungen aufmerksam zu machen und vermitteln Informationen, wie man barrierefrei bauen kann. Auch dieser Ansatz hat wieder nicht nur den Aspekt des angenehmeren Wohnens im Alter zum Hintergrund, sondern ist natürlich auch für Familien mit Behinderten oder mit Kindern ein wichtiger Gesichtspunkt.

Aber natürlich gibt es auch Ansätze, die sich tatsächlich nur auf die ältere Generation beziehen. Eine vorausschauende Pflegebedarfsplanung halte ich, um ein Beispiel heraus zugreifen, für sehr wichtig, um älteren Menschen im Falle der Pflegebedürftigkeit eine angemessene Wohnform anbieten zu können. Ein Pflegeplatz muss nach einem Unfall manchmal innerhalb weniger Wochen gefunden werden. Eine gute Pflegeplanung ist daher sehr wichtig. Wie verpflichtend diese Planung allerdings im Einzelnen ist, bleibt offen.

Ich wünsche mir, dass möglichst gerade viele Kommunalpolitiker den Bericht lesen. Die Bemerkungen über die zu erwartende Alterswanderung in Richtung der Städte müssen unmittelbares Handeln auslösen. Nur so kann ein Wildwuchs in Sachen Alterswohnen verhindert werden. Längst nicht alle Alten sind nämlich gebrechlich und auf Hilfe angewiesen.

Die überwiegende Mehrzahl ist sogar bis ans Lebensende absolut selbständig.  Andererseits sind alte Menschen immer noch die besten Anwälte in eigener Sache. Ich erhoffe mir weitergehende Erkenntnisse von der avisierten Befragung der über 60-jährigen. Denn es ist allemal besser, selbst zu planen als planen zu lassen. Wenn diese Daten vorliegen, müssen diese unbedingt der kommunalen Ebene bekannt gemacht werden, denn in den Kommunen werden die weitaus meisten konkreten Planungen mit Bezug zum altengerechten Wohnen gemacht. Dabei geht es nicht nur um Barrierefreiheit, Pflege oder Einkaufsmöglichkeiten, sondern zum Beispiel auch um speziell auf das ältere Publikum zugeschnittene kulturelle Angebote. Wenn man den vollständigen ganzheitlichen Ansatz verfolgen will und es ernst meint, mit der Verbesserung der Wohnsituation der älteren Generation und auch aller anderen Bevölkerungsteile, dann muss man aber auch gerade der kommunalen Basis die finanziellen Möglichkeiten bereit stellen. Ein Eingriff in die kommunalen Kassen schließt sich dann automatisch aus.

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